BVwG G307 2117161-1

BVwGG307 2117161-118.11.2015

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:G307.2117161.1.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, StA. Bulgarien, geb. am XXXX, vertreten durch RA XXXX in XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2015, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG idgF mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 29.12.2014 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol (im Folgenden: BFA) die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) auf, zur beabsichtigten Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unter gleichzeitigem Vorhalt zahlreicher Übertretungen nach dem Geschlechtskrankheiten-, Aids- und Meldegesetz Stellung zu nehmen.

Am 13.10.2015 forderte das BFA die BF abermals auf, zur in Aussicht genommenen Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen.

In Ihrem, dem BFA am 18.10.2015 übermittelten Schreiben hob die BF hervor, sie habe lediglich ein einziges Mal von der Vornahme einer Untersuchung Abstand genommen. Ferner habe sie sich zwischenzeitlich drei Wochen bei ihren Kindern und der Familie in Bulgarien aufgehalten. Nach ihrer Rückkehr habe sie sich sofort in Verwaltungsstrafhaft begeben und danach unverzüglich einen Untersuchungstermin wahrgenommen.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid, der BF am 29.10.2015 persönlich zugestellt, wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt.

3. Mit Schriftsatz vom 10.11.2015, eingebracht am 11.11.2015, erhob die BF durch ihren Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen, der Beschwerde Folge geben, den bekämpften Bescheid ersatzlos beheben, von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen und gegenständliches Verfahren einstellen. Im Zuge der Beschwerde wurden auch die von der BF wahrgenommenen Untersuchungstermine beim Stadtmagistrat Innsbruck vorgelegt.

4. Am 12.11.2015 erstattete die belangte Behörde zum Inhalt des Rechtsmittels eine Stellungnahme.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA am 12.11.2015 vorgelegt und sind am 16.11.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führt die im Spruch angeführte Identität, ist bulgarische Staatsbürgerin und in Shumen (Bulgarien) geboren.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF in Österreich über verwandtschaftliche oder sonstige familiäre Bindungen verfügt. Der Lebensmittelpunkt der BF liegt in Bulgarien.

1.3. Die BF ist arbeitsfähig und befand sich vom 05.12.2013 bis 01.04.2015 sowie seit 01.04.2015 in Österreich. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die BF an irgendwelchen Krankheiten leidet.

1.4. Die BF wurde in der Zeit zwischen XXXX und XXXX insgesamt 6 Mal rechtskräftig nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, 7 Mal nach dem Aids-Gesetz und 2 Mal nach dem Meldegesetz bestraft.

1.5. Die BF geht und ging in Österreich derzeit keiner legalen Beschäftigung nach.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, der Kenntnis und Verwendung der bulgarischen Sprache sowie dem Wissen um die geografischen Gegebenheiten Bulgariens.

Die BF legte zum Beweis ihrer Identität einen bulgarischen Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der bisherige Aufenthalt des BF in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Auszug aus dem ZMR.

Die Bestrafungen nach den in den Feststellungen angeführten Gesetzesmaterien sind dem Bescheid der belangten Behörde und dem Auszug aus den verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen der Landespolizeidirektion XXXX zu entnehmen.

Die persönlichen Verhältnisse der BF sind ihren eigenen Aussagen zu entnehmen. Die BF sprach in ihrer Stellungnahme an das BFA selbst davon, ihre Familie lebe in Bulgarien. In Ermangelung des Vorbringens familiärer oder sonstiger persönlicher Beziehungen zu in Österreich lebenden Personen konnten solche nicht festgestellt werden.

Dem vorliegenden Sachverhalt konnte nicht entnommen werden, ob die BF an irgendwelchen Krankheiten leidet oder arbeitsunfähig ist, zumal sie der unrechtmäßigen Prostitution nachgegangen ist.

Die derzeit fehlende legale Beschäftigung der BF ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Wenn es in der Beschwerde heißt, die BF habe sich laufend ärztlichen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz unterzogen, ist dies zwar richtig, doch lässt dieser Umstand selbstredend weder den Schluss zu, dass die BF frei von derartigen Krankheiten ist, noch dass ihr Verhalten keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliches Sicherheit darstelle, wie noch in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird.

Das Rechtsmittel ist seinem Inhalt nach der Bescheidbegründung auch nicht substantiiert entgegengetreten, insbesondere im Hinblick auf die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 07.05.2014, 2013/22/0233, 07.11.2012, 2012/18/0098, 16.06.208, 2007/18/0632 17.02.2006, 2005/18/0715 sowie 09.10.2001, 99/21/0125, welche sich ausführlich mit der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens befassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen dem Grunde nach abzuweisen, hinsichtlich der verhängten Dauer jedoch stattzugeben:

Die BF wurde unbestritten im Zeitraum zwischen 27.11.2014 und 10.09.2015 insgesamt 6 Mal nach dem Geschlechtskrankheiten-, 7 Mal nach dem Aids- und 2 Mal nach dem Meldegesetz bestraft. Hiebei fällt auf, dass die Ankündigung des BFA vom 29.12.2014, ihr gegenüber ein Aufenthaltsverbot erlassen zu wollen, die BF nicht davon abhalten konnte, weiterhin zahlreiche der erwähnten Übertretungen zu setzen.

