BFG RV/7101427/2013

BFGRV/7101427/201324.3.2014

Höhe des Betriebsausgabenpauschales eines technischen Projektleiters im Internetbereich

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.7101427.2013

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2014/13/0028. Mit Erk. v. 24.11.2016 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7106311/2016 erledigt.

Entscheidungstext

Hintere Zollamtsstraße 2b

1030 Wien

www.bfg.gv.at

DVR: 2108837

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache DI A B, A-Weg, 1XXX Wien gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, 1220 Wien, vom 04.04.2013 betreffend Einkommensteuer für die Jahrer 2011 und 2012, Steuernummer 12XXX/XXXX, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist g emäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) und spätere Beschwerdeführer (Bf) DI A B, wohnhaft 1XXX Wien, A-Weg, wird vom Finanzamt Wien 2/20/21/22 zur Steuernummer 12XXX/XXXX veranlagt. Er ermittelte in den Jahren 2011 und 2012 seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 iVm § 17 Abs. 1 EStG 1988.

In den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012, beide vom 4.4.2013, setzte das Finanzamt die Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz von 6 % an, während der Bf von einem Durchschnittssatz von 12 % ausging.

Das Finanzamt begründete dies damit, dass der Durchschnittssatz bei der Basispauschalierung 6 % der Nettoentgelte bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung betrage. Es hätten daher nur Euro 3.909,79 (2011) bzw. Euro 2.001,05 (2012) pauschale Ausgaben in Abzug gebracht werden können.

In seinen Berufungen (nunmehr: Beschwerden) gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 wendet sich der Bf gegen den Ansatz eines Durchschnittssatzes von 6 %. Seine damaligen Tätigkeiten seien weder als kaufmännische noch als technische Beratung anzusehen, das Pauschale von 12 % sei daher gerechtfertigt. Nach Darstellung seiner Tätigkeit verweist der Bf darauf, dass bei seiner Tätigkeit als Projektleiter die Erfassung der Ist-Zuständen Form der Erstellung und Pflege von Projektplänen im Vordergrund gestanden sei.

Mit Berufungsvorentscheidungen (nunmehr: Beschwerdevorentscheidungen) vom 2.5.2013 wies das Finanzamt die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 als unbegründet ab. Das Finanzamt begründete dies damit, dass nach der Judikatur unter Beratung allgemein der Teilung von fachlichen Ratschlägen zu verstehen sei (VwGH 10.11.1970, 115/69), deren Ziel das zur Verfügungstellen von Entscheidungshilfen sei (vgl. VwGH 19.10.1981, 3075/79). Eine Beratung ohne Erhebung der beim Auftraggeber vorliegenden Umstände (Voraussetzungen der Beratung) sei aber nur eingeschränkt denkbar, weshalb genau in dieser Tätigkeit eine kaufmännische/technische Beratung zu sehen sei. Die tatsächlichen Entscheidungen würden danach vom Auftraggeber getroffen, aber eben auf Grundlage der erstellten Projektpläne. Es sei daher nur das Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 6 % zulässig.

In seinen Vorlageanträgen vom 11.5.2013 wiederholt der Bf seine Ansicht, im Vordergrund seiner Tätigkeit sei keine Beratungsleistung gestanden. Für die enge Auslegung des Begriffes Beratung in Zusammenhang mit dem Betriebsausgabenpauschale spräche auch die Tatsache, dass selbst ein weiter Sichtweise als Berater anzusehende Steuerberater nach herrschender Verwaltungspraxis und Lehre (siehe Doralt, § 10 Tz 12) nach seinem typischen Berufsbild dem Durchschnittssatz von 12 % unterliegt. Ein beratender Effekt könne allenfalls als Nebenprodukt anfallen. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit sei die Erfassung der durchzuführen Arbeitspakete des Projektteams im Rahmen eines Rechenwerkes (Projektplan) gewesen. Wenn eine Tätigkeit über die reine Beratungstätigkeit hinausgehe, unterliege sie zur Gänze dem Betriebsausgabenpauschale von 12 %. In diesem Sinne sprächen sich Lehre und Verwaltungspraxis auch in Fällen aus, in den etwa Baupläne erstellt werden oder statistische Berechnungen durchgeführt werden, die als über eine Konsulententätigkeiten hinausgehen (siehe Doralt, § 17 Tz 11). Als der kaufmännischen und technischen Beratung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG 19 88 zuzuordnende Tätigkeiten kämen daher jene klassischen Tätigkeiten von Marktforschern, Betriebsberater, Rationalisierungsfachleuten, Beratung hinsichtlich Verfahrenstechnik usw. in Betracht (siehe Quantschnigg/Schuch, § 98 Tz 8.6; Hofstätter-Reichel, § 98 Tz 5; Doralt, § 98 Tz 55), die durch die Vermittlung von Kenntnissen der Entscheidung Grundlagen zur Lösung konkreter Probleme im Sinne einer Beratung ieS bereitstellen, wobei der Berater für den von ihm Beratenen die vor-und Nachteile mehrere Entscheidungsmöglichkeiten darzulegen habe. Der Bf habe bei seiner Tätigkeit keine vor-und Nachteile mehrere Einstellungsmöglichkeiten dargelegt, sondern die Erfassung der durchzuführenden Detailtätigkeiten durchgeführt. Das Ergebnis seiner Tätigkeit sei ein Projektplan, der den jeweiligen Ist-Zustand des Projektes dokumentierte, gewesen; dieser habe keine beraten Entscheidungsmöglichkeiten enthalten. Die Beratungstätigkeit träte seines Erachtens so stark in den Hintergrund, dass von Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG 1988 nicht mehr gesprochen werden könne.

