BVwG I408 1415147-2

BVwGI408 1415147-211.2.2016

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2 Z1
AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:I408.1415147.2.00

 

Spruch:

I408 1415147-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2015, Zl. 790065609-14762768, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz idgF (VwGVG) iVm § 55 Abs. 1, § 58 Abs. 11 Z 2 sowie § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF und § 52 Abs. 3 iVm Abs. 9 FPG idgF sowie § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 18.01.2009 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2010, Zl. 09 00.656-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18.01.2009 auf Gewährung von internationalen Schutz gemäß

§ 3 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß

§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.) und im Spruchpunkt IV. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben und mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 14.09.2010, Zl. A6 415.147-1/2010/5E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführers der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Im Spruchpunkt IV. wurde die Beschwerde gemäß § 38 Abs. 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchteil IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wird gemäß § 38 Abs. 1 Z 3 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt".

4. Am 03.07.2014 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens") gemäß § 55 Abs. 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus) und brachte dabei vor, das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen.

Diesem Antrag waren angeschlossen: eine Meldebescheinigung; eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in einer christlichen Wiener Kirchengemeinschaft vom 29.06.2014; ein Sprachdiplom (Grundstufe Deutsch A2) vom 05.07.2010; ein undatiertes Empfehlungsschreiben eines Straßenzeitungsvertriebes; ein Arbeitsvorvertrag vom 26.06.2014 für eine Stelle als Hilfskraft mit einem Bruttolohn von €

990; ein Versicherungsauszug der SVA der gewerblichen Wirtschaft sowie eine Bestätigung der SVA vom 02.07.2014, wonach der Beschwerdeführer seit 17.06.2014 unfall- und krankenversichert sei; ein Empfehlungsschreiben vom 30.06.2014 sowie eine Wohnungsvereinbarung vom 30.06.2014, wonach dem Beschwerdeführer gestattet sei, sich an der per Meldebescheinigung nachgewiesenen Wohnadresse aufzuhalten; eine Vollmacht des Rechtsanwalts Edward. W.

DAIGNEAULT.

5. Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 27.11.2014 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert, weitere für den Antrag nach § 55 Abs. 1 AsylG erforderlichen Unterlagen (Identitätsnachweis, schriftliche Begründung des Antrags, Aufenthaltszweck etc.) dem BFA binnen 14 Tagen vorzulegen.

Das BFA führte dazu weiter aus, dass aufgrund des fehlenden Identitätsnachweises und weiterer fehlender Unterlagen bzw. Stellungnahmen die Voraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG nicht erfüllt seien. Es sei darauf hinzuweisen, dass, sofern keine zeitgerechte Vorlage erfolge, der Antrag gemäß § 58 Abs. 11 AsylG zurückgewiesen werde.

6. Mit Schriftsatz vom 17.12.2014 ersuchte die rechtsfreundliche Vertretung um Fristerstreckung bis zum 31.12.2014.

7. In der auf den 31.12.2015 datierten und am selben Tag per Fax beim BFA eingelangten Stellungnahme führte die rechtsfreundliche Vertretung wörtlich das Nachfolgende aus: "Ich befinde mich nunmehr seit mehr als 5 Jahren durchgehend im Bundesgebiet, spreche Deutsch auf A2 Niveau und bin durch meinen Kirchen- und Freundeskreis eng verwurzelt - Empfehlungsschreiben und Schreiben der Kirche sind aktenkundig. Des Weiteren bin ich seit 2010 als Agustin Zeitungsverkäufer tätig und gebe nebenbei im geringfügigen Rahmen Englischkonversationsstunden wodurch ich auch bei der Sozialen Versicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert bin und ich aus eigenen Mitteln für meinen Lebensunterhalt aufkomme. Somit falle ich keiner Gebietskörperschaft zur Last und kann des Weiteren nach Erhalt des begehrten Aufenthaltstitels eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen - Arbeitsvorvertrag ist aktenkundig. Aufgrund der nachgewiesenen Integration wäre eine Ausweisung heute weder zulässig noch durchsetzbar, denn wenn sich die Beurteilungsgrundlagen nach Art. 8 MRK ändern, verliert die Ausweisung ihre Wirksamkeit (VwGH 26.04.2004, Zl. 2002/21/0065 mwN). Einen Identitätsnachweis kann ich nicht vorlegen, da die nigerianische Botschaft in der Praxis für die Ausstellung eines Reisepasses Monate sogar Jahre benötigt. Aufgrund meines langjährigen Aufenthaltes und meiner sozialen Verankerung im Bundesgebiet wird daher ersucht den Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels stattzugeben."

8. Mit Bescheid des BFA vom 20.01.2015, Zl. 790065609-14762768, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG gemäß

§ 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 52 Abs. 9 FPG gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.). Im Spruchpunkt III. wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

8.1. Die belangte Behörde traf im bekämpften Bescheid im Wesentlichen zur Person des Beschwerdeführers die nachfolgenden Feststellungen: Er sei nigerianischer Staatsange-höriger und am XXXX in XXXX in Nigeria geboren. Er sei ledig und gehöre der Volksgruppe Ibo an. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater sowie seine Schwester leben weiterhin in Nigeria. In Lagos habe er die Grund- und die Hauptschule sowie eine zweijährige Elektrikerlehre absolviert. Er spreche Deutsch auf Niveau A2, sei seit 2010 als Zeitungsverkäufer beschäftigt und gebe nebenbei geringfügige Englischkonsversations-stunden. Er finanziere sich dadurch seinen Lebensunterhalt selbst und sei krankenversichert.

Nach illegaler Einreise habe er am 18.01.2009 einen Asylantrag gestellt, über welchem in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Seit 22.12.2010 halte er sich illegal im Bundesgebiet auf. Für den Zeitraum vom 02.09.2011 bis 24.06.2014 würde keine polizeiliche Meldung im Bundesgebiet vorliegen, der tatsächliche Aufenthalt des Beschwerdeführers während dieser Zeit sei unbekannt.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers in seinem Heimatland lebe und deswegen eine starke Beziehung zum Heimatland bestehe. Der Beschwerdeführer habe in seinem Heimatland eine Schulausbildung sowie eine Elektrikerlehre absolviert, sei gesund und selbsterhaltungsfähig und der Landessprache seines Heimatlandes mächtig. Mit geringfügigen Englisch-konversationsstunden und Zeitungsverkäufen habe er sich in Österreich seinen Lebensunterhalt finanziert.

Seit 22.12.2010 befinde er sich illegal im Bundesgebiet und er sei zu einer Arbeitsaufnahme nicht berechtigt. Die ausgeübte Tätigkeit stelle eine illegale Beschäftigung dar. Laut Aktenlage liege eine Krankenversicherung vor. Beitragsgedeckte Zeiten würden jedoch nicht vorliegen, sodass es zu einer Belastung einer Gebietskörperschaft kommen könne. Um die Erteilungsvoraussetzungen gemäß Art. 8 EMRK prüfen zu können, sei d im Zuge des Parteiengehörs aufgefordert worden, zu seinem Familienstand und den vorliegenden familiären Verhältnissen Stellung zu nehmen und entsprechende Urkunden und Nachweise vorzulegen. Er habe in seiner Stellungnahme keine familiäre Bindungen geltend gemacht, habe diesbezüglich keine Unterlagen vorgelegt und die Behörde gehe sohin davon aus, dass in Österreich kein Familienleben vorliege und sich keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich befinden.

Kontakte in der Kirchengemeinschaft und im Freundeskreis würden keine familiäre Bindung darstellen und keinen rechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet begründen.

Der Einreise sei illegal erfolgt und am 18.01.2009 ein Asylantrag gestellt worden, der in zweiter Instanz mit 21.12.2010 rechtskräftig negativ entschieden worden sei.

Seit 22.12.2010 halte sich der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet auf. Angemeldet sei der Beschwerdeführer lediglich im Zeitraum vom 21.04.2009 bis 01.09.2011 gewesen.

Die nächste Anmeldung sei am 25.06.2014 erfolgt. Wo er sich in der Zeit vom 02.09.2011 bis 24.06.2014 aufgehalten habe, sei der Behörde nicht bekannt. Der Aufenthalt sei -ausgenommen des Zeitraums des Asylverfahrens - illegal zustande gekommen.

Wäre der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungsverpflichtung nachgenommen, so wäre es ihm möglich gewesen, nach seinem negativen Asylverfahren die Zeit zu nutzen und sich die erforderlichen Dokumente für die Heimreise zu beschaffen. Solche Bestrebungen des Beschwerdeführers seien jedoch nicht feststellbar.

Das Asylverfahren sei innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen worden, einer der Behörde zurechenbare Verfahrensverzögerung liege nicht vor.

Dass der Aufenthalt trotz negativer Asylentscheidung seit 2010 fortgeführt worden sei, zeige, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die österreichischen Gesetze zu respektieren.

Ein Identitätsnachweis sei der Behörde nicht vorgelegt worden und am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sei nicht ausreichend mitgewirkt worden. Der asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Die Beschäftigung sei illegal erfolgt. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar.

Aufgrund der fehlenden Voraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG sei der Antrag gemäß

§ 58 Abs. 11 AsylG zurückzuweisen.

9. Der bezeichnete Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 23.01.2015 zugestellt und innerhalb offener Frist erhob die rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde.

9.1. Im Beschwerdeschriftsatz führte der rechtsfreundliche Vertreter zunächst aus, dass der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde. Der Beschwerdeführer werde in seinem Recht auf inhaltliche Entscheidung des Aufenthaltsantrages und auf Zuerkennung eines Aufenthaltstitels verletzt.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges, der Wiedergabe des zusammenge-fassten Inhalts des bekämpften Bescheides und der Zitierung des Wortlautes des § 58 Abs. 11 AsylG sowie des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG wurde referiert, dass der Beschwerdeführer der allgemeinen Mitwirkungspflicht nachgekommen sei, seinen Antrag wahrheitsgemäß begründet und die ihm zur Verfügung stehenden Dokumente abgegeben habe. Er wäre natürlich auch bereit gewesen sämtliche erkennungsdienstliche Daten zur Verfügung zu stellen. Eine Mitwirkungspflicht dahingehend, nur im Falle eines vorhandenen Reisepasses einen Antrag nach dem Asylgesetz stellen zu dürfen, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Diese könne aufgrund des chaotischen Dokumentenwesens von Nigeria auch nicht verlangt werden, sondern das Gesetz sei dahin zu lesen, dass der Vorlagemangel einer Heilung unterliege.

Ein Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz würde nicht vorliegen. Er sei weder als Zeitungsverkäufer noch in seiner sprachlehrenden Tätigkeit ein Dienstnehmer. Er sei krankenversichert und falle niemanden zur Last, am aller wenigsten dem Staat.

Auch enge freundlichschaftliche Beziehungen seien nach Art. 8 EMRK zu berücksichtigen.

