BFG RV/7100310/2020

BFGRV/7100310/202014.5.2020

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten; Anwendung eines Progressionsvorbehalts

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100310.2020

 

Anmerkungen:
abweichend von Rz. 7592 EStR 2000

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Donau-City-Straße 7, 1220 Wien, über die Beschwerde vom 10. April 2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom 20. März 2019 betreffend Einkommensteuer 2014 und die Beschwerde vom 7. September 2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom 5. September 2018 betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht:

1. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Entsprechend dem Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 2018 betreffend Einkommensteuer 2014 beträgt das Einkommen im Jahr 2014 EUR 56.822,25, woraus sich für das Jahr 2014 eine Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung iHv EUR 7.156,00 ergibt.

2. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2015 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

 

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden "Bf.") ist eine slowakische Staatsbürgerin, die bei der slowakischen A a.s. tätig war. Sie war während des streitgegenständlichen Zeitraums ledig und hatte keine Kinder. Im Entsendungsvertrag vom 31. Juli 2013 vereinbarten die Bf. und ihre slowakische Arbeitgeberin für den Zeitraum vom 15. August 2013 bis zum 14. August 2015 eine Entsendung zur B AG nach Wien. Dieser Vertrag sah auch eine mögliche einvernehmliche Verlängerung der Entsendung vor ("This secondment […] may be extended by mutual agreement"). Mit Vertrag vom 10. Juli 2015 erfolgte eine Verlängerung der Entsendung bis zum 15. August 2016. Es erfolgten weitere Verlängerungen der befristeten Entsendung, bis schließlich eine weitere Konzerngesellschaft, die C S.p.A. (Zweigniederlassung Wien), mit der Bf. einen unbefristeten Dienstvertrag mit Wirkung ab 1. Dezember 2017 abschloss. Die Bf. hatte ab dem 19. August 2013 wechselnde Wohnsitze in Wien, welche laut ZMR als Nebenwohnsitze deklariert wurden, während sie ihren slowakischen Wohnsitz beibehielt. Nach Beginn des unbefristeten Dienstverhältnisses gab die Bf. ihren österreichischen Wohnsitz auf und pendelte von ihrem slowakischen Wohnsitz aus zu ihrer österreichischen Arbeitsstätte.

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2014 und 2015 machte die Bf. als Werbungskosten insbesondere solche für die doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten sowie Topfsonderausgaben geltend.

Am 20. Jänner 2016 erging ein Vorhalt der belangten Behörde betreffend das Jahr 2014, in welchem sie um folgende Ergänzungen ersuchte:

-) Mietvertrag der Wohnung am Familienwohnsitz in beglaubigter Übersetzung;

-) Meldezettel aller am Familienwohnsitz lebenden Personen;

-) Mietvertrag der Wohnung in Wien und Nachweis über deren Mietzahlungen;

-) bezüglich Familienheimfahrten: genaue Aufstellung der einzelnen Heimfahrten mit Angabe zu jeder Reise hinsichtlich Datum der Hin- u. Rückreise;

- bei Fahrten mit dem eigenen Kfz: Vorlage Fahrtenbuch, Tankbelege, Kopie Zulassungsschein;

- bei Fahrten mit Verkehrsmitteln: Vorlage sämtlicher Tickets.

In Beantwortung des Vorhalts übermittelte die Bf. der belangten Behörde eine Eigentumsbescheinigung der Wohnung in der Slowakei, Mietverträge der Wohnungen in Wien, Kontoauszüge als Nachweis über die Mietzahlungen im Jahr 2014 sowie Nachweise der Kosten für Fahrten in die Slowakei im selben Jahr.

Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 5. September 2018 fanden die von der Bf. geltend gemachten Werbungskosten in voller Höhe Berücksichtigung. Dieser Bescheid wurde jedoch gemäß § 295a BAO geändert und am 20. März 2019 der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 erlassen. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie für Familienheimfahrten vor dem Hintergrund nicht mehr anerkannt werden könnten, dass der befristete Dienstvertrag innerhalb von fünf Jahren in einen unbefristeten Dienstvertrag übergegangen sei, womit nicht mehr von einer vorübergehenden Beschäftigung gesprochen werden könne. Somit liege ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 295a BAO vor, sodass die Regelungen für Expatriates nicht anzuwenden seien. Dahingehend seien die Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten nur bis Februar 2014 heranzuziehen, da bei alleinstehenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von sechs Monaten für die Verlegung des Familienwohnsitzes im Sinne des § 16 EStG 1988 als ausreichend angesehen werde.