Mit Bericht vom 6.6.2013 legte das Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Berufungen dem (damaligen) Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31.12.2013 beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1.1.2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Das Gericht geht aufgrund des vom Finanzamt nicht bestrittenen Vorbringens des Bf in seinen Beschwerden und in seinen Vorlageanträgen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Bf war als externer Dienstleister für die technische Projektleitung von Projekten im Internetbereich (Webseiten und Webportale) zuständig.

Die durchgeführten Tätigkeiten bestanden im Detail aus folgenden Aufgaben:

- Ermittlung der durchzuführenden Tätigkeiten der Entwickler und Designer durch Befragungen und Erfassung der Ergebnisse in Projektplänen.

- Überwachung der Tätigkeitsfortschritte des Teams um den jeweiligen Projektfortschritt zu ermitteln.

- Kalkulatorische Ermittlung der Teamauslastung und Verteilung der Mitarbeiter verschiedene Projekte. Die Entscheidung der tatsächlichen Verteilung wurde durch den Auftraggeber getroffen.

- Einberufung und Protokollierung von Projektsitzungen.

- Regelmäßige Statusmeetings (Telefonkonferenzen) mit dem Auftraggeber, in denen die Projektfortschritte durchgesprochen wurden. Die Entscheidung zu Projektpriorisierungen wurde vom Auftraggeber getroffen.

- Tägliche Statusmeetings mit dem Projektteam. Umpriorisierungen der Tätigkeiten wurden vom Team getroffen.

- Telefonkonferenz mit Internet Kunden (Entgegennahme von Anforderungen und Änderungswünschen), wobei technische Beratung und kaufmännische Beratung durch die jeweiligen Experten stattfand und die Aufgabe des Bw in der Protokollierung und Nachverfolgung bestand.

- Regelmäßiges Projektreporting über Status und Erfolg.

Mittelpunkt der Tätigkeit des Bw war die Erfassung der durchzuführenden Arbeitspakete des Projektteams im Rahmen eines Rechenwerks (Projektplan).

Gemäß § 17 Abs. 1 EStG 1988 können bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des §  22 EStG 1988 oder § 23 EStG 1988 die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden.

Der Durchschnittssatz beträgt bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z2 EStG 1988 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6 %, höchstens jedoch Euro 13.200, ansonsten 12 %, höchstens jedoch Euro 26.400 der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 BAO.

Das Betriebsausgabenpauschale von 6 % für kaufmännische oder technische Beratung betrifft Tätigkeiten, die nicht über die Beratung hinausgehen. Beispielsweise genannt werden Marktforscher, Unternehmensberater, Rationalisierungsfachleute oder Konsulenten (vgl. etwa Doralt, EStG, § 17 Tz 11; Jakom/Baldauf, EStG, § 17 Rz 13; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. EL § 17 Anm. 15).

Der Beratungsprozess bei Unternehmensberatern wird etwa von http://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmensberater wie folgt beschrieben:

„Der Beratungsprozess ist durch stets wiederkehrende Elemente gekennzeichnet. Einer Situationsanalyse (IST-Aufnahme) schließt sich die Zielformulierung (SOLL-Zustand) für das Beratungsprojekt an. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Kalkulation des voraussichtlichen Beratungsaufwands möglich. Es folgen die Konzeptentwicklung, die Konzeptpräsentationen, ggf. die Mithilfe (Coaching) bei der Umsetzung (Implementierung) sowie ein Maßnahmencontrolling (d.h. eine ständige Überprüfung, ob und inwieweit das gewünschte Ziel schon erreicht wurde).

