BVwG I413 2160237-1

BVwGI413 2160237-114.11.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I413.2160237.1.00

 

Spruch:

I413 2160237-1/15E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 24.07.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. SUDAN, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.08.2015, Zl. 15-1080711810-150992103, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG stattgegeben.

 

II. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 02.08.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

III. Dem Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 02.08.2015 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt.

 

IV. XXXX wird auf eine auf die Dauer eines Jahres befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 erteilt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, homosexuell zu sein, worauf im Sudan die Todesstrafe stehen würde. Er sei bereits einmal von seiner Familie dabei erwischt worden, und habe Angst vor der Gesellschaft, wenn man davon erfährt, weshalb er sich zur Flucht entschlossen habe.

 

2. Mit Eingabe vom 01.03.2017 zeigte Dr. Gerhard MORI, Rechtsanwalt in Salzburg, die Erteilung der Vollmacht in dieser Asylsache bekannt und erstattete eine Säumnisbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Zusammenfassend brachte der Beschwerdeführer vor, dass dieser am 02.08.2015 einen Asylantrag gestellt habe, der – obgleich die fünfzehn monatige Entscheidungsfrist bereits am 02.11.2016 abgelaufen sei – bis heute nicht behandelt worden sei. Er stellte hierzu auch weiter Beschwerdeanträge.

 

3. Am 10.04.2017 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde zu seinem Antrag einvernommen. In der er nochmals als Fluchtgrund seine Homosexualität und die damit verbundene Lebensgefahr anführte.

 

4. Mit Schriftsatz vom 31.05.2017 legte die belangte Behörde die Säumnisbeschwerde samt dem Verwaltungsakt vor, mit der Begründung, dass nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht innerhalb der drei Monatsfrist erfolgen könne und deshalb der Akt zur Vorlage gebracht werde.

 

5. Mit Schriftsatz vom 22.06.2017 gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers die Beendigung der Bevollmächtigung bekannt und beantragte die Bestellung eines Rechtsberaters gemäß § 52 AsylG.

 

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2017 bestellte es die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH zu Rechtsberatern des Beschwerdeführers.

 

7. Am 24.07.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschwerdeführers durch. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht teil. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer als Partei vernommen. Das Bundesverwaltungsgericht verkündete sodann sofort das gegenständliche Erkenntnis mündlich.

 

8. Mit Schriftsatz vom 25.07.2017 ersuchte die bei der mündlichen Verhandlung abwesende belangte Behörde um Ausfertigung des Erkenntnisses, zumal aus der Niederschrift der öffentlichen mündlichen Verhandlung keine Begründung für diese Entscheidung ersichtlich sei.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger des Sudan und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er gehört zur Volksgruppe der Afrigi an. Seine Identität steht nicht fest.

 

Der Beschwerdeführer ist homosexuell.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

 

Der Beschwerdeführer reiste ohne Reisedokument über Ägypten aus dem Sudan aus und gelangte mit dem Schiff nach Italien. Von dort gelangte er versteckt in einem LKW nach Österreich. Er hält sich (mindestens) 02.08.2015 in Österreich auf. Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus der Mutter XXXX, den Brüdern XXXX, XXXX und der Schwester XXXX lebt im Sudan. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

 

Der Beschwerdeführer besuchte von 1998 bis 2006 die Grundschule und von 2006 bis 2011 eine allgemein höhere Schule. Er arbeitete zuletzt im Herkunftsstaat als Profifußballer.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

 

In Österreich geht der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

 

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

 

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Homosexualität im Sudan verfolgt wird.

 

Nicht ausgeschlossen werden kann hingegen, dass das Leben des Beschwerdeführers oder dessen Unversehrtheit im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat bedroht ist.