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde und wandte sich gegen die vorgenommenen Abänderungen. Sie sei zunächst von einer auf zwei Jahre befristeten Entsendung nach Österreich ausgegangen. Der erste Verlängerungsvertrag sei mit Juli 2015 datiert. Somit sei ihr nicht bewusst gewesen, dass die Entsendung verlängert werde, wodurch es nicht zumutbar gewesen sei, ihren slowakischen Wohnsitz aufzugeben. Auch zum Zeitpunkt der Einreichung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 sei ihre Entsendung bis zum 30. November 2016 befristet gewesen. Daher sei der Expatriate-Erlass (Rz 1038e der Lohnsteuerrichtlinien 2002) anzuwenden. Eine Änderung gemäß § 295a BAO sei unbegründet, da die Tatsache, dass sie mit 1. Dezember 2017 einen inländischen Dienstvertrag erhalten habe, keine Auswirkungen auf die ursprüngliche Beweiswürdigung anhand der tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Einreichung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 habe.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom 18. April 2019 als unbegründet ab. Bei der rechtlichen Beurteilung, ob jemand als Expatriate gelte, sei nicht auf die Sichtweise oder Absicht des jeweiligen Dienstnehmers abzustellen, sondern lediglich darauf, ob in dem vorerst befristeten Dienstvertrag die Option zur Verlängerung enthalten sei.

In Folge stellte die Bf. einen Vorlageantrag. Zur Begründung der belangten Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung entgegnete sie, dass es in Bezug auf Konzernentsendungen übliche Praxis sei, eine Option auf Verlängerung der Entsendung in den Entsendungsvertrag aufzunehmen, da zum Zeitpunkt der Ausgestaltung des Vertrages weder der Dienstgeber noch der Dienstnehmer das Arbeitsaufkommen im Gastland genau abschätzen könne. Die Option auf eine Verlängerung habe somit keinerlei Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Entsendung. Im konkreten Fall sei während der Entsendung, unter Anbetracht des tatsächlichen Arbeitsaufkommens, entschieden worden, dass eine Verlängerung der Entsendung nach Österreich notwendig sei. Auch bei der Unterzeichnung des Verlängerungsschreibens sei weder ihr noch deren Arbeitgeberin bewusst gewesen, dass weitere Verlängerungen notwendig sein würden bzw. die Entsendung in eine lokale Anstellung übergehen werde.

In ihrem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom 5. September 2018 berücksichtigte die belangte Behörde die von der Bf. als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für ihre inländische Wohnung sowie für Heimfahrten in die Slowakei. Zudem berücksichtigte sie die ausländischen Einkünfte der Bf. im Rahmen eines Progressionsvorbehalts.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde machte die Bf. geltend, dieser Betrag entsprechend dem Lohnzettel L8 sei nicht in der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz zu berücksichtigen, da die Bf. gemäß Art. 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Slowakei ansässig sei. Deshalb seien in Österreich nur die Einkünfte aus österreichischen Quellen zu besteuern. Einkünfte, die auf Arbeitstage in der Slowakei und Drittstaaten entfielen, seien der Besteuerung in der Slowakei zuzuordnen. Diese Einkünfte seien auf dem Lohnzettel L8 ausgewiesen und seien auch nicht zwecks Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

In ihrer Beschwerdevorentscheidung vom 19. September 2018 erhöhte die belangte Behörde den Betrag der Topfsonderausgaben geringfügig um EUR 2,37 und zog den in der Beschwerde angeführten Betrag nicht zwecks Berechnung des Durchschnittssteuersatzes heran.

Ungeachtet dessen erging am 12. Oktober 2018 ein Vorhalt der belangten Behörde zur Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015, in welchem sie um folgende Ergänzungen ersuchte:

-) detaillierte Aufstellung der beantragten Werbungskosten;

-) Mietvertrag der Wohnung am Familienwohnsitz sowie

-) Meldenachweis aller am Familienwohnsitz lebenden Personen;

-) Mietvertrag der Wohnung in Wien und Nachweis über deren Mietzahlungen;

-) Bezüglich Familienheimfahrten: genaue Aufstellung der einzelnen Heimfahrten mit Angabe zu jeder Reise hinsichtlich Datum der Hin- u. Rückreise;

- bei Fahrten mit dem eigenen Kfz: Vorlage Fahrtenbuch, Tankbelege, Kopie Zulassungsschein;

- bei Fahrten mit Verkehrsmitteln: Vorlage sämtlicher Tickets.