Die Fremdenbehörde habe bislang nicht einmal versucht, ihn abzuschieben. Daher sei auch der formal rechtswidrige, aber wohl geduldete Aufenthalt als integrationsbegründend zu werten. Einen Kontakt zu den Angehörigen in Nigeria habe er nicht mehr. Nach der Rückkehr müsse er mangels Alternative in den Slums unterkommen oder überhaupt auf der Straße dahinvegetieren. Dem BFA sei vorzuwerfen, dass zur Rückkehrsituation keinerlei Erhebungen vorgenommen worden seien. Deshalb sei eine Hilfsmöglichkeit durch den Kontakt mit den Angehörigen unterlegt worden und die triste persönliche Lage nicht erkannt worden.

Schließlich wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge den begehrten Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 1 AsylG zuerkennen, jedenfalls aber feststellen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria unzulässig sei und dazu eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

10. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers sowie dem BFA mit Schriftsatz vom 16.12.2015 umfassende Länderfeststellungen zur Situation in Nigeria sowie Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers und forderte unter einem die genannten Parteien auf, binnen zwei Wochen hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

Während das BFA keine Stellungnahme abgab, beantragte die rechtfreundliche Vertretung mit Eingabe vom 04.01.2016 zunächst eine Fristverlängerung, die gewährt wurde, und führte in der Stellungnahme vom 22.01.2016 schließlich aus, dass eine Bestätigung des XXXX vorgelegt werde, mit welcher glaubhaft gemacht werde, dass sich der BF auch in der Zeit zwischen September 2009 bis Juni 2014 in Österreich aufgehalten habe.

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der BF sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf einer Straßenzeitung verdiene und er in Nigeria nicht überleben könne. Seine Existenz sei in Nigeria nicht gesichert. Er habe dort keine Angehörigen und erhalte sohin keine Unterstützung. Hinzukomme die unsichere Lage in Nigeria. Es komme dort immer wieder zu gewalttägigen Auseinandersetzungen; zu ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen mit oft Hunderten von Toten; die Gewaltkriminalität nehme weiter zu; die Dauerkonflikte zwischen den Ethnien im nigerianischen Süden (Niger-Delta und in Lagos) seien besonders grausam; bei der Bekämpfung von Unruhen werde von Sicherheitskräften willkürliche Gewalt angewendet und es komme zur Tötung von Zivilpersonen; die Polizei nehme verdächtige Personen nicht fest, sondern erschieße sie ohne Verfahren.

Angesichts der fehlenden Verwurzelung in Nigeria - der Beschwerdeführer habe schon über Jahre keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten und keinen Bezug zu seinem Dorf - habe er keine Leute, von denen er Hilfe erwarten könne. Auf sich allein gestellt könne er nicht überleben. Eine derartige Feststellung müsse zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen, weshalb über den Antrag inhaltlich abzusprechen sei bzw. das Bundesamt inhaltlich zu entscheiden habe.

Der Stellungnahme war ein Konvolut von (nicht personalisierten) ÖBB-Tickets für den Zeitraum vom 15.12.2012 bis 02.06.2014 angeschlossen sowie mehrere Gebietsbetreuungsverträge zwischen der XXXX GmbH als Werkbesteller und dem Beschwerdeführer als Werkauftragsnehmer.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

1.2. Die Identität des Beschwerdeführers nicht fest.

1.3. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.01.2009 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde in zweiter Instanz mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 14.09.2010, Zl. A6 415.147-1/2010/5E, gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

1.4. Der Beschwerdeführer hält sich trotz der negativen Asylentscheidung seit 22.12.2010 illegal im Bundesgebiet auf. In der Zeit vom 21.04.2009 bis 28.04.2009, sowie vom 30.04.2009 bis 01.09.2011 und vom 25.06.2014 bis 27.08.2014 sowie vom 01.09.2014 bis 30.06.2015 war er mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

Seit 30.06.2015 ist er als "obdachlos" gemeldet. Weitere Obdachlosenmeldungen liegen für die Zeiträume vom 12.06.2014 bis 25.06.2014 sowie vom 27.08.2014 bis 01.09.2014 vor.

1.5. Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 01.02.2011 bis 30.04.2011, vom 03.01.2013 bis 31.08.2013 und vom 15.09.2013 bis 20.08.2015 auf Werkvertragsbasis als selbstständiger Zeitungszusteller/Verkäufer im Bundesgebiet tätig. Die Arbeitsaufnahme erfolgte allein schon im Hinblick auf den illegalen Aufenthalt nicht legal. Seit 20.09.2015 geht der Beschwerdeführer keiner (gemeldeten) Beschäftigung nach.

1.6. Der Beschwerdeführer stellte am 03.07.2014 den (ersten) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens") gemäß § 55 Abs. 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus) und brachte dabei vor, das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen.

1.7. Mit Schreiben des BFA vom 27.11.2014 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert, weitere für den Antrag nach § 55 Abs. 1 AsylG erforderlichen Unterlagen dem BFA binnen zwei Wochen vorzulegen und darüber rechtsbelehrt, dass bei Nichtvorlage der erforderlichen Unterlagen der Antrag gemäß § 58 Abs. 11 AsylG zurückgewiesen werde.

1.8. Der Beschwerdeführer brachte kein Identitätsdokument zur Vorlage und kam seiner Mitwirkungspflicht nicht nach.

1.9. Der Beschwerdeführer bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung. Den Lebensunterhalt bestritt der Beschwerdeführer durch die Zustellung bzw. den Verkauf von Zeitungen im oben angeführten Zeitraum bzw. bestreitet er diesen durch ein nicht näher dargelegtes Sprachkonversationstraining. Eine besonders berücksichtigungswürdige Integration am österreichischen Arbeitsmarkt ist daraus nicht abzuleiten.

1.10. Der Beschwerdeführer ist gesund, ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter.

1.11. Der Beschwerdeführer ist unbescholten und hat seinen nunmehr sieben Jahren dauernden, davon mehr als fünf Jahre illegalen Aufenthalt nicht für (weitere) qualifizierte Integrationsschritte, wie der Absolvierung entsprechender, über das Sprachniveau A2 (Grundstufe Deutsch 2) hinausgehende Deutschkurse genützt.

1.12. Er hat keine Schul- und Berufsausbildung in Österreich absolviert und solche Integrationsaspekte wurden von ihm auch nicht behauptet. Als Integrationsnachweise legte er jeweils ein Empfehlungsschreiben einer christlichen Kirchen in Wien sowie einer Privatperson, eine Wohnungsvereinbarung und einen Arbeitsvorvertrag für eine Hilfstätigkeit in einem XXXX (Bruttolohn € 990) vor.

1.13. Der Beschwerdeführer ist in Nigeria aufgewachsen, absolvierte in Lagos eine achtjährige Schulausbildung sowie eine zweijährige Elektrikerlehre. Er spricht die Sprache seines Herkunftsstaates auf Mutterspracheniveau und ist trotz der langjährigen Abwesenheit mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gepflogenheiten Nigerias weiterhin vertraut. Der Vater und die Schwester des Beschwerdeführers leben zudem weiterhin in Nigeria.

1.14. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich, er führt kein Familienleben in Österreich und dies wurde von ihm auch nicht behauptet. Der Beschwerdeführer verfügt auch sonst über keine engeren sozialen Bindungen in Österreich.

1.15. Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einen sonstigen integrationsbegründenden Organisation. Daran vermögen die angeführten Empfehlungsschreiben und auch die Arbeitsplatzzusage sowie die Wohnungsvereinbarung nichts zu ändern.

1.16. Der gegenständlichen Entscheidung wurden folgende Feststellungen zu Nigeria zugrunde gelegt (Stand: Juli 2015).

Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 28.11.2014; vgl. AA 6.2015a; vgl. GIZ 6.2015a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 6.2015a).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 28.11.2014; vgl. AA 6.2015a). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 28.11.2014).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 28.11.2014).

Im Hinblick auf die 2015 stattfindenden Präsidentschaftswahlen haben sich die vier Oppositionsparteien CPC, ACN, ANPP und APGA zu einer neuen Oppositionspartei namens "All Progressive Congress" (APC) zusammengeschlossen (GIZ 6.2015a; vgl. AA 28.11.2014). Damit formierte sich erstmals seit 1999 eine ernstzunehmende Konkurrenz zur PDP (AA 28.11.2014). Die APC verfolgte das Ziel, 2015 die Regierung unter Goodluck Jonathan und die PDP als Regierungspartei abzulösen. Darüber hinaus gab es zunehmend Flügelkämpfe innerhalb der PDP, in Folge dessen sich sieben von 23 PDP-Gouverneuren (der insgesamt 36 Gouverneure Nigerias) von der Partei abgespalten haben. Sie kritisieren v.a., dass dieser das Problem mit Boko Haram bislang nicht in den Griff bekommen und auch in Bezug auf die im Land vorherrschende Armut und den ausgeprägten Analphabetismus keine adäquaten politischen Maßnahmen eingeleitet habe (GIZ 6.2015a).

69 Mio. registrierte Wähler/innen waren am 28.3.2015 dazu aufgerufen, ihre Stimme einem der Präsidentschaftskandidaten von 14 politischen Parteien Nigerias zu geben. Gewählt wurde in 115.000 Wahllokalen in 36 Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Abuja. Nachdem bekannt geworden war, dass die Stimmabgaben in einigen Wahlbezirken nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnten, entschied die unabhängige nigerianische Wahlkommission INEC, die Wahlen bis Sonntag, den 29.3.2015, zu verlängern. Trotz der Bedrohung durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram war die Wahlbeteiligung hoch. Tausende Nigerianer warteten - trotz technischer Pannen mit der neu eingeführten elektronischen Wähler-Registrierung - geduldig, bis sie schließlich ihre Stimme abgeben konnten (GIZ 6.2015a).

Der Herausforderer Muhammadu Buhari von der Partei APC ging als Sieger aus der Präsidentschaftswahl hervor. Er erhielt 15,42 Mio. Stimmen und gewann in 21 Bundesstaaten insgesamt 54,9 % der Stimmen. Der amtierende Präsident Goodluck Jonathan von der Peoples Democratic Party (PDP) hingegen siegte in 15 Bundesstaaten und der Hauptstadt Abuja, konnte aber insgesamt nur 12,85 Mio. Stimmen gewinnen und unterlag somit um 2,57 Mio. Stimmen gegenüber seinem Herausforderer Buhari. Der abgewählte Amtsinhaber Goodluck Jonathan räumte seine Niederlage sofort ein, gratulierte Buhari noch am gleichen Tag per Telefon zu seinem Wahlsieg und rief seine Anhänger dazu auf, das Ergebnis ebenfalls zu akzeptieren und Ruhe zu bewahren. Mit dieser Geste konnte Goodluck Jonathan Unruhen und Gewalt im Land verhindern, die bei den vorangegangenen Wahlen mehreren Hundert Menschen das Leben gekostet hatte (GIZ 6.2015a; vgl. BBC 1.4.2015).