 

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Sudan:

 

Der in 17 Bundesstaaten gegliederte Sudan wird seit Jahrzehnten von Hassan Ahmad al-Baschir, der zugleich Premierminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des obersten Richterrates und Befehlshaber der Polizei ist, autokratisch regiert. Er führte 1983 die Sharia im Sudan ein und erklärte den Sudan zum islamischen Staat. Zugleich wurde der Autonomiestatus des Südsudan aufgehoben. Dies führte zu einem 22 Jahre dauernden Bürgerkrieg, welcher mit der Unabhängigkeit des Südsudan 2011 endete. Die sudanesische Innenpolitik ist maßgeblich durch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Anpassungen nach der Sezession des Südsudan bestimmt. Eine Verfassungsreform ist seit Jahren angekündigt, jedoch nicht umgesetzt worden.

 

Der langjährige Präsident al-Baschir wurde zuletzt 2015 mit 94,5% der Stimmen wiedergewählt. Politische Oppositionelle wurden systematisch bei der Wahl unterdrückt und große Oppositionsparteien boykottierten die Wahl.

 

Die Lage ist in weiten Teilen des Sudan angespannt. Seit Loslösung des Südens und dem Verlust eines Großteils des Öleinkommens ist die ökonomische Situation schwierig, was wiederum zu Phasen sozialer Unruhe führt. Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen sind daher immer wieder möglich. In einigen Landesteilen finden bewaffnete Konflikte statt. In mehreren Landesteilen besteht die Gefahr von Landminen und Blindgängern. Es besteht eine erhöhte Terrorismusgefahr im gesamten Sudan. In einigen Landesteilen wurden in den letzten Jahren vereinzelt radikale Zellen ausgehoben, die Anschläge in der Hauptstadt u.a. auch auf die Geburtstagsfeierlichkeiten des Propheten Mohammed im Jänner 2015, geplant hatten.

 

Der Sudan weist keine funktionierende Gewaltenteilung auf. Die gemäß der Interimsverfassung unabhängige Justiz ist va bei angeblichen Verbrechen gegen den Staat dem Präsidenten oder Sicherheitskräften unterworfen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist aufgrund politischer Einflussnahme und der personellen Verschränkung von Justiz und Verwaltung in höheren Rängen nicht gewährleistet. Das sudanesische Strafrecht basiert auf der Scharia und erlaubt die Verhängung von Strafen wie Auspeitschen, Amputieren von Gliedmaßen und Steinigungen. Neben regulären Strafgerichten bestehen zudem "public-order"-Gerichte, Jugendgerichte und auch Militärgerichte, die auch für Zivilisten zuständig sein können. Für Mitglieder der Sicherheitskräfte bestehen Sondergerichte. Zentrale Eckpunkte eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, wie etwa die Unschuldsvermutung, werden häufig nicht beachtet. Ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht. Berichten zufolge wird dieses Recht manchmal verweigert. Militärprozesse beinhalten keine prozessualen Rechtsstandards. Die ferner bestehenden Sondergerichte behandeln auch oft sicherheitsrelevante Fälle. Es besteht bei diesen Gerichten nur eingeschränkt die Möglichkeit der Rechtshilfe. Haftbefehle werden in politischen Fällen nicht ausgestellt. Das Verfahren unterliegt keiner Aufsicht. Anwälte sind nicht zugelassen.

 

Von den für die innere Sicherheit verantwortlichen Behörden ist der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst NISS ist in allen wichtigen Städten vertreten. Das Innenministerium kontrolliert Polizeikräfte, wie unter anderem die Nationale Polizei, polizeiliche Spezialeinheiten und die Central Reserve Police (CRP). Die Ende 2013 gegründeten Rapid Support Forces (RSF) unter dem NISS gewannen im Jahr 2014 an Bedeutung. Es handelt sich dabei um eine Einheit, die größtenteils aus früheren Mitgliedern arabischer Milizen (Janjaweed) besteht.

 

Die Polizei agiert häufig willkürlich; eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns findet kaum statt. Der mächtige NISS ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle tätig. Willkürliche Verhaftungen ohne richterlichen Haftbefehl sind Praxis. Straffreiheit stellt in allen Teilen der Sicherheitskräfte ein verbreitetes Problem dar.