Nach mehreren Fristerstreckungsersuchen beantwortete die Bf. am 8. Jänner 2019 diesen Vorhalt. Sie übermittelte einen Grundbuchsauszug über die Eigentumswohnung in der Slowakei mitsamt beglaubigter Übersetzung, den Mietvertrag über die Wohnung, in der sie im Jahr 2015 in Wien wohnte, Nachweise über die Mietzahlungen im Jahr 2015 sowie Nachweise der Kosten für Fahrten in die Slowakei im selben Jahr. Sie gab an, dass keine weiteren Personen am slowakischen Wohnsitz lebten bzw. gemeldet seien. Darüber hinaus übermittelte die Bf. Entsendungsverträge und den Dienstvertrag für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2017.

In Folge hob die belangte Behörde am 20. März 2019 ihre Beschwerdevorentscheidung vom 19. September 2018 gemäß § 299 BAO auf und änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2015 mit der Beschwerdevorentscheidung desselben Tages zu Lasten der Bf. ab. Auf Grund der mehrmaligen Verlängerung ihres befristeten Dienstvertrages, welcher mit 1. Dezember 2017 in einen unbefristeten Dienstvertrag übergegangen sei, lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung der Familienheimfahrten und der doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 16 EStG 1988 nicht vor. Da der befristete Dienstvertrag innerhalb von fünf Jahren in einen unbefristeten Dienstvertrag übergegangen sei, könne nicht mehr von einer nur vorübergehenden Beschäftigung gesprochen werden. Somit seien die Regelungen für Expatriates nicht anzuwenden. Weiters seien die ausländischen Bezüge des Jahreslohnzettels anzusetzen, da die Bf. keine Ansässigkeitsbescheinigungen für die Jahre 2014 bis 2017 vorgelegt habe. Als Topf-Sonderausgaben würden EUR 60,00 berücksichtigt werden. Diese könnten nur zu einem Viertel angerechnet werden. Liege der Gesamtbetrag der Einkünfte bei über EUR 36.400,00, verringere sich der Betrag weiter bis maximal EUR 60,00 (§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988).

In Folge stellte die Bf. einen Vorlageantrag. Darin führte sie aus, dass die Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung sowie für Familienheimfahrten zu Unrecht nicht in der Berechnung der Einkommensteuer berücksichtigt würden. Die ausländischen Einkünfte gemäß Lohnzettel Art 8 für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2015 seien weder in der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Einkommensteuer noch unter Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Die Beurteilung der steuerlichen Ansässigkeit gemäß dem anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen sei durch die belangte Behörde nicht abkommenskonform vorgenommen worden. Anstatt der Topfsonderausgabenpauschale iHv von EUR 60,00 seien die angesetzten EUR 95,85 zu berücksichtigen. Daher beantrage die Bf. die entsprechenden Änderungen. Darüber hinaus führte sie begründend aus, dass ihre Familie und Freunde in der Slowakei verblieben seien. Für sie seien die jährlichen Verlängerungen der Entsendungen nicht absehbar gewesen. Den unbefristeten Dienstvertrag habe sie von einer anderen Konzerngesellschaft erhalten und mit der lokalen Anstellung habe sie eine neue Position eingenommen. Seitdem verfüge sie über keinen inländischen Wohnsitz mehr, sondern pendle täglich von ihrem slowakischen Wohnsitz aus. Während des streitgegenständlichen Zeitraums sei ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Slowakei verblieben. Demnach sei sie gemäß Art. 4 Abs. 2 des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens in der Slowakei ansässig gewesen. Demzufolge habe die Slowakei als Ansässigkeitsstaat das Recht, das weltweite Einkommen der Bf. zu versteuern. In Österreich seien jene Einkünfte zu versteuern, die auf die in Österreich ausgeübte Tätigkeit entfallen seien. Die Bf. habe im Jahr 2015 insgesamt 250 Arbeitstage gehabt, davon 245 Arbeitstage in Österreich. Der übermittelte Lohnzettel Art Li (KZ 245: EUR 59.932,74) spiegele diese in Österreich zu versteuernden Einkünfte wider. Der übermittelte Lohnzettel Art L8 (KZ 245: EUR 1.223,12) stelle die Einkünfte dar, die der in der Slowakei ausgeübten Tätigkeit zuzuordnen und in Österreich weder zwecks Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuerberechnung noch zwecks Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen seien. Auf Grund der slowakischen Ansässigkeit der Bf. stehe ihr die Absetzbarkeit der doppelten Haushaltsführungskosten sowie der Familienheimfahrten zu.