Neben dem Präsidenten wählten die Nigerianer am 28.3.2015 auch die beiden Kammern des Parlaments, den Senat mit 109 Senatoren und das Repräsentantenhaus mit 360 Abgeordneten. Großer Gewinner der Parlamentswahlen war auch hier der APC mit 61 von 109 Sitzen im Senat und 214 von 360 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Damit dominiert der APC zukünftig sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus (GIZ 6.2015a).

Am 11.4.2015 wurden die Gouverneure und Landesparlamente in 29 der 36 Bundesstaaten gewählt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Wahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Die PDP stellte bis zu diesen Wahlen die Gouverneure in 21 Bundesstaaten, verlor nun aber zum ersten Mal die wichtigsten Bundesstaaten im Norden des Landes, so z.B. die Bundesstaaten Katsina, Kaduna und Bauchi. Auch wenn die PDP 2015 nach wie vor in sieben Bundesländern, insbesondere der Ölregion Rivers State, gewinnen konnte, stellen die Wahlen die größte Niederlage für die PDP seit der Ende der Militärherrschaft im Jahre 1999 dar (GIZ 6.2015a).

Der APC, Partei des neu gewählten Präsidenten Muhammadu Buhari, stellte bisher 14 Gouverneure. Buhari-s APC gewann 2015 fünf Bundesstaaten hinzu und stellt künftig insgesamt 19 Gouverneure. Dieser Erfolg vergrößert den politischen Spielraum des neu gewählten Präsidenten Muhammadu Buhari (GIZ 6.2015a).

Am 29.5.2015 wurde Muhammadu Buhari offiziell in sein Amt eingeführt. Mit seiner Vereidigung wurde der erste demokratische Machtwechsel zwischen regierender Partei und Oppositionspartei in der Geschichte Nigerias seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960 vollzogen (GIZ 6.2015a; vgl. BBC 29.5.2015).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 6.2015a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2014).

Quellen:

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 28.11.2014). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 16.6.2015).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 8.5.2015). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 16.6.2015). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 16.6.2015).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 16.6.2015). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Sokoto, Zamfara, Kebbi, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi), die restlichen Gegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers und Akwa Ibom sowie in nach Abia (UKFCO 16.6.2015). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 8.5.2015).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 16.6.2015) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 28.11.2014).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations stechen folgende 9 nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl (< 500 in 48 Monaten) an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Adamawa, Benue, Borno, Kaduna, Kano, Nasarawa, Plateau, Taraba, Yobe. Folgende 14 Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl (>100 in 48 Monaten) hervor: Akwa Ibom, Cross River, Ebonyi, Ekiti, Enugu, Imo, Jigawa, Kebbi, Kwara, Niger, Ondo, Osun, Oyo, Sokoto (CFR 2015). Beim OSAC werden die Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Kaduna, Kano, Plateau, Taraba, Yobe und das FCT als von der Gewalt durch Boko Haram betroffen geführt. Ethnische Gewalt betrifft v.a. Plateau, Bauchi, Benue, Kaduna und Nasarawa. Für folgende 25 Bundesstaaten wird weder ethnische Gewalt noch Gewalt durch Boko Haram berichtet: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Jigawa, Katsina, Kebbi, Kogi, Kwara, Lagos, Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Rivers, Sokoto, Zamfara (OSAC 21.7.2014).

Quellen:

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013).

Die Lage im Nigerdelta ist derzeit relativ stabil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt aber ein Risiko(AA 6.2015b). Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 28.1.2015).

Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 28.11.2014). Bis zum Amnestieangebot im Jahr 2009 hat vor allem die MEND in der Region den bewaffneten Kampf gegen die Regierung geführt. Die MEND verübte selbst noch im Oktober 2010 Angriffe und Attentate (DACH 2.2013).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Der ehemalige Präsident Jonathan, selbst aus dem Ölstaat Bayelsa stammend, setzt das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Januar 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 28.11.2014). Bislang wird die Amnestievereinbarung aber weitgehend eingehalten, so dass Kriminalität und Gewalt im Süden merklich zurückgegangen sind. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt im Süden in letzter Zeit wieder an (AA 6.2015a). Bis Ende 2012 haben

26.368 ehemalige Militante vom Amnestieprogramm profitiert. Viele der ehemaligen Militanten haben eine Arbeitsausbildung oder Stipendien erhalten (USDOS 19.4.2013).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 28.11.2014). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb ein Joint Task Force (JTF) errichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Niger-Delta zu bekämpfen (UKHO 9.6.2015).

Das kostspielige Amnestieprogramm im Nigerdelta hat zwar die Gewalt reduziert, die strukturellen Probleme (Armut, Korruption, Umweltverschmutzung, Straffreiheit bei politischer Gewalt) wurden aber nicht angegangen (BS 2014; vgl. HRW 21.1.2014). Im Juni 2013 hat die Regierung angekündigt, dass das Amnestieprogramm im Jahr 2015 endgültig beendet werde. Sie hat auch zugegeben, dass ihre eigene Unfähigkeit, für die ausgebildeten ehemaligen Rebellen eine Arbeit zu finden oder einen anderen Plan zu erstellen, die Region potentiell gefährlicher machen werde (HRW 21.1.2014). Es gibt jedoch Berichte, dass Präsident Buhari angekündigt hat, dass das Amnestieprogramm weiter fortgeführt werden soll (TG 4.6.2015; vgl. Punch 5.6.2015).

Quellen:

USDOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html , Zugriff 19.6.2015

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 6.2015a). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert (KAS 12.7.2013; vgl. Reuters 26.5.2015). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

Die kommunale Gewalt, die seit vielen Jahren in den Bundesstaaten Plateau und Kaduna des Middle Belts herrscht, hat sich in andere Bundesstaaten, nämlich Benue, Nasarawa, Taraba, Katsina, und Zamfara ausgebreitet. Die anhaltende Gewalt in diesen Bundesstaaten hat seit 2010 den Tod von über 4.000 Menschen herbeigeführt und 120.000 Einwohner vertrieben. Das Scheitern der Bundes- und Bundesstaatsbehörden hinsichtlich einer Untersuchung und Verfolgung dieser Straftaten hat dazu beigetragen, den Kampf der ethnischen Gruppen um politische Macht zu verstärken (HRW 29.1.2015).

Bei einem Vorfall im Mai 2015 wurden mindestens 96 Menschen im Bundesstaat Benue umgebracht. Fulani-Hirten wurden verdächtigt, einige Dörfer angegriffen zu haben. Ein Polizeisprecher berichtete, dass eine Polizeieinheit in das Gebiet entsandt worden ist (Reuters 26.5.2015).

Quellen:

Nordnigeria - Boko Haram

Im Nordosten und im Zentrum Nigerias kommt es seit Mitte 2010 gehäuft zu Anschlägen der islamistischen Gruppe Boko Haram, die im ersten Quartal 2014 noch einmal signifikant zugenommen haben (AA 28.11.2014). Die Rebellion der militanten Sekte Boko Haram (auch Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati Wal-Jihad) dauert also weiter an (USDOS 25.6.2015). In der Folge wurde im Mai 2013 über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt, dieser dauert bis heute an (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). In diesen Bundesstaaten kommt es fortlaufend zu militärischen Operationen (UKFCO 3.6.2015). Im ganzen Land kommt es auch weiterhin zu Angriffen auf staatliche und zivile Ziele (USDOS 25.6.2015). Das nigerianische Militär verlegt sein Hauptquartier nach Maiduguri, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann. Boko Haram hat die Stadt Maiduguri bereits mehrfach angegriffen (BBC 8.6.2015)

Boko Haram verübt immer wieder Anschläge aus dem Untergrund (Schuss- und Sprengstoffattentate) (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015). Die zwischenzeitlich erfolgreiche Eindämmung des Aktionsradius' der Terroristen auf den Nordosten Nigerias und ihre Vertreibung aus den städtischen Zentren von Borno und Yobe durch die nigerianischen Sicherheitskräfte beantworteten die Islamisten mit einer Reihe von strategischen und taktischen Änderungen: Ausweichen und Ausbau neuer Stützpunkte im Grenzgebiet der drei Nachbarstaaten Niger, Kamerun und Tschad, blutige Angriffe auf "weiche" Ziele wie Dörfer und Schulen in ländlichen und unbewachten Regionen (AA 28.11.2014; vgl. Reuters 30.5.2015). Die betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt. Bis diese etabliert ist, kämpfen die Armeen auf der Basis bilateraler Vereinbarungen abgestimmt gegen Boko Haram und erzielten erste Erfolge: Bis Ende März 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten im Nordosten Nigerias vertrieben werden. Mit Selbstmordanschlägen und Angriffen auf einzelne Orte verbreitet sie jedoch weiterhin Angst und Schrecken (AA 6.2015a). Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014a; vgl. TJF 16.5.2015; PT 12.1.2015).

Boko Haram tötet Sicherheitskräfte und Zivilisten, darunter lokale Behördenvertreter, religiöse Führer und Politiker. Es kommt zu Anschlägen auf Polizeistationen, Armeeeinrichtungen, Gefängnisse, Banken und Schulen (USDOS 25.6.2015), auch Kirchen, gemäßigte islamische Geistliche und Besucher von Lokalen mit Alkohol-Ausschank sind betroffen. Anders als in den Anfangsjahren der Organisation erklärte Boko Haram inzwischen auch traditionelle muslimische Führer und zunehmend Christen zu legitimen Anschlagszielen (AA 28.11.2014). Ebenfalls ins Visier der Boko Haram geraten sind die Mitglieder der Bürgerwehr Civilian Joint Task Force (HRW 21.1.2014; vgl. AI 28.1.2015; AI 13.4.2015). Boko Haram forciert auch Entführungen, diese treffen auch Frauen (USDOS 25.6.2015). Laut Amnesty International wurden seit Anfang 2014 mindestens 2.000 Frauen und Mädchen von Boko Haram entführt. Viele von ihnen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 25.6.2015).