 

Nach der Übergangsverfassung ist die Folter verboten. Dennoch foltern und belästigen Sicherheitskräfte, Regierungsmilizen und Rebellengruppen politische Gegner. Polizei- und Sicherheitskräfte gehen generell mit Härte vor. In Darfur und anderen Konfliktregionen kommt es durch Regierungstruppen, Rebellen und Stammesfraktionen zu außergerichtlichen Hinrichtungen. Es bestehen Vorwürfe gegenüber der sudanesischen Armee betreffend systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung als eine zentrale Strategie der Kriegsführung. Bombardierungen von Dörfern durch die sudanesische Luftwaffe kommen immer wieder vor. Weiter stellen sexuelle Gewalt in den Konfliktregionen durch Milizen der Regierung und der sudanesischen Armee und die Rekrutierung von Kindersoldaten, vor allem durch die verschiedenen Rebellenorganisationen, ein immenses Problem dar.

 

Die Korruption im Land ist trotz Antikorruptionsgesetze allgegenwärtig und durchzieht sämtliche Sektoren der Wirtschaft und des Staatsapparats. Gemäß dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International befindet sich das Land im weltweiten Vergleich seit Jahren auf den letzten Rängen, aktuell zum wiederholten Mal auf dem vorletzten Platz. Die sudanesische Polizei zählt weltweit zu den zehn korruptesten Polizeikräften, aber auch die Korruption in der Wirtschaft ist enorm. Die 2012 eingerichtete Anti-Korruptionsbehörde erwies sich als ineffizient. Fälle von Korruption bei öffentlich Bediensteten werden von einem speziellen Antikorruptionsstaatsanwalt untersucht. Verhängte Strafen werden allerdings kaum exekutiert.

 

Obwohl die sudanesische Verfassung allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte gewährt, bleibt die Menschenrechtslage im ganzen Land prekär. Die Menschrechte werden, insbesondere durch die im Land herrschenden bewaffneten Konflikte in Darfur und in den Grenzregionen zum Südsudan missachtet. Die verfassungsmäßig garantierte Meinungs- und Pressefreiheit wird staatlicherseits missachtet. Privater und öffentlicher Kritik wird vom Staat mit Repressalien begegnet. Nicht der Regierungspartei zugehörige Medien unterliegen der Zensur. Für Journalisten bestehen teilweise Berufsverbote. Die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist ebenfalls durch die Regierung eingeschränkt. Versammlungen mit mehr als fünf Personen ohne Genehmigung sind illegal. Menschenrechtsorganisationen werden an ihrer Arbeit gehindert. Viele Menschenrechtsverteidiger haben den Sudan verlassen. Der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdients NISS überwacht politische Gegner und kann missliebige Personen ohne richterlichen Beschluss verhaften. Aufgrund der Kriegsverbrechen in Darfur hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) hat im Jahr 2009 für den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir einen Haftbefehl ausgestellt. Dieses Verfahren wurde 2014 gestoppt und ist als gescheitert anzusehen.

 

Die Bedingungen in den Haftanstalten sind durch menschenunwürdige Zustände, wie Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung gekennzeichnet. Es gibt Berichte über den Tod von Häftlingen aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung und schlechter Haftbedingungen. Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen erträglicher machen. Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen ("The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act") entspricht nach Angaben der Vereinten Nationen nicht den VN-Minimalstandards für die Behandlung von Gefangenen.

 

Der Sudan gehört zu den Staaten, in denen Todesurteile vollstreckt werden. Auch ein Urteil durch Steinigung kann verhängt werden. Das Strafgesetzbuch sieht für verschiedene Delikte, einschließlich Abfall vom Islam, Ehebruch, homosexuelle Handlungen (bei der dritten Verurteilung) und verschiedene Drogendelikte die Todesstrafe vor. Laut Art 181 der sudanesischen Strafprozessordnung von 1991 ist allerdings jede Todesstrafe, Amputation oder lebenslängliche Gefängnisstrafe erst vom Obersten Gerichtshof zu prüfen und zu bestätigen. Steinigungsurteile werden seit 1985 vom Obersten Gerichtshof regelmäßig aufgehoben. Todesurteile werden ansonsten auch vollzogen.