Der Beratungsprozess erfordert eine Mithilfe des Kunden (bzw. Klienten). Somit stellt Unternehmensberatung eine Dienstleistung unter Einbezug des externen Faktors dar.“

Nach dem „Berufsbild Unternehmensberatung“ der Wirtschaftskammer (http://wko.at/ubit/ub/berufsbild_ub_09.pdf ) besteht die Leistung der Unternehmensberatung in der „Schaffung von Nutzen für Unternehmen, Betriebe und Organisationen; dies geschieht durch Beratung und Hilfestellung bei der Entwicklung des Unternehmens im wirtschaftlichen, kommunikativen, technischen, administrativen und sozialen Bereich. Ziele sind die Vermehrung und Wahrung von Chancen, die Aufarbeitung und Vermeidung von Risiken sowie die Hilfestellung bei der Umsetzung von Strategien und Maßnahmen.“ Zu den Beratungsfeldern gehört auch das Projektmanagement.

„II. Beratungsprozess, Methodik und soziale Kompetenz

Es ist zentrales Ziel der Unternehmensberatung, wirtschaftliche und soziale Veränderungen zum Nutzen des Klienten zu bewirken.

Die klare Absprache der Ziele, der gegenseitigen Erwartungen, sowie des Bedingungsrahmens sind vor Start notwendig. Während des Beratungsprozesses / Projektes ist eine sinnvolle Evaluierung angeraten.

Die Verbindung von Umsetzungsorientierung und Zielklarheit bewirkt die erfolgreiche Arbeit der

Unternehmensberatung zum Nutzen der Klienten.

Die Zielerreichung erfordert von Unternehmensberaterinnen und –beratern spezifisches Fachwissen, Methoden- sowie soziale Kompetenz. Um Veränderungen im Klientensystem zu bewirken, ist Veränderungskompetenz erforderlich.

A) Wesentliche Phasen – Methodik der Unternehmensberatung – im Beratungsprozess sind:

1. Informationsbeschaffung

2. Problemerkennung / Zielklärung

3. Diagnoseprozess

4. Empfehlung konkreter Maßnahmen

5. Intervention / Implementierung

B) Klientensystemorientierte Aufgaben sowie Veränderungskompetenz

6. Bewusstseinsbildung

7. Konsenserarbeitung unter Einbeziehung des Klientensystems

8. Förderung der Lernfähigkeit

9. Wirtschaftstraining und Schulung

10. Förderung der organisatorischen Effizienz

11. Erwirkung von Nutzen

1 bis 5 werden generell als die Aufgaben der Unternehmensberatung betrachtet.

6 bis 11 werden weniger häufig direkt als Einzelaufgabe nachgefragt, sondern gelten als Voraussetzung für die Erreichung der Hauptaufgaben.“

Der Bf beschreibt in seiner Beschwerde und in seinem Vorlageantrag typische Tätigkeiten im Rahmen des selbständigen Projektmanagements. Derartige Tätigkeiten sind vom Begriff der kaufmännischen oder technischen Beratung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG 1988 umfasst.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass derartige Tätigkeiten – ebenso wie die übrigen in § 17 Abs. 1 EStG 1988 Teilstrich 1 genannten – typischerweise geringere Betriebsausgaben nach sich ziehen als andere Tätigkeiten.

Der Bf zeigt in seiner Tätigkeitsbeschreibung nicht auf, dass mit den von ihm wahrgenommenen Aufgaben besonders hohe Aufwendungen verbunden wären. Die Tätigkeit setzte persönlichen Einsatz voraus; erforderliche Aufwendungen betreffen insbesondere Fahrt- und Reisekosten, Kosten für die eigene EDV und Telefonkosten. Damit entspricht die Kostenstruktur im Wesentlichen jener der § 17 Abs. 1 EStG 1988 Teilstrich 1 aufgezählten Berufe.

Da die angefochtenen Bescheide des Finanzamtes nicht mit Rechtswidrigkeit (Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet sind, ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Revision war gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG zuzulassen, da – soweit ersichtlich – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der kaufmännischen oder technischen Beratung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG 1988 nicht besteht.

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 17 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Betriebsausgabenpauschale, Projektleiter

Stichworte