Im Jahr 2014 wurden die Gewalttaten der Boko Haram organisierter, häufiger und extremer (AI 4.2015). Die Gruppe greift Menschen schon alleine aufgrund der Religion oder eines Berufes an, tötet oder verletzt andere völlig willkürlich. Die Gruppe hat Häuser, Kirchen, Krankenhäuser zerstört (OHCHR 14.3.2014; vgl. AI 4.2015). Zwischen 2012 und 2014 wurden bei Angriffen auf Schulen im Nordosten Nigerias mindestens 196 Lehrer und 314 Schüler getötet sowie mehr als 300 Schulen zerstört oder schwer beschädigt. Sie haben Kinder in ihren Betten ermordet, Frauen und Mädchen verschleppt und vergewaltigt. 2014 hat Boko Haram mehr als 4.000 Menschen getötet, obwohl geschätzt wird, dass die tatsächliche Anzahl wesentlich höher ist. In den ersten drei Monaten des Jahres 2015 hat Boko Haram mindestens

1.500 Zivilpersonen getötet. Im Februar 2015 kontrollierte Boko Haram einen Großteil der Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobe. Im gleichen Monat hat das nigerianische Militär mit Unterstützung von Kamerun, Tschad und Niger Boko Haram aus einigen größeren Städten vertrieben und befreite viele Zivilisten aus der Hand von Boko Haram. Boko Haram machte Gebrauch von improvisierten Sprengsätzen (IEDs), einschließlich Autobomben und Selbstmordattentäter, um Zivilpersonen bei Märkten, Verkehrsknotenpunkten, Schulen und andere öffentlichen Einrichtungen zu töten. Bei 46 Sprengstoffanschlägen im Zeitraum Jänner 2014 und März 2015 tötete die Gruppe mindestens 817 Personen. Boko Haram verübte auch Angriffe auf Dörfer und Städte im Nordosten Nigerias und terrorisiert die Bevölkerung. Einige Angriffe wurden nur von zwei oder drei Bewaffneten auf einem Motorrad durchgeführt, während andere Angriffe mit hunderten von Kämpfern ausgerüstet mit Panzern und Flakgeschütz durchgeführt wurden. Die Angreifer plündern die Vorräte in Häusern, Geschäften und Märkten und zünden danach die Gebäude an. Trotz der Stationierung von Truppen im Nordosten und wegen der Intensität der Angriffe durch Boko Haram auf die Bevölkerung, haben Nigerias Sicherheitskräfte es wiederholt nicht geschafft, die Bevölkerung vor Angriffe zu schützen. Boko Haram hat öfters Tage oder Stunden vor den Angriffen die Bevölkerung gewarnt, entweder durch Briefe an die Stammesoberhäupter oder durch verbale Warnungen. Jedoch wurden die Appelle für die Entsendung von Truppen oder für Verstärkung der vorhandenen militärischen Truppen ignoriert (AI 4.2015).

Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das eigentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014; vgl. SD 17.1.2015). Zwar haben Boko-Haram-Führer immer wieder ihre Anlehnung an die großen islamistischen Terrornetzwerke bekundet, doch die Gruppe hat weniger mit radikalem Islam zu tun, als sie selbst zugibt. Ihre Anschläge richten sich nicht vorrangig gegen Christen - die meisten Opfer sind Muslime. Boko Harams Wurzeln liegen in der Armut Nordnigerias, zusätzlichen Auftrieb erhält die Miliz durch die Ignoranz der Regierung (SD 17.1.2015). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt unter diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013). Zu Boko Haram zählen diverse Splittergruppen; einige von ihnen kämpfen seit mehreren Jahren im Namen des Islam. Der Chef von Boko Haram ist seit 2010 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hat, ist fraglich. Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 26.6.2015).

Während des Jahres 2014 begangen die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. Division der nigerianischen Armee, die Polizei, das Department of State Service (DSS) und andere Kräfte zahlreiche Morde (USDOS 25.6.2015). Schwere Menschenrechtsverletzungen werden den im Norden agierenden Sicherheitskräften angelastet (USDOS 25.6.2015). Im Zuge der militärischen Operationen gegen Boko Haram im Nordosten Nigerias, haben die Sicherheitskräfte mehr als 1.200 Menschen außergerichtlich hingerichtet, mindestens 20.000 Menschen - meist junge Männer und Buben - willkürlich verhaftet und unzählige Folterungen begangen. In militärischer Haft starben mindestens 7.000 Menschen infolge von Hunger, extremer Überbelegung und der Verweigerung von medizinischer Unterstützung (AI 6.2015). In einigen Regionen eskaliert die Auseinandersetzung zunehmend, insbesondere in Borno und Yobe, wo - neben Adamawa - seit Mai 2013 der Ausnahmezustand besteht und die Sicherheitskräfte massiv gegen Boko Haram vorgehen (AA 28.11.2014). Die Bewohner der betroffenen Bundesstaaten und der sich zwischenzeitlich im Norden des Landes aufhaltenden Menschen aus den benachbarten Staaten Nigerias fliehen vor diesen Auseinandersetzungen in Tausenden in den Niger, Tschad und nach Kamerun (AA 28.8.2013; vgl. Reuters 13.1.2015). Trotz verschiedener Berichte in sowohl lokalen als auch internationalen Medien über die Vorwürfe des weit verbreiteten Missbrauchs der Sicherheitskräfte wurde diesbezüglich kaum jemand strafrechtlich verfolgt (KAS 12.7.2013; vgl. AI 6.2015).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 28.11.2014; vgl. FH 28.1.2015). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 28.11.2014). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 25.6.2015).

Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 im Hinblick auf die Entscheidung über das anzuwendende Rechtssystem "Common Law" oder des "Customary Court Law"-Systems durch Gesetze der Gliedstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben "Sharia Courts" neben "Common Law" und "Customary Courts" geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben Scharia- Berufungsgerichte eingerichtet. Bedingt durch die drei einander mitunter widersprechenden Rechtssysteme und aufgrund der schlechten Bezahlung, Überlastung und fehlenden Infrastruktur ist Korruption im Justizbereich verbreitet (ÖBA 7.2014).

Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 28.1.2015). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung, Ausbildung und Motivation, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 25.6.2015). Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt (HRW 29.1.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 25.6.2015).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 28.11.2014). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 28.11.2014).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 28.11.2014).

Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. 67-70 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 28.11.2014). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 28.11.2014).

Quellen:

Scharia

In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 28.11.2014). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Scharia-Gericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 6.2015a). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud-Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Straßenraub, Alkoholgenuss), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 28.11.2014).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Zuletzt erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als zuvor, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 28.11.2014). Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDOS 25.6.2015). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 28.11.2014). Urteile von Scharia-Gerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDOS 25.6.2015). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 6.2015a).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 28.11.2014). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 25.6.2015). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 28.11.2014).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 28.11.2014). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des DSS, das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die NPF, das State Security Service (SSS) und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 25.6.2015). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 7.2014).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 7.2014). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 28.11.2014). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Armee sowie Joint Task Force- bzw. Special Task Force-Einheiten entsandt:

in den Bundesstaat Nassarawa, um den Ausbruch ethno-religiöser Gewalt einzudämmen; in die Bundesstaaten Bauchi, Borno, Kano, Kaduna, Plateau und Yobe, um den Angriffen der Boko Haram zu entgegnen (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). Im Norden wurde mittlerweile die bis August 2013 maßgebliche Joint Task Force Restore Order (JTF-RO) überhaupt durch die 7. Nigerianische Armeedivision abgelöst (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People's Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 28.11.2014).

Die Taten der nigerianischen Straßenbanden, bekannt als Area Boys, haben die Spannungen vor den Parlamentswahlen erhöht. Während des Wahlkampfes ließen sich Straßenbanden von jenen Auftraggebern, die am meisten zahlten, instrumentalisieren und griffen politische Wahlkampagnen an (IBT 19.3.2015). Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (C-JTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 25.6.2015).

In sechs Bundesstaaten (Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi und Jigawa) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber auch Verhaftungen durch (USDOS 28.7.2014; vgl. ÖBA 7.2014). Z.B. verhafteten Mitglieder des Kano Hisbah Frauen, die der Prostitution verdächtigt wurden (USDOS 28.7.2014). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 28.11.2014).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für zahlreiche Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (USDOS 25.6.2015; vgl. FH 28.1.2015), extra-legale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 28.11.2014). Auch im Jahr 2014 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die die 7. Armeedivision, die NPF, den DSS und andere. So wurden, laut einem AI-Bericht, am 14.3.2014 622 Menschen bei der Giwa-Kaserne in Maiduguri vom Militär und C-JTF außergerichtlich hingerichtet. Dies ereignete sich nach einem Angriff von Boko Haram auf die Kaserne, bei dem die Gruppe über 1.000 Häftlinge freiließ. Einwohner von Maiduguri berichteten Amnesty International, dass die Soldaten die entflohenen Häftlinge wieder einfingen, inhaftierten und anschließend hinrichteten (USDOS 25.6.2015). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 28.11.2014).

Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 28.11.2014). Die Kultur der Straflosigkeit ist an einem Punkt angelangt, an dem fast niemand für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird (KAS 12.7.2013; vgl. AI 9.2014). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extra-legalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 28.11.2014).

Die NHRC hat das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und Täter den Gerichten zuzuführen (USDOS 27.2.2014). Im September 2013 hatten das DSS und das Militär acht Zivilpersonen getötet und 11 weitere verletzt, da sie angenommen hatten, dass die Opfer Mitglieder der Boko Haram waren. Für diese Straftaten wurde niemand belangt. Am 8.4.2014 hat das NHRC erstmals eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung verlief zu Gunsten der Opfer und NHRC erklärte, dass es keine Beweise gäbe, dass die Opfer Mitglieder der Boko Haram seien. Weiter wurde angeordnet, dass der Staat den Familien der Verstorbenen 10 Millionen Naira und jedem der Überlebenden fünf Million Naira auszahlen musste (USDOS 25.6.2015).

Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 28.11.2014). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (AI 6.2015). Allein in der Stadt Baga (Bundesstaat Borno) zerstörten die Sicherheitskräfte mehr als 2.000 Häuser (HRW 21.1.2014; vgl. AI 6.2015).

Der National Security Adviser hat gegenüber der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte zugesichert, dass humanitäre Kräfte und Menschenrechtsbeobachter Zugang zu den betroffenen Gebieten erhalten werden - auch die NHRC. Dies wird als wichtige Zusage erachtet, um Gewaltexzesse und Straffreiheit zu bekämpfen (OHCHR 14.3.2014).

Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 28.11.2014). Auch wenn die Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, wird Folter nicht kriminalisiert (USDOS 25.6.2015). Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Straftatverdächtigen und Gefangenen durch Sicherheitskräfte sind weit verbreitet (AI 25.2.2015). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 25.6.2015). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock- und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 28.11.2014).

Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 28.11.2014).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 28.11.2014). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Joint Task Force, Polizei und andere Sicherheitskräfte (v.a. im Norden und im Rahmen des Vorgehens gegen militante Gruppen) kommt es zu Verletzungen, Gruppenvergewaltigungen, Vertreibungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 25.6.2015; vgl. FH 28.1.2015). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 7.2014).

Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Nur im Bundesstaat Lagos, wo nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt, hat sich die Situation deutlich gebessert. Ein ähnliches Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde im Beisein des nigerianischen Präsidenten ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 28.11.2014). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von willkürlicher und ad-hoc-Verhaftungen nachzugehen (USDOS 25.6.2015).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen. Die Armee hat um internationale Unterstützung angefragt, um Ausbildungsprogramme zum Schutz von Zivilisten und der Menschenrechte entwickeln zu können (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor (USDOS 25.6.2015). Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (FH 28.1.2015; vgl. USDOS 25.6.2015) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 4.2015a). Korruption ist allgegenwärtig (AA 28.11.2014). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 136 von 175 untersuchten Staaten (TI 2014).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8/G7 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 6.2015b).

Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 28.11.2014; vgl. FH 28.1.2015). Die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) konzentrierten sich auf Regierungsbeamte mit niedrigem und mittlerem Rang. Vorwürfe der Korruption auf höhere Ebene wurden ignoriert (USDOS 25.6.2015). Die EFCC hat im Jahr 2014 110 Verurteilungen erzielt (FH 28.1.2015). Trotzdem haben die EFCC und die ICPC es nicht geschafft Korruption und Finanzstraftaten effektiv zu bekämpfen. Oft wurden nur Beamten von niedrigem Rang verhaftet und vor Gericht gebracht, während Vorwürfe gegen hochrangige Politiker nicht untersucht wurden (HRW 29.1.2015). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während das EFCC auf Finanzdelikte beschränkt ist. Trotz ihres breiten Mandats hat die ICPC seit ihrer Gründung im Jahr 2000 erst 76 Verurteilungen erreicht. Immerhin führt der Vorsitzende der EFCC, Ibrahim Lamorde, Untersuchungen gegen 23 prominente öffentlich Bedienstete. Allerdings halten die Beschuldigungen an, dass die EFCC nur solche Personen ins Visier nimmt, die bei der Regierung in Missgunst gefallen sind (USDOS 25.6.2015).

Im Februar 2014 hat Präsident Goodluck Jonathan Nigerias Zentralbankchef und ausgewiesenen Korruptionsgegner Sanusi Lamido Sanusi suspendiert. Sanusi hatte der Regierung zuletzt offen Untätigkeit bei der Korruptionsbekämpfung vorgeworfen und auch der staatlichen Ölgesellschaft NNPC vorgeworfen, 20 Milliarden US-Dollar veruntreut zu haben. Der Vorsitzende der Anti-Korruptionsorganisation Zero Corruption Coalition und Partner von Transparency International in Nigeria berichtet, dass die Suspendierung politisch motiviert sei, damit Sanusi nicht weitere Missstände im Land aufdecken könne (DW 21.2.2014; vgl. HRW 29.1.2015). Im May 2014 hat Präsident Goodluck Jonathan Journalisten erzählt, dass die Anschuldigungen von Korruption gegen Mitglieder seines Kabinetts politisch motiviert sind, und dass die meisten Vorfälle nichts Weiteres als "gewöhnliches stehlen" seien (HRW 29.1.2015).

Quellen:

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖBA 7.2014).

Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 25.6.2015; ÖBA 7.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 28.11.2014).

Quellen:

Ombudsmann

Die Aufgaben der National Human Rights Commission (NHRC) sind Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie Menschenrechtserziehung; und die Beobachtung der Menschenrechtslage (AA 28.11.2014; vgl. USDOS 25.6.2015). Derzeit konzentriert sie sich u. a. Gewalt der Sicherheitskräfte, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung. Soweit sich die Kommission Einzelschicksalen annimmt, hat ihre Arbeit lediglich empfehlenden Charakter (AA 28.11.2014). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 25.6.2015). Die Kommission hat ihre Arbeit in den letzten Jahren intensiviert und verbessert und mit eigenen Berichten z.B. zu Menschenrechtsverletzungen im Nordosten wachsende Unabhängigkeit und steigendes Selbstbewusstsein bewiesen (AA 28.11.2014). Die Kommission ist mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben (USDOS 25.6.2015).

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Wehrdienst

Die nigerianischen Streitkräfte bestehen aus Berufssoldaten. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht (AA 28.11.2014). Das Mindestalter für die Soldaten ist 18 Jahre (CIA 24.4.2015). Ein paramilitärisch organisiertes einjähriges "Civil Service" ist für Universitätsabgänger möglich jedoch nicht verpflichtend. Die Absolvierung ist Voraussetzung für die Erlangung der meisten Positionen im Öffentlichen Dienst (ÖBA 7.2014).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Auch wenn sich die Menschenrechtssituation seit Amtsantritt der Zivilregierung 1999 zum Teil erheblich verbesserte, ist sie insgesamt sehr problematisch und hat sich im letzten Jahr eher verschlechtert (AA 6.2015). Im Jahr 2014 wurde die Menschenrechtslage von verstärkter Gewalt und Grausamkeiten der Boko Haram dominiert (HRW 29.1.2015).

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 28.11.2014).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind (AA 6.2015a). Im Berichtsjahr 2014 sind in den nord-zentralen Teilen des Landes mehr als 1.200 Menschen bei kommunalen Ausschreitungen ums Leben gekommen (HRW 29.1.2015). Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht gesichert, wie u.a. auch der im September 2014 und Juni 2015 veröffentlichte Bericht von Amnesty International über Menschenrechtsverletzungen durch das Militär und systematische Folterungen in Gefängnissen belegen (AA 6.2015a). Insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Boko Haram werden den Sicherheitsbehörden zahlreiche extra-legale Tötungen, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (HRW 29.1.2015). Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 6.2015).

Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl.

Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, -prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 28.11.2014; vgl. ÖBA 7.2014).

Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 28.11.2014).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nach Kenntnis des Auswärtigen Amts nicht vollstreckt (AA 28.11.2014).

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Auch in den Bundesstaaten Bauchi, Kano, Kaduna, Kogi und Plateau wird durch Ausgangssperren die Bewegungsfreiheit immer wieder eingeschränkt. Es gibt auch weiterhin illegale Straßensperren und Kontrollpunkte, bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen. Sicherheitsbeamte wenden weiterhin übermäßige Gewalt an Kontrollpunkten und Straßensperren an (USDOS 25.6.2015).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 25.6.2015). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 9.6.2015). Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Igbo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung, mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen, feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖBA 7.2014).

Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten. Mit dem Umzug geht regelmäßig ein weitreichender Verlust der Bürgerrechte einher, da die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer Teilhabe und staatlichen Unterstützungen ausschließen (AA 28.11.2014).

Lokale Regierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt. Bundesstaats- und Lokalregierungen bedrohen und diskriminieren manchmal Angehörige nicht indigener Ethnien, damit diese wegziehen. Es kommt auch zur Zerstörung von Wohngebäuden (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 28.11.2014; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 7.2014).

Quellen:

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

IOM berichtet, dass es 1.491.706 IDPs, rund 194.145 Haushalte, aus den Gegenden Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Taraba und Yobe gibt. IOM erstellte in Zusammenarbeit mit der Regierung eine Displacement Tracking Matrix (DTM), damit nationale und staatliche Akteure ein umfassendes System für die Erfassung und Verbreitung von Daten über die Binnenvertriebenen herstellen können. Die DTM-Teams bestehen aus Vertretern der National Emergency Management Agency (NEMA), State Emergency Management Agency (SEMA), Nigerian Red Cross Society (NRCS) und IOM. Die DTM-Ergebnisse zeigen, dass 57 Prozent der IDPs im Nordosten Nigerias Kinder sind. 52 Prozent der IDPs sind Frauen und Mädchen, während 48 Prozent Männer und Buben sind. 94 Prozent der IDPs, die durch DTM identifiziert wurden, sind aufgrund der Aufstände geflohen und die überwiegende Mehrheit (89 Prozent) wohnt bei Aufnahmegemeinden (IOM 1.5.2015). IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) schätzt die gesamte IDP-Zahl etwa auf 1,538,982 Menschen. Diese Zahl beinhaltet jene Menschen, die infolge der brutalen Angriffe durch die islamistische Gruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias, die von der Regierung geführte Aufstandsbekämpfung, interkommunale Zusammenstöße und Naturkatastrophen vertrieben wurden (IDMC 4.2015).

Jedenfalls gab es aufgrund der anhaltenden Attacken der Boko Haram und der daraus resultierenden Reaktionen der Regierungskräfte Fluchtbewegungen innerhalb des Nordens und aus dem Norden in den Süden. Aus den drei Bundesstaaten, die den Notstand erklärt haben, gab es einen Exodus. Die Flüchtlinge suchen meist bei Familie oder anderen Gemeinden Unterschlupf und werden nicht von der Regierung unterstützt. Ethnische Streitigkeiten über Land und politische Macht führten zu Gewalt in Benue, Taraba und Nasarawa und damit auch zur Vertreibung von hunderten Personen (USDOS 25.6.2015).

Reuters berichtet, dass seitdem die nigerianische Armee Teile im Nordosten Nigerias von der Boko Haram befreit hat, einige der 1,5 Millionen IDPs begonnen haben zurückzukehren. Tausende sind jedoch einer ernsten Nahrungsmittelknappheit ausgesetzt (Reuters 10.5.2015).

Gemäß UN OCHA versuchen das nigerianische Rote Kreuz, das IKRK, der UN Bevölkerungsfonds und die Regierungsagenturen NEMA und SEMA die IDPs zu unterstützen (IRIN 14.3.2014). Im November 2014 hatten das IKRK und das nigerianische Rote Kreuz Nahrungsmittel und andere Haushaltsnotwendigkeiten an mehr als 50.000 IDPs, die unter schwierigen Bedingungen in Maiduguri leben, verteilt. Während des Jahres 2014 hat das IKRK 880 Witwen, die ihre Männer im Konflikt verloren haben, in Maiduguri monatlich mit Nahrung versorgt (ICRC 5.11.2014).

Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen:

Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die National Commission for Refugees, Migrants, and Internally Displaced Persons (NCRMIDP) hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). Die zuständige Behörde ist die NCRMIDP und die NEMA. Das Eligibility Committee, in welchem der UNHCR als Beobachter vertreten ist, ist für die Gewährung des Flüchtlingsstatus, für Asyl und Rückführung zuständig. Laut UNHCR beherbergt Nigeria 1.574 anerkannte Flüchtlinge und 908 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus Kamerun und der DR Kongo. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen, die in den letzten Monaten allerdings stark zurückgegangen sind. Der für solche Fälle eingerichtete Excess Crude Account, in dem die Regierung einen Teil der Einnahmen aus dem Ölexport zurücklegt, ist inzwischen weitgehend aufgebraucht. Im Mai 2011 hat die Regierung außerdem den Staatsfonds Sovereign Wealth Fund geschaffen, der sich ebenfalls aus Öleinnahmen speist und zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen dienen soll (AA 6.2015b). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US-Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 4.2015c).

Seit 2014 gilt Nigeria als die größte Volkswirtschaft Afrikas. Laut einer im April 2014 veröffentlichten Statistik des National Bureau of Statistics (NBS) übertraf Nigeria das Bruttoinlandsprodukt Südafrikas. Die zentralen Treibkräfte der nigerianischen Wirtschaft, die als Grundlage dieser Berechnung dienten, sind - neben der Ölindustrie - die Unterhaltungsindustrie (Nollywood), die Informationstechnologie und der Handel. Mit einem Wachstum des BIP von mehr als 6% im Jahr gehört Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften des Kontinents (GIZ 4.2015c; vgl. AA 6.2015b).