 

97 % der Bevölkerung im Sudan Muslime, davon fast alle Sunniten. Auch wenn die Verfassung Religionsfreiheit gewährt, wird der Islam vom Staat bevorzugt.

 

Der Sudan ist ein Vielvölkerstaat mit ca. 15 größeren und zahlreichen kleineren Ethnien. Etwa 70 % gehören der arabisch-islamischen Bevölkerung an. Größere arabische Gruppen wie zB die Ja'aliyin und die Shayqiya, traditionell Bauern und Viehzüchter, stellen zumeist auch die politische und wirtschaftliche Bildungselite der nordsudanesischen Gesellschaft. Größtenteils als Kamel- und Rindernomaden leben die Kababish in Nord-Kordofan und die Baggara im östlichen Darfur und Süd-Kordofan. Immer wieder zu schweren Ausschreitungen führt der Konflikt zwischen den zu den nomadischen Baggara gehörenden Misseriye aus dem Süden Kordofans, die ihre Herden traditionell in die zwischen dem Sudan und Südsudan umstrittene Region Abyei treiben und den hier ansässigen Ngok-Dinka. Zu den bekanntesten nichtarabischen Gruppen des Sudan gehören z.B. die beiderseits der ägyptisch-sudanesischen Grenze am Nil lebenden Nubier und die Volksgruppen Darfurs, darunter die Zaghawa, deren ökologisch bedingte Abwanderung aus Norddarfur u.a. als einer der Gründe des Darfur-Konflikts angesehen wird und die vornehmlich Hirseanbau betreibenden Fur, die der Region den Namen gaben (Dar Fur - Land der Fur), sowie die im ariden Ostsudan am Roten Meer als Kamelnomaden lebenden Beja. Eine gesetzliche Diskriminerung gegen ethnisch definierte Gruppen existiert nicht. Es bestehen aber in der Praxis ethnische Spannungen, so insbesondere im langjährigen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan, in dem die überwiegend afrikanische Bevölkerung des Südsudan gegen die Dominanz des arabisch geprägten Nordsudan rebellierte. Diese Konfliktlage besteht im Sudan auch nach Abtrennung des Südsudan in Darfur, im Ostsudan und in den Regionen Südkrdofan und Blauer Nil grundsätzlich fort.

 

Die Bewegungsfreiheit im Sudan ist – wenn auch durch die Regierung eingeschränkt – gesetzlich gewährleistet. In den Konfliktzonen besteht keine Bewegungsfreiheit. Sudanesen benötigen ein Exit-Visum zum Verlassen des Landes, wobei diese Visa nicht dazu verwendet werden, die Reisefreiheit der Bevölkerung zu beschränken.

 

Die Wirtschaft des Sudan ist durch Landwirtschaft und Erdölförderung geprägt. Aufgrund des durch die Unabhängigkeit des Südsudan bewirkten Verlustes von 75 % der Erdölförderung befindet sich die Wirtschaft des Sudan in einer tiefen Krise. 70 % der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, die zumeist als Subsistenzwirtschaft zu charakterisieren ist. Wassermangel und Wüstenbildung hemmen die Entwicklung der Landwirtschaft. Zugleich besitzt der Sudan reiche Bodenschätze. Der Sudan gehört weltweit zu den ärmsten und höchstverschuldetsten Ländern der Welt. Die Versorgungslage der Bevölkerung ist in großen Teilen des Landes kritisch. Nur in der Hauptstadt Khartum existiert ein gutes Warenangebot. Über den Mindestbedarf zum Leben hinausgehende Güter sind aber auch hier für den Großteil der Bevölkerung kaum erschwinglich. In der Krisenregion Darfur versorgt die internationale Gemeinschaft im Rahmen humanitärer Hilfe über 2 Millionen Personen mit dem Nötigsten. Die staatliche Daseinsvorsorge ist hier völlig zusammengebrochen.