Als Anlagen übermittelte die Bf. Ansässigkeitsbescheinigungen der Jahre 2014 bis 2017, welche die slowakische Steuerverwaltung ausgestellt hatte.

Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Im Zuge des am 6. März 2020 durchgeführten Erörterungstermins, der ausschließlich das Jahr 2015 zum Gegenstand hatte, kamen beide Parteien überein, dass die Ansässigkeit der Bf. nach dem DBA-Slowakei durchgehend in der Slowakei gewesen sei. Zudem wurden als weitere Fragen diejenige der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr der Bf. zu ihrem slowakischen Wohnsitz sowie vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.7.2010, 2010/15/0021, diejenige der Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehalt im Falle einer Ansässigkeit der Bf. in der Slowakei diskutiert.

In Folge dieses Erörterungstermins erging am 6. April 2020 eine Stellungnahme der steuerlichen Vertretung der Bf. an das Bundesfinanzgericht betreffend das Jahr 2015. Zur Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr führte sie aus, dass in der höchstgerichtlichen Judikatur die Grenzziehung nicht rein anhand der Anzahl der Kilometer erfolge, sondern vor allem anhand der Fahrzeit, die sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls (benutzte Verkehrsmittel, Verkehrsaufkommen zu den Zeiten der erforderlichen Anreise und Abreise auf der konkreten Strecke, Möglichkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) ergebe. Auf Grund des erhöhten Verkehrsaufkommens zu den morgendlichen und abendlichen Pendlerstoßzeiten sei die Bf. auch auf die Bundesstraße ausgewichen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass auf Grund des Morgen- und Abendverkehrs in der Stadt und auf der Autobahn die Fahrzeit wesentlich mehr als eine Stunde betragen habe (bis zu zwei Stunden Fahrzeit pro Strecke). Der Umstand, dass es auf der Autobahn regelmäßig zu kilometerlangen Staus komme, sei aus den Medien hinreichend bekannt. Es komme noch hinzu, dass im Jahr 2015 auf Grund der Flüchtlingssituation die Grenzen stärker kontrolliert worden seien, wodurch es zu einer weiteren Verlängerung der Fahrzeit gekommen sei. Auch ein Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel habe nicht zu einer Verkürzung der Fahrzeit geführt. Bei Nutzung der Zugverbindungen und der innerstädtischen, öffentlichen Verkehrsmittel liege die Mindestfahrzeit grundsätzlich bei 120 Minuten, um vom slowakischen Wohnsitz die österreichische Arbeitsstätte zu erreichen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.7.2013, 2009/13/0132, sei die tägliche Zurücklegung einer Strecke von insgesamt etwa 262 km bei einem Zeitaufwand von jeweils insgesamt etwa 140 Minuten nicht mehr zumutbar. In diesem Erkenntnis beziehe sich der VwGH auf eine Fahrzeit von einer Stunde als Richtschnur für die Zumutbarkeitsprüfung. Da die Fahrzeit die Richtschnur von einer Stunde für die Zumutbarkeitsprüfung deutlich überschritten und vielmehr sogar bis zu zwei Stunden betragen habe, sei die doppelte Haushaltsführung zuzuerkennen.

Zur Frage der Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehalts im Falle einer Ansässigkeit der Bf. in der Slowakei wies die steuerliche Vertretung der Bf. darauf hin, dass der Sachverhalt, der dem Erkenntnis des VwGH vom 29.7.2010, 2010/15/0021, zu Grunde gelegen sei, von demjenigen der Beschwerdesache entscheidend abweiche. Während in der vom VwGH entschiedenen Rechtssache die steuerliche Ansässigkeit in Österreich gelegen sei, sei im gegebenen Sachverhalt Österreich lediglich der Quellenstaat. Gegenstand sei die Auslegung des DBA-Italien gewesen, welches die Anrechnungsmethode vorsehe, während im vorliegenden Fall eine Auslegung des DBA-Slowakei vorzunehmen sei, welches die Befreiungsmethode vorsehe. Im verhandelten Sachverhalt seien Einkünfte nach Art. 19 DBA-