Nigeria ist der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und der größte Erdölproduzent Afrikas. Über 70% der Staatseinnahmen und 90% der Exporterlöse stammen aus der Erdöl- und Erdgasförderung. Neben den Erdöl- und Erdgasvorkommen verfügt Nigeria über umfangreiche natürliche Ressourcen (z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine und Posphat), die gesamtwirtschaftlich gesehen jedoch von geringer Bedeutung sind (GIZ 4.2015c) und 14 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren sich aus den Erdölgeschäften (AA 6.2015b).

Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 28.11.2014). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 6.2015b). Der Sektor erwirtschaftete 2013 etwa 35,4 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 4.2015c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 6.2015b).

Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen - in der Regel in Subsistenzwirtschaft - mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 6.2015b). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 4.2015c). Die Maisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 6.2015b). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus. (ÖBA 7.2014).

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 23,7 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 4.2015c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 4.2015c; vgl. AA 28.11.2014). Von insgesamt 200.000 Straßenkilometer landesweit sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Die Eisenbahnlinie Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde 2013 mit chinesischer Hilfe modernisiert (GIZ 4.2015c).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2014). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2014; vgl. AA 28.11.2014) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz‑) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt - Nigerias Wirtschaft setzte auch 2013 ihr robustes Wirtschaftswachstum von ca. sieben Prozent fort - aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert (AA 28.11.2014).

Mindestens 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben nur zögerlich damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2014). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2015b).

Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2014). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension. Von der arbeitenden Bevölkerung, die etwa 80 Millionen Menschen beträgt, sind etwa 6 Millionen bei irgendeiner Altersvorsorge registriert (TE 25.10.2014). Bis September 2012 waren nur 5,2 Millionen Nigerianer beim Contributory Pension System registriert, lediglich 55.000 Pensionisten erhielten Auszahlungen (BS 2014). Dies versucht die Regierung zu ändern und im Juli 2014 gab es eine neue Gesetzesreform (TE 25.10.2014).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2015c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 28.11.2014).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. So wird für eine rund 30 cm lange Yam-Wurzel, von der sich eine erwachsene Person zwei Tage lang ernähren kann, je nach Region und Saison ein Preis von 150-400 Naira berechnet (0,75 bis 2 Euro).

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt und pro Teller - je nach Gericht - zwischen 200 Naira für Peppersoup und 450 Naira für Garri mit Gemüse verdienen kann. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Preise für Seminar und zwei Zuchttiere liegen bei 15.000-25.000 Naira (75-150 Euro). Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10% des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 7.2014).

Nach fast fünfeinhalb Jahren Laufzeit ist mit Ende Dezember 2014 das AVRR Nigeria Projekt ausgelaufen. Insgesamt gab es fünf Projektphasen, die erste startete am 01. September 2009. Im Laufe dieser fünf Phasen konnten 198 Rückkehrer/innen bei ihrer freiwilligen Rückkehr und Reintegration unterstützt werden. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer/innen, nämlich 182, war männlich; 16 waren Frauen. Im Laufe der letzten fünfeinhalb Jahre haben das IOM Landesbüro für Österreich und die beiden Missionen vor Ort intensiv miteinander zusammengearbeitet (IOM 3.2015). 90 Prozent der Befragten freiwilligen Rückkehrer gaben an, dass sie seit der Rückkehr ihre sozialen Kontakte zu Freunden und Verwandten wieder aufbauen konnten (IOM 24.5.2013).

Auch wenn die Lage in Nigeria regional instabil ist, kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin - etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot - gesprochen werden (BVwG 25.2.2014).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium. Das Gesundheitsministerium ist für die Koordination aller Aktivitäten im Bereich Gesundheitswesen im gesamten Land verantwortlich. Medizinische und Gesundheitsdienste sind ebenfalls Aufgabe der Regierung, die Krankenhäuser in den großen Städten unterhält. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die

Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 20-50 Naira (0,1-0,25 Euro) ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 7.2014).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In einigen der Privatkliniken in den großen Städten ist der Standard besser (AA 12.6.2015). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 6.2015b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 7.2014).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (SFH 22.1.2014; vgl. AA 28.11.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba mit seinem neuen medizinischen Direktor Dr. Rahman Abolore Lawal bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Nach Rücksprache mit Dr. Lawal belaufen sich die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 28.11.2014). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos University Teaching Hospital:

Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianerinnen und Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 28.11.2014). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 28.11.2014). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 6.2015b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 28.11.2014). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 28.11.2014). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 25.6.2015).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 28.11.2014). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 28.11.2014).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 28.11.2014).

Die Gefahr, dass sich die westafrikanische Ebola-Epidemie auf Nigeria ausbreitet, ist zumindest vorläufig beigelegt. Dies gaben die nationalen Gesundheitsbehörden und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag, 20.10.2014, in der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos bekannt (NZZ 20.10.2014; vgl. WHO 20.10.2014; vgl. Zeit 20.10.2014). Der nigerianischen Regierung und den WHO-Vertretern vor Ort ist bewusst, dass das westafrikanische Land weiter gefährdet bleibt, solange die Krankheit in anderen Ländern der Region grassiert. Entsprechend bleiben die Behörden in Alarmbereitschaft (Zeit 20.10.2014).

Quellen:

HIV/AIDS

Nigeria hat weltweit die zweitgrößte Zahl HIV-infizierter Einwohner (DAH 11.4.2014). UNAIDS berichtet mit Schätzungen aus dem Jahr 2013, dass zwischen 3 Millionen und 3,6 Millionen Menschen in Nigeria an HIV erkrankt sind. Davon sind zwischen 1,5 Millionen und 1,8 Millionen Frauen im Alter ab 15 Jahren an HIV erkrankt. Die Anzahl der Kinder im Alter bis 14 Jahren wird zwischen 350.000 und 450.000 geschätzt (UNAIDS 2013). Obwohl etwa 1.555.780 HIV erkrankte Menschen antiretrovirale Medikamente (ARV) benötigten, erhielt etwa nur ein Drittel dieser Gruppe Behandlung. Die Anzahl der an HIV erkrankten schwangeren Frauen, die ARV-Prophylaxen bekamen, um die Mutter-Kind-Übertragung von HIV zu verhindern, stieg von 40.097 im Jahr 2012 auf 57.871 im Jahr 2013 (NACA 2014). Medikamente gegen HIV/Aids können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

Laut jüngsten Schätzungen sinkt die Zahl der Neuinfektionen stetig. Im Jahr 2012 waren es 239.706 Neuinfektionen während die Anzahl im Jahr 2013 auf 220.394 sank. Im Jahr 2013 gab es 210.031 AIDS-bedingte Todesfälle (NACA 2014).

Die National Agency for the Control of AIDS (NACA) ist für die Umsetzung des nationalen HIV/Aids Programms zuständig. Sie koordiniert und kontrolliert die Aktivitäten auf der Ebene der Bundesstaaten und Lokalregierungen. Das Programm zielt einerseits auf Aufklärung und Prävention und anderseits auf die Behandlung von HIV/AIDS. Bis 2011 ist die Anzahl der Zentren, wo HIV-Tests und Beratung angeboten werden, auf 1.357 angestiegen. Mit Geldern des Global Fund wurden 2011 Testzentren auch im privaten Sektor, bei religiösen Organisationen, in privaten Spitälern und bei NGOs etabliert. Der Großteil der Testzentren befindet sich weiterhin in sekundären und tertiären Gesundheitseinrichtungen in urbanen Gebieten, was den Zugang der ländlichen Bevölkerung massiv einschränkt. Die HIV-Testrate der nigerianischen Bevölkerung ist immer noch sehr tief. In Nigeria gibt es gemäß den Zahlen von 2011 491 Zentren, in denen antiretrovirale Behandlung angeboten wird (SF 26.3.2014; vgl. NACA 2012)

Die Kernpunkte des aktuelle National HIV/AIDS Strategic Plan (NSP) 2010-2015 sind Verhaltensänderungen und Vorbeugung von Neuinfektionen und dabei die HIV-Behandlung, Versorgung und Unterstützung für Erwachsene und Kinder, die an HIV erkrankt sind oder sonst davon betroffen sind, weiter aufrechtzuhalten. Darüber hinaus soll der Plan unteranderem auch Geschlechterungleichheit ansprechen (NACA 2014).

Diskriminierung gegen Menschen mit HIV/AIDS ist weit verbreitet. Personen mit HIV/AIDS verloren oft ihre Jobs oder Gesundheitsversorgung wurde ihnen verweigert (USDOS 25.6.2015). Präsident Goodluck Jonathan hat ein neues Gesetz unterschrieben, dass Menschen mit HIV und AIDS vor Diskriminierungen schützen soll. Laut dem HIV/AIDS Anti-Discrimination Act 2014 ist es illegal, Menschen aufgrund ihrer Infektion zu diskriminieren. Arbeitgebern, Einzelpersonen oder Organisationen ist es untersagt, einen HIV-Test als Voraussetzung für eine Anstellung oder Zugriff auf Dienste zu fordern (UNAIDS 11.2.2015).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen vor allem aus Spanien, Italien, Irland (bestehende Rückübernahmeabkommen) sowie Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden, meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 28.11.2014).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 28.11.2014). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die Drogenpolizei (NDLEA) überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch Dekret 33 noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 28.11.2014). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 7.2014).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 28.11.2014).

Quellen:

1.16.1. Zu den Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Nach Ansicht des erkennenden Richters handelt es sich bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 7.6.2000, Zl. 99/01/0210). Die vom Bundesamt zu Nigeria getroffenen Feststellungen entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts, diese werden daher der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Den Feststellungen wurde auch von Seiten des Beschwerdeführers nicht in substantiierter Weise widersprochen.

Zusammenfassend ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass nicht davon auszugehen ist, dass jedem im Falle einer Rückkehr nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde. Es herrscht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet Nigerias willkürliche Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.

Hinsichtlich der länderkundlichen Feststellungen älteren Datums ist anzumerken, dass sich in Bezug auf das gegenständliche Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in Nigeria - die einer ständigen Beobachtung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt - in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt.

1.17. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Nigeria stellt für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und bringt für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich.

1.18. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, aus dem Integrierten Zentralen Fremdenregister (IZR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zu Ermittlung der tatsächlichen Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers als Werkvertragsnehmer wurden Recherchen bei den Werkbestellern vorgenommen.

2.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

2.2.2. Wie sich aus den vorliegenden Verwaltungsakt zeigt, hat die belangte Behörde im Hinblick auf Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides ein in den wesentlichen Punkten ordnungsgemäßes Verfahren geführt. Der Beschwerdeführer wurde nach Stellung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG mit Schriftsatz des BFA vom 27.11.2014 über die fehlenden Unterlagen in Kenntnis gesetzt und wurde binnen zweiwöchiger Frist aufgefordert, die für die Entscheidungsfindung nötigen Unterlagen vorzulegen.

Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer rechtsbelehrt, dass es bei einer nicht rechtzeitigen Vorlage bzw. einer Nichtvorlage der erforderlichen Dokumente aufgrund nicht nachgekommener Mitwirkungspflicht zu einer Zurückweisung des Antrages kommen werde. Der Beschwerdeführer ist seiner Mitwirkungspflicht bis dato nicht nachgekommen.

Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Vorlage eines Identitätsdokuments sei ihm nicht möglich, weil die nigerianische Botschaft für die Ausstellung eines Reisepasses Monate, wenn nicht sogar Jahre benötige, ist festzuhalten, dass es sich hier um eine reine Schutzbehauptung handelt, zumal sich der Beschwerdeführer seit 2009 im Bundesgebiet befindet und er bis dato in den sieben Jahren seines Aufenthaltes keine Anstalten unternommen hat, sich um einen Reisepass zu bemühen. Aus dem Akt geht nämlich nicht hervor, dass der Beschwerdeführer jemals einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses bzw. eines sonstigen Identitätsdokuments bei der nigerianischen Botschaft in Wien gestellt hat und dies wurde von ihm auch nicht behauptet.

Zudem ist gerichtsnotorisch bekannt, dass die nigerianische Botschaft sehr wohl - und auch zeitnah - nach Antragstellung entsprechende Identitätsdokumente an ihre Staatsbürger ausstellt.

2.2.3. Im Hinblick auf Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides ist zunächst den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz beizutreten, wonach sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung mit der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers nur unzureichend auseinandergesetzt hat und sohin ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt. Dazu ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2015 entsprechendes Parteiengehör gewährt und ihm umfassende Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria zur Einsicht- und Stellungnahme übermittelt wurden. Der Beschwerdeführer übermittelte dazu in der Folge eine umfassende Stellungnahme dazu, sodass der im Administrativerfahren evidente Verfahrensmangel als saniert anzusehen ist (vgl. VwGH 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH 27.2.2003, 2000/18/0040 u.a.m.).

2.2.4. Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers sowie zur unzureichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Tatsachen, dass der Beschwerdeführer über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, sein bisheriger persönlicher, familiärer und beruflicher Lebensmittelpunkt bis Ende 2009 in Nigeria gelegen hat und vom Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt wurden, die die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würde.

Dabei ist hervorzuheben, dass der erkennende Richter das Faktum der grundsätzlichen Bereitschaft des Beschwerdeführers, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, nicht übersieht und auch nicht verkennt, dass der Beschwerdeführer unbescholten geblieben ist und 2010 ein Sprachdiplome A2 (Grundstufe Deutsch 2) erworben hat.

Eine entscheidungserhebliche Integration kann diesen Fakten per se jedoch nicht zugesonnen werden, zumal ihnen entgegenzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2009 bewusst einen unberechtigten Asylantrag gestellt hat damit in einem zweijährigen Verfahren bis zur rechtskräftig negativen Entscheidung nicht unerhebliche Ressourcen der österreichischen Fremdenbehörde und des Asylgerichtshofes zu Lasten von redlichen Asylantragstellern - deren Verfahren mitunter aufgrund solcher vom Beschwerdeführer bewusst missbräuchlich gestellter Asylanträge und den damit einhergehenden gebundenen Behördenressourcen erhebliche Verzögerung widerfahren - in Anspruch genommen hat.

Durch diesen unberechtigten Asylantrag verschaffte sich der Beschwerdeführer sohin nicht nur Zugang zu einem (vorübergehenden) Aufenthaltsrecht in Österreich, sondern es war ihm auch möglich, öffentliche Leistungen wie beispielsweise die aus der Grundversorgung in Anspruch zu nehmen. Immerhin bezog der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen 18.01.2009 bis 29.09.2010 Leistungen in der Höhe von mehreren Tausend Euro aus Mitteln der öffentlichen Hand.

Zwar hielt sich der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens rund zwei Jahr lang legal im Bundesgebiet auf, jedoch war er sich vor dem Hintergrund seines zu Unrecht gestellten Asylantrages stets seines unsicheren Aufenthalts bewusst. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist seit 22.12.2012 ein illegaler. Seither weigerte er sich trotz einer rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung das Bundesgebiet zu verlassen und er ging darüber hinaus ohne Aufenthaltsberechtigung einer Erwerbstätigkeit nach. Zudem zeigt sich anhand der Meldedaten, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes immer wieder im Bundesgebiet "untertauchte", indem er die Anmeldeverpflichtung nach dem Meldegesetz missachtete.

Die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie die Erlangung eines Sprachdiploms A2 (Grundstufe Deutsch 2), aber auch seine insgesamt rund 21 Monate dauernden Beschäftigungszeiten als Werkvertragsnehmer bringen zwar einen grundsätzlichen Integrationswillen des Beschwerdeführers zum Ausdruck, diese Fakten vermögen aber vor dem Hintergrund der illegalen Einreise, des zu Unrecht gestellten Asylantrages, des beharrlichen Verbleibens über viele Jahre hinweg im Bundesgebiet trotz einer rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung und des wiederholten "Untertauchens" keine tiefergehende Integrationsaspekte darzustellen.

Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer durch das beharrliche Ignorieren der Entscheidung des Asylgerichtshofes seine geringe Wertschätzung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung nachdrücklich zum Ausdruck brachte.

Zudem ist festzuhalten, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 18.01.2009 mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.09.2010 in kurzer Zeit rechtskräftig negativ entschieden worden war und insofern die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht in einer den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerung gelegen war. Auch im Hinblick auf die Antragstellung auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG ist hervorzuheben, dass die Antragstellung bereits am 03.07.2014 erfolgte und bereits mit Bescheid des BFA 20.01.2015 eine Entscheidung ergangen ist, wenngleich festzuhalten ist, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 ohnehin kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen (vgl. § 55 Abs. 13 AsylG).

Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterstützungserklärungen vermögen keine tiefergehende Integration zu begründen und im Hinblick auf die vorgelegte Wohnungsvereinbarung ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig seit mehr als sechs Monaten als "obdachlos" gemeldet ist. Bezüglich des vorgelegten Arbeitsvorvertrages ist schließlich zu konstatieren ist, dass einer Arbeitsplatzzusage in einem Verfahren betreffend Ausweisung mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis des Fremden keine wesentliche Bedeutung zukommen kann (vgl. VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; VwGH 26.10.2010, 2010/18/0195).

2.2.5. Dass der Beschwerdeführer derzeit über keinen Aufenthaltstitel verfügt und sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens illegal im Bundesgebiet aufhält, ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten IZR-Anfrage.

2.2.6. Der Beschwerdeführer verfügt über kein legal erwirtschaftetes geregeltes Einkommen und geht keiner regelmäßigen (legalen) Beschäftigung nach. Dass sich der Beschwerdeführer seit September 2009 nicht mehr in der Grundversorgung befindet, ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten GVS-Auszug, seine bisherigen Wohnsitznahmen im Bundesgebiet aus einem aktuellen ZMR-Auszug.

2.2.7. Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit im Bundesgebiet entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.2.8. Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG iVm § 50 FPG nach Nigeria beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre und allfällige Abschiebungshindernisse bereits im rezenten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht geprüft worden waren.

In diesem Kontext ist festzuhalten, dass die Entwicklungen in Nigeria in den asyl- und abschieberelevanten Aspekten einer ständigen Beobachtung des Bundesverwaltungs-gerichtes unterliegen. In Ansehung der im Rahmen des Parteiengehör vom 16.12.2015 an den Beschwerdeführer übermittelten und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegten Länderfeststellungen zur Lage Nigerias ist gerichtsnotorisch bekannt, dass keine maßgebliche Veränderungen im Heimatstaat des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zulässigkeit seiner Abschiebung eingetreten sind.

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

Vielmehr ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer gesund und ledig ist, er sich in einem arbeitsfähigen Alter befindet und er im Rahmen bisherigen selbst angegeben hat, im Heimatstaat eine mehrjährige Schulausbildung sowie eine Elektrikerlehre absolviert zu haben. Zudem steht fest, dass er über einen Familienbezug in Nigeria verfügt, er die dortige Landessprache auf Mutterspracheniveau beherrscht und er mit den wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten seines Herkunftsstaates trotz mehrjähriger Abwesenheit weiterhin vertraut ist.

Zudem wurden im Beschwerdeschriftsatz keine konkretisierten Behauptungen vorgebracht, aus welchen sich auch nur ansatzweise eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK ableiten ließen.

Es sind - wie oben bereits ausgeführt - auch keine außergewöhnlichen Umstände zu Tage getreten, die darauf schließen lassen würden, der Beschwerdeführer sei beruflich, familiär oder gesellschaftlich in einem besonders berücksichtigungswürdigen Ausmaß in Österreich integriert. Anhaltspunkte dafür, dass Familienangehörige oder Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich leben, ergeben sich nicht aus den vorliegenden Akten und wurden auch nicht behauptet. Ein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet liegt sohin nicht vor.

Der grundsätzliche Integrationswille des Beschwerdeführers ist zweifellos vorhanden, dennoch steht außer Zweifel, dass er aber den weitaus überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens in Nigeria verbracht hat, wo er trotz des rund siebenjährigen Aufenthaltes in Österreich im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit entsprechende Reintegrationsmöglichkeiten in familiärer, gesellschaftlicher und arbeits- marktmäßiger Hinsicht vorfinden wird.

Hinzu kommt, dass der gesunde, für nigerianische Verhältnisse sehr gut ausgebildete Beschwerdeführer sich im Herkunftsstaat selbst seinen Lebensunterhalt verdienen kann, sodass es dahingestellt bleiben mag, ob er von seinen in Nigeria befindlichen Familienangehörigen bzw. von seinem ehemaligen sozialen Umfeld nach seiner Rückkehr Unterstützung erhalten wird oder nicht.

2.2.9. Das BFA hat - vom (zwischenzeitlich sanierten) Ermittlungsmangel bezüglich der Rückkehrsituation abgesehen - ein in den wesentlichen Punkten mangelfreies Administrativverfahren geführt und der Beschwerdeführer vermochte keine substantiierten Einwände gegen das Ermittlungsverfahren vorzubringen bzw. allfällige (weitere) wesentliche Verfahrensfehler konkret aufzuzeigen.

Insoweit der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz zum Ausdruck zu verbringen versuchte, dass die Rückkehrentscheidung angesichts der dargelegten Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise in sein Recht auf Privatleben eingreife, so ist unter Hinweis auf die vorangestellten Ausführungen festzuhalten, dass ein unzulässiger Eingriff vom erkennenden Richter - in Übereinstimmung mit den Erwägungen des BFA im bekämpften Bescheid - nicht erblickt werden kann. Auch sonst vermochte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz weder die Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides zu erschüttern noch seine erstinstanzlich vorgebrachten Behauptungen in substantiierter Weise zu ergänzen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

A)

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" titulierte § 55 AsylG 2005 idgF lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß

§ 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

3.2.2. § 14a Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) umschreibt die Voraussetzungen für die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung und lautet:

"(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt."