 

Die medizinische Versorgung entspricht nicht europäischen Standards. Weite Teile der medizinischen Infrastruktur sind va im Süden aufgrund des langjährigen Bürgerkrieges zerstört. In der Hauptstadt ist die Gesundheitsversorgung befriedigend. Einige Krankenhäuser sind hervorragend ausgestattet. Öffentliche Krankenhäuser sind dagegen in ärmlichem Zustand. Außerhalb von Khartum ist die medizinische Versorgung auf geringem Niveau gewährleistet. Es existierten insbesondere in den Städten ordentliche, wenn auch internationalen Standards an Hygiene nicht genügende Krankenhäuser. Die Ärzte sind in der Regel gut ausgebildet. Alle gängigen Medikamente der WHO Essential Drug List sind in Apotheken erhältlich, andere können im Einzelfall importiert werden und sind dann zu verzollen. Viele Arzneimittel sind jedoch für den Normalverdiener unerschwinglich.

 

Das Sozialversicherungssystem funktioniert nur unzulänglich und ist vor allem auf die städtischen Ballungszentren beschränkt.

 

Eine besondere Behandlung von in den Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen besteht nicht. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt nicht zu staatlichen Repressionen. Personen, deren Asylansuchen im Ausland abgelehnt wurde, haben im Allgemeinen keine Schwierigkeiten bei der Wiedereinreise in den Sudan, es sei denn, sie sind bekannte Oppositionelle oder sie befürworten den bewaffneten Umsturz.

 

Zur Lage homosexueller Personen im Sudan:

 

Homosexualität selbst steht nicht unter Strafe, kann aber als Sodomie geahndet werden. Darauf steht die Todesstrafe. Es gibt keine Berichte über die Anwendung dieser Gesetze. LGBT Personen sind nicht durch Antidiskriminierungsgesetze geschützt (USDOS 25.6.2015). Die Toleranz in der Bevölkerung ist gering (BMEIA 14.12.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Es gibt Berichte über eine weit verbreitete gesellschaftliche Diskriminierung homosexueller Personen im Sudan, über Demonstrationen gegen Homosexuelle und Angriffe gegen der Homosexualität verdächtiger Personen (Anfragebeantwortung vom 12.05.2011 der Staatendokumentation).

 

Sektion 148 des Strafgesetzbuches vom 20.02.1991, no. 1548 lautet:

 

"Sodomie

 

(1) Jeder Mann, der seinen Penis oder Gleichwertiges in den Anus einer Frau oder eines Mannes einführt oder einem anderen Mann gestattet, seinen Penis oder Gleichwertiges in seinen Anus einzuführen, begeht Sodomie. (2) (a) Eine Person, die sich des Vergehens der Sodomie strafbar macht, wird mit hundert Hieben und fünf Jahren Haft bestraft. (b) Wenn eine Person das zweite Mal für dieses Vergehen bestraft wird, woll die Strafe hunder Hiebe und bis zu fünf Jahren Haft betragen. (c) Im Falle einer dritten Verurteilung soll die Person mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft werden."

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Sachverhalt:

 

Zur Feststellung, des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 10.04.2017 und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 02.08.2015, in den Beschwerdeschriftsatz, sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan vom 02.12.2016, in den aktuellen UN-Bericht vom 09.01.2017 Final Report of the Penal of Experts on the Sudan established Persuant to resolution 1591 (2005), in den Country Report on Human Right practices 2014-Sudan des US-Departement of Justice vom 25.06.2015, sowie in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.05.2011, sowie der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden und der Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.07.2017.

 

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Homosexualität, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 10.04.2017) und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2017. Danach besteht, insbesondere in Hinblick auch auf seine sexuelle Orientierung kein Zweifel.

 

Dass die Identität des Beschwerdeführers nicht abschließend feststeht, liegt daran, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keine identitätsbegründenden Dokumente vorgelegt hat.