Wie vom BFA in seinem Bescheid hervorgehoben und auch durch Vergleich mit den Untersuchungen beim Magistrat der Stadt XXXX ersichtlich, wurden alle Übertretungen nach dem Aids- und Geschlechtskrankheitengesetz zu Zeitpunkten gesetzt, an welchen die in § 3 der Prostitutionsverordnung vorgeschriebene einwöchige Untersuchungsfrist bereits überschritten war.

Das somit in der Beschwerde vorgebrachte Argument, die BF habe sich regelmäßig Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz unterzogen, befreit sie daher nur bedingt von ihrer diesbezüglichen Verpflichtung, weil sie die in der zitierten Verordnung vorgeschriebene wöchentliche Untersuchungsfrist zwischen 20.03.2014 und 03.09.2015 insgesamt 9 Mal überschritten hat. Unter Einbeziehung der zu erwartenden Erlassung eines Aufenthaltsverbotes stellt dieses Ausmaß an Nachlässigkeit im Sinne der VwGH-Rechtsprechung durchwegs eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf der Ebene des Gesundheitswesens dar, denke man nur an die gewichtigen negativen Konsequenzen im Falle einer Ansteckung mit Aids oder einer Geschlechtskrankheit.

Daran anknüpfend und wie vom BFA in seinem Bescheid festgehalten, wird die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens erheblich gefährdet und ein Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender Krankheiten verletzt, wenn aus dem Verhalten der Fremden abzuleiten ist, dass sie weiterhin die Prostitution ausüben werde, ohne ihrer Verpflichtung zu regelmäßigen amtsärztlichen Untersuchungen fristgerecht nachzukommen (VwGH 07.05.2014, 2013/22/0233, ua).

Das Verhalten der BF ist aber genau dem aus dem zitierten Erkenntnis des VwGH gezogenen Schluss zuzuordnen, hat sie doch - ohne Untersuchungsnachweis - immer wieder die Prostitution ausgeübt.

Auch der Umstand, dass dieses Erkenntnis erst in der jüngsten Vergangenheit erlassen wurde, zeigt die aktuelle Problematik dieses Themas auf.

Daran vermag auch der angebliche, zwischenzeitliche Aufenthalt der BF in ihrer Heimat nichts zu ändern, musste sie vor dem Hintergrund der Untersuchungspflicht zum Zeitpunkt der polizeilichen Kontrollen um das Erfordernis einen Untersuchungsnachweises wissen.

Schließlich wird auf die Stellungnahme der belangten Behörde vom 12.11.2015 verwiesen, worin festgehalten wird, dass die BF ihre gesetzwidrige Tätigkeit, trotz Verbüßung zweier Ersatzfreiheitsstrafen vom XXXX bis XXXX und vom XXXX bis XXXX fortgesetzt hat. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Ansicht an, weil aus diesen Handlungsweisen nicht auf eine Änderung der Verhaltensweisen der BF geschlossen werden kann.

3.2.3. Nichtsdestotrotz ist auch im Fall des BF eine Einzelfallbetrachtung iSd § 67 Abs. 1 FPG anzustellen, in deren Zuge auch ein Blick auf die Strafhöhe, die verletzten Rechtsgüter und auf die in Abs. 3 leg cit angeführten strafbaren Handlungen zu werfen ist, die die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots rechtfertigen (siehe u.a. VwGH vom 19.12.2012, Zl 2012/22/0215).

Gemessen an den von der BF begangenen Übertretungen und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen Österreichs erweist sich unter Beachtung eines angemessenen nach oben offen lassenden, die Berücksichtigung schwerer wiegender Rechtsverletzungen zulassenden, Rahmes in Bezug auf die Ausschöpfung der zulässigen Dauer, gegenständlich eine im Verhältnis stehende Reduktion des Aufenthaltsverbotes von 5 Jahren auf 1 Jahr als angebracht.

Vor diesem Hintergrund war die Dauer des Aufenthaltsverbotes zu reduzieren und auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in welcher der BF sein Wohlverhalten in aufrechter gerichtlicher Probezeit unter Beweis zu stellen wird haben.

3.2.4. Der mit "Ausreisepflicht und Durchsetzungsaufschub" betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:

(1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.

In Bezug auf den beantragten Durchsetzungsaufschub war diesem eine Absage zu erteilen. Da die BF - wie bereits mehrfach erwähnt - trotz drohender, nachteiliger rechtlicher Konsequenzen immer wieder die Prostitution ausgeübt hat, war ihr die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes zu versagen.

3.2.5. Was die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde betrifft, bestimmt § 18 Abs. 3 BFA-VG, dass bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden kann, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

In Anlehnung an die Ansicht des BFA ist eine Änderung des gesetzwidrigen Verhaltens aufgrund des konkreten Sachverhalts und der wirtschaftlichen Situation der BF nicht zu erwarten und davon auszugehen, dass sie beim Verbleib im Bundesgebiet weiterhin die gesetzlich verbotene Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle ausüben werde, ohne sich den vorgeschriebenen Untersuchungen zu unterziehen.

Aus diesem Grund war die sofortige Ausreise der BF geboten und die Beschwerde auch im Hinblick auf Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides abzuweisen.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und zudem die Anberaumung einer Verhandlung nicht beantragt wurde, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung und der Erforschung der materiellen Wahrheit entsprochen. Angesichts der umfangreichen Ermittlungsergebnisse, der im Akt enthaltenen Fakten zu den gesetzten Übertretungen und der Stellungnahme der BF wurde der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt. Ferner wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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