3.2.3. Im 2. Abschnitt des AsylG 2005 wird das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln geregelt und § 58 Abs. 11 leg. cit. normiert das Nachfolgende:

"Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren."

3.2.4. Der als "Mitwirkungspflicht des Fremden" überschriebene § 13 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) normiert in Abs. 1, dass der Fremde am Verfahren vor dem Bundesamt [...] mitzuwirken hat.

3.2.5. § 58 Abs. 11 AsylG 2005 entspricht § 19 Abs. 4 und 10 NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 und wird in dieser Bestimmung lediglich auf die Mitwirkungspflicht des Fremden verwiesen. Der Drittstaatsangehörige soll folglich insbesondere nicht von Mitwirkungs-pflichten befreit sein, die für die Herstellung dieser Aufenthaltstitel in Kartenform notwendig sind. Kommt der Drittstaatsangehörige diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, so ist das Verfahren gemäß Z 1 ohne weiteres einzustellen, wenn es sich um eine amtswegige Prüfung handelt, und kann der Antrag zurückgewiesen werden gemäß Z 2 leg. cit, wenn das Verfahren auf Antrag eingeleitet worden ist. Darüber ist der Drittstaatsangehörige zu belehren. Auch § 13 BFA-VG bleibt beachtlich (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 58 AsylG 2005 [Stand: 1.1.2015, rdb.at]).

3.2.6. § 4 Abs. 1 AsylG-DV lautet: "Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war."

3.2.7. Wie dem Verwaltungsakt zeigt, wurde der Beschwerdeführer nach Stellung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG mit Schriftsatz des BFA vom 27.11.2014 über die fehlenden Unterlagen in Kenntnis gesetzt.

Er wurde binnen zweiwöchiger Frist aufgefordert, die für die Entscheidungsfindung nötigen Unterlagen vorzulegen und in einem darüber rechtsbelehrt, dass es bei einer nicht rechtzeitigen Vorlage bzw. einer Nichtvorlage der erforderlichen Dokumente wegen mangelnder Mitwirkungspflicht zu einer Zurückweisung des Antrages kommen werde.

Der Beschwerdeführer ist seiner Mitwirkungspflicht bis dato nicht nachgekommen. Wie oben unter Punkt II. 2.2.2. ausgeführt, wäre dem Beschwerdeführer die Beschaffung eines Identitätsdokuments in jedem Fall möglich und zumutbar.

In diesem Kontext ist auf den Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 58 AsylG 2005 [Stand: 1.1.2015, rdb.at] hinzuweisen, wo ausgeführt wird, dass, so ein Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen wird, sich der Betroffene sich nicht auf einen Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass dies zu Unrecht erfolgt sei, einlassen, sondern einen entsprechenden neuerlichen Antrag verbunden mit der Versicherung, der Mitwirkungsverpflichtung nachzukommen zu wollen, einbringen solle.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle festzuhalten, dass den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz vom erkennenden Richter nicht gefolgt werden kann, wonach die Nichtvorlage eines Identitätsnachweises durch den Beschwerdeführer als Vorlagemangel zu heilen sei, zumal diese Argumentation wohl auf den Inhalt des § 4 AsylG-DV abstellt und eine Heilung eines Mangels nur auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war, zuzulassen ist. Im Lichte der bisherigen Ausführungen besteht für die Annahme, es würde die Voraussetzungen für eine Mangelheilung vorliegen, kein Raum.

Daher ist konstatieren, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht adäquat nachgekommen ist, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet in den Abs. 1, 3 und 9 wie folgt:

"(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

§ 50 FPG idgF behandelt das "Verbot der Abschiebung" der Abschiebung und lautet:

"§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 lautet: "Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Der mit "Abschiebung" betitelte § 46 FPG idgF lautet wie folgt:

"§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.

(2a) Das Bundesamt ist berechtigt, Personen, für die das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Wie bereits unter den Feststellungen konstatiert, handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden und in einem arbeitsfähigen Alter stehenden Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 bereits durch eine Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 14.09.2010 rechtskräftig negativ entschieden wurde. Ebenso erging über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers vom 03.07.2014 gemäß § 55 Abs. 1 AsylG eine zurückweisende Entscheidung und es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Zugleich wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 52 Abs. 9 FPG gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.).

Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, er ist ledig und kinderlos. Aus dem Verwaltungsakt geht des Weiteren hervor, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens in Nigeria verbracht hat und er deshalb die dortige Landessprache auf Mutterspracheniveau beherrscht bzw. er mit der dortigen Gesellschaft und der Kultur trotz mehrjähriger Abwesenheit nach wie vor vertraut ist. Die Einreise in das österreichische Bundesgebiet erfolgte illegal und auch der Asylantrag in Österreich wurde unberechtigt gestellt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine über das Sprachniveau A2 (Grundstufe Deutsch 2) hinausgehende qualifizierte Sprachkenntnisse in Deutsch und eine tiefergehende Verwurzelung in Österreich ist ebenso nicht erkennbar wie eine in einem entscheidungserheblichen Maß zu berücksichtigende persönliche, familiäre oder berufliche Bindung an Österreich. Eine den Behörden zuzurechnende Verfahrensverzögerung liegt nicht vor. Ein allfälliges besonders zu berücksichtigendes Integrationsverhalten des Beschwerdeführers kann im konkret vorliegenden Sachverhalt in der Gesamtschau nicht erblickt werden. Der Beschwerdeführer hat seinen bisherigen, seit 2010 illegalen Aufenthalt nicht zur Verwirklichung von außerordentlichen Integrationsaspekten genützt. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und hat sich nicht nur durch einen missbräuchlichen Asylantrag auf Kosten der Allgemeinheit und auf Kosten redlicher Asylwerber unberechtigt einen Zugang zu öffentlichen Mitteln verschafft, sondern er weigerte sich beharrlich, trotz einer rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Er verfügt über keinen festen Wohnsitz und ist am Arbeitsmarkt nicht integriert. Hinweise auf enge soziale, gesellschaftliche oder berufliche Anbindungen waren trotz der ins Verfahren eingebrachten Empfehlungsschreiben nicht festzustellen, während die Bindung des Beschwerdeführers aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Nigeria, der dort genossen Schul- und Berufsausbildung sowie im Hinblick auf seine familiären, kulturellen und sprachlichen Anknüpfungspunkte weiterhin besteht.

Im Übrigen ist hervorzustreichen, dass, würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein während eines mehrjährigen illegalen Aufenthaltes erworbenen Privatleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; siehe auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der VfGH auf dieses Erkenntnis des VwGH Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist zu konstatieren, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, und daher eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die angeordnete Rückkehrentscheidung nicht vorliegt.

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Wie oben ausgeführt ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer auf dessen Antrag ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist und es war daher eine amtswegige Prüfung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Schließlich sind im Hinblick auf die zu § 52 Abs. 9 und § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Nigeria unzulässig wäre.

Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen und dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Einsicht- und Stellungnahme übermittelten Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild. Daher besteht eingedenk des vorliegenden Falles und unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen für den erkennenden Richter kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln. ZUdem finden diese Feststellungen ihre Deckung in dem, dem Bundesverwaltungsgericht bekannten, aktuellen Lagebild Nigerias. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegen, sodass sich in der Gesamtschau keine Hinweise darauf ergeben, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre.

Vielmehr ist festzuhalten, dass der BF gesund und ledig ist, er sich in einem arbeitsfähigen Alter und Zustand befindet und selbst angegeben hat, in seiner Heimat eine umfassende Schulausbildung sowie eine Elektrikerlehre absolviert zu haben und sohin auch erwerbstätig gewesen zu sein. Aber auch in Österreich sei er als Werkvertragsnehmer gewesen. Insofern ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Heimat den notwendigen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit verdienen kann. Außerdem steht es ihm frei, eine Rückkehrberatung sowie eine Rückkehrhilfe, gegebenenfalls mit finanzieller Unterstützung, im Falle seiner freiwilligen Ausreise noch in Österreich in Anspruch zu nehmen. Hervorzustreichen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Beschwerdeführer selbst angeben hat, dass er noch Familienangehörige, nämlich seinen Vater und seine Schwester in Nigeria habe. In der Zusammenschau der Ausführungen ist - selbst wenn der Beschwerdeführer keine Unterstützung von seinen Familienangehörigen erhalten sollte - keinesfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzielle Notlage geraten werde.

Somit ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Nigeria einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder ihm die Todesstrafe drohen könnte. Weiters besteht auf dem gesamten Gebiet Nigerias auch kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, der für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedeuten würde. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht in der Lage wäre, für seinen notwendigsten Lebensunterhalt zu sorgen, sind ebenso wenig ersichtlich. Somit sind im vorliegenden Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

3.4.1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg. cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

3.4.2. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden und sie sich auch sonst nicht ergeben, ist die Frist zu Recht mit zwei Wochen festgelegt worden und war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.5.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

3.5.2. Im Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, hat sich der VwGH mit der Verhandlungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts auseinandergesetzt. Im Wesentlichen wurde diesbezüglich ausgeführt:

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs.7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

* Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen.

* Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.

* In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

3.5.3. Nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierten Rechte und Freiheiten verletzt worden sind - wozu u.a. das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 7), das Asylrecht (Artikel 18) sowie der Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung (Artikel 19) zählen -, ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Überdies gilt die Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Jedoch ist das in Artikel 47 Absatz 2 der Charta gewährleistete Recht - wie sich aus deren Artikel 52 ergibt - nicht schrankenlos garantiert und ist die in § 24 Abs. 4 VwGVG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht im Sinne des Artikel 52 Absatz 1 der Charta zulässig, zumal sie gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Artikel 47 Absatz 2 der Charta verbürgten Rechtes achtet. In diesem Zusammenhang ist zudem ferner auf die jüngsten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18; 14.03.2012, U 1836/11-13) zu verweisen, in welchen dieser ausführte: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde." Die diesbezüglichen Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall gegeben.

3.5.4. Im gegenständlichen Fall ergibt sich der Sachverhalt eindeutig aus der Aktenlage. Zudem liegt das Erkenntnis des Asylgerichtshof zum rechtskräftig negativen Asylverfahren vor. Sowohl vom BFA als auch vom Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer mit Parteiengehör gewährt. Der Beschwerdeführer hat dazu jeweils eine Stellungnahme abgegeben. Des Weiteren wurden aktuelle Auszüge aus dem ZMR, dem IRZ sowie dem Strafregister eingeholt und Recherchen bezüglich der tatsächlichen Beschäftigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet getätigt. In Ansehung der §§ 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG konnte daher eine mündliche Verhandlung im konkreten Fall entfallen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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