 

Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme durch die belangte Behörde (Protokoll vom 10.04.2017), sowie aus seiner Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 24.07.2017 und aus dem Umstand aus seines erst kurzen –knapp zweijährigen- Aufenthalts in Österreich.

 

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 08.06.2017. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keiner Arbeit in Österreich nachgeht und Grundversorgung bezieht ergeben sich aus dem den Bundesverwaltungsgericht vorliegenden am 08.06.2017 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

 

2.3. Zu den Fluchtgründen:

 

Die Negativfeststellung bezüglich der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung seiner Person im Sudan aufgrund seiner Homosexualität beruht darauf, dass der Beschwerdeführer keine Gefahr der Verfolgung glaubhaft macht. Der Beschwerdeführer gibt an, den Sudan verlassen zu haben, weil er homosexuell ist. Die Gesellschaft und seine Familie würden so etwas nicht akzeptieren. Der Sudan sei ein islamisches Land (Protokoll vom 24.07.2017, S 7). Weiters gibt er an, dass er vor Gericht sich wegen seiner Homosexualität verantworten habe müssen. Gleichzeitig teilt er aber mit, dass seine Familie dem Gericht versprochen habe, dass er mit seiner Homosexualität aufhören werde, da er minderjährig gewesen sei. Dem gegenüber teilte er in der Einvernahme vor der belangten Behörde mit, dass er wegen seiner Homosexualität in Haft gewesen sei. In der Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht hingegen, war von einer Inhaftierung nicht mehr die Rede. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer angibt, von seinem Onkel beim Geschlechtsverkehr mit einem Freund erwischt worden zu sein, belegt keine Verfolgung. Aufgrund der Schilderung dieses Vorfalles in der mündlichen Verhandlung kam der erkennende Richter zum Schluss, dass aufgrund fehlender Realitätsmerkmale die Schilderung des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist. Zudem widerspricht sich der Beschwerdeführer auch insofern, als er einerseits angibt, beim Geschlechtsverkehr erwischt worden zu sein, andererseits jedoch gibt er an, dass sein Onkel ihn nach dem Anziehen erwischt habe, sodass dieser, wenn überhaupt, nur eine Mutmaßung hätte anstellen können. Das Bundesverwaltungsgericht stellt es nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer die von ihm geschilderte sexuelle Neigung hat und dass diese im Sudan nicht ausgelebt werden kann, hat aber aufgrund der Schilderung des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel, ob die geschilderten Vorfälle tatsächlich stattgefunden haben. Daher konnte der Beschwerdeführer eine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, zur Gruppe homosexueller Menschen, nicht glaubhaft machen.

 

Die Feststellung, wonach das Leben des Beschwerdeführers, oder dessen Unversehrtheit im Fall der Rückkehr in den Sudan bedroht ist, ergibt sich allerdings aus folgenden Überlegungen:

 

Der Beschwerdeführer brachte während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen konsistent vor, aufgrund seiner Homosexualität benachteiligt und verfolgt zu werden. Er schildert auch nachvollziehbar die Schwierigkeiten innerhalb seiner Familie, welche auch Verletzungen mit einschlossen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Sektion 148 (Sodomie) und 151 (unanständiges Verhalten) homosexuelle Praktiken im Sudan mit schweren Strafen (100 Hieben und fünf Jahre Haft im ersten Fall, im zweiten Fall 100 Hiebe und bis zu fünf Jahre und im Fall einer dritten Verurteilung die Bestrafung mit dem Tod, oder eine lebenslange Haft) droht. Vor diesem Hintergrund scheint es glaubhaft und sogar wahrscheinlich, dass es nicht zuletzt auch wegen der geringen Toleranz der sudanesischen Bevölkerung gegenüber Personen mit einer sexuellen Orientierung wie der Beschwerdeführer im Falle der Abschiebung in den Sudan einer realen Gefahr einer erniedrigenden Bestrafung, oder sogar der Todesstrafe mit sich bringen würde.

 

2.4. Zum Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Sudan vom 02.12.2016, samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen, sowie auf den aktuellen UN-Bericht vom 09.01.2017 und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.05.2011. Diese Erkenntnisquellen stellen eine ausgewogene und aktuelle Auswahl verschiedenster publizierter Quellen und Nachweise dar. Sie fußen auf staatlichen, wie auch nicht-staatlichen Erkenntnissen, welche es ermöglichen, ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Den Auskünften liegen in der Regel Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen zu Grunde, welche aufgrund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage fähig sind. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen, sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der gegenständlichen Entscheidung wurden daher die von der Staatendokumentation, von den vereinten Nationen, zum Sudan getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Diesen Feststellungen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch nicht in substantiierter Weise widersprochen. Hinsichtlich der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation aus dem Jahr 2011 ist anzumerken, dass sich in Bezug auf die dort zusammengestellte Rechtslage keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und die Lage Homosexueller im Sudan in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert blieb. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau der oben zitierten Erkenntnisquellen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

Zu I. Stattgebung der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht:

 

3.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsbehörde.

 

Gemäß § 8 Abs 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder –so wie im vorliegenden Fall gemäß § 22 Abs 1 AsylG – eine längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser – gemäß § 22 Abs 1 AsylG normierten Entscheidungsfrist von fünfzehn Monaten – entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

 

§ 8 Abs 1 VwGVG knüpft bei der Regelung der Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde grundsätzlich an die im AVG vorgesehene sechsmonatige Entscheidungsfrist an, im vorliegenden Fall gilt jedoch, abweichend von § 73 AVG, § 22 Abs 2 AsylG. Die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde ist nach dem Zeitpunkt ihrer Erhebung zu beurteilen.

 

3.2. Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und nicht abzuweisen, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesverwaltungsgericht über. Im gegenständlichen Fall stellte der Beschwerdeführer am 02.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher durch die belangte Behörde nicht erledigt wurde. Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde bei der zuständigen Behörde war die 15-monatige Entscheidungsfrist, die – wie die Beschwerde zutreffend ausführt am 02.11.2016 abgelaufen ist – längst verstrichen. Daher erweist sich die gegenständliche Säumnisbeschwerde als zulässig.

 

Sie erweist sich auch als berechtigt, weil die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist.

 

3.3. Die Verzögerung ist jedenfalls dann auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen, wenn in der Entscheidungsfrist keinerlei Verfahrensschritte durch die Behörde gesetzt wurden (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 8 VwGVG, K 8). Für diese Beurteilung gilt es auch auszumachen, ob die Ursache einer Verzögerung des Verwaltungsverfahrens (überwiegend) im Einflussbereich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl liegt; gegebenenfalls ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung des Verfahrens gegen jenes der Behörde abzuwägen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 126 ff).

 

Ein überwiegendes Verschulden ist auch anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei (vgl VwGH 22.12.2010, 2009/06/0134; VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115) oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (vgl VwGH 26.09.2011/2009/10/0266); etwa wenn die Behörde, die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt, oder mit diesem grundlos zuwartet (vgl. VwGH 26.01.2012/2008/07/0036). In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein "überwiegendes" Verschulden der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 8 VwGVG, Anm 9).

 

Wie sich aus dem Verwaltungsakte der belangten Behörde und aus dem dargestellten Verfahrensgang ergibt, sind nach der Antragstellung am 02.08.2015 keine Ermittlungsschritte der belangten Behörde ersichtlich. Damit ist ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht im konkreten Fall gegeben.

 

Da sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers, oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war, war der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben. Daraus folgt auch, dass die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist und es in der Folge über diesen Antrag selbst zu entscheiden hat.

 

Zu II. Nichtgewährung von Asyl

 

3.4. Rechtslage:

 

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

 

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

 

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

3.5. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte der Beschwerdeführer keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalte sind in Folge dessen nicht geeignet, um eine Furcht vor einer Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen. Sohin waren die Voraussetzung für die Erteilung von Asyl nicht gegeben und der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen.

 

Zu III) Gewährung von subsidiärem Schutz:

 

3.6. Rechtslage:

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 ERMK, oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention (ZPEMRK) bedeuten würde, oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalles ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein- über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes- "real Risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter, oder von Amtswegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095; 31.03.2005, 2002/20/0582).

 

Gemäß § 8 Abs 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit einer abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 8 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG offen steht.

 

3.7. Anwendung der Rechtslage auf den Rechtsfall:

 

Es ist vorerst daher zu klären, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Sudan Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot auf Folter), das 6. oder 13. ZPEMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Refoulementschutz nach der früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung, welche weiterhin Gültigkeit hat, erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solcher Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauernde Angaben darzutun ist (vgl VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in des Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amtswegen zu verschaffen hat (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (vgl VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (VwGH 14.10.1998, 98/01/0122, 25.01.2001/2001/20/0011).

 

Eine "reale Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; vgl auch EBRV 952Blg Nr 22.GP zu § 8 AsylG). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu gelangen (vgl VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Eine solche Gefährdungslage ist im vorliegenden Fall hinsichtlich des Beschwerdeführers gegeben. Sektion 148 des Strafgesetzbuches des Sudan qualifiziert homosexuelle Handlungen als Sodomie. Wer sich des Vergehens der Sodomie strafbar macht, wird mit 100 Hieben und fünf Jahren Haft bestraft, wird eine Person das zweite Mal für dieses Vergehen bestraft, beträgt die Strafe 100 Hiebe und bis zu fünf Jahren Haft. Im Falle einer dritten Verurteilung soll die Person mit Tod oder lebenslanger Haft bestraft werden (Sektion 148 Abs 2 lit a bis c des Strafgesetzbuches Nr 1548 vom 20.02.1991). Damit besteht im Falle der Rückführung in den Sudan für den Beschwerdeführer die reale Gefahr, einer unmenschlichen Strafe im Sinne des Art 3 EMRK und auch einer Gefahr der Todesstrafe im Sinne des sechsten und dreizehnten ZPEMRK ausgesetzt wäre. Es ist zwar nicht bekannt, ob diese Strafe tatsächlich verhängt wird, dieser Umstand ändert jedoch nichts an der realen Gefahr, dass der Beschwerdeführer Stockhieben, einer Gefängnisstrafe oder gar der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Dass sowohl Stockhiebe, wie auch ein Gefängnisaufenthalt einer unmenschlichen Bestrafung gleichkämen, ist aufgrund der mittelalterlichen Bestrafungsmethode von Hieben und der unhygienischen und bekannt schlechten Haftbedingungen evident. Die Todesstrafe widerspricht ebenfalls allen grundrechtlichen Standards. Da das Strafgesetzbuch des Sudan für den gesamten Sudan gilt, existiert keine innerstaatliche Fluchtalternative. Bei Anwendung der Sharia – sie gilt grundsätzlich im Sudan – ist sogar eine Steinigung denkbar. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine unmenschliche und erniedrigende Strafe, sondern auch um eine Strafe, die den Betroffenen in einer asylrechtlich erheblichen Eigenschaft trifft.

 

Dem glaubhaft homosexuell geprägten Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in den Sudan somit die Zuführung gezielter asylrelevanter Rechtsverletzung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe drohen, die sich auf das gemeinsame unveränderliche Merkmal bzw dem Hintergrund einer homosexuellen Ausrichtung gründet. Es sind daher Umstände gegeben, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers erscheint deshalb nicht als zumutbar. Der Beschwerdeführer war daher gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan zuzuerkennen.

 

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechtes, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Aufgrund des Umstandes, dass im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, hatte das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs 4 AsylG dem Beschwerdeführer zu erteilen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil im gegenständlichen Fall die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die vorliegende Entscheidung basiert auf den im Punkt 3.A genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes. Auf diese wird verwiesen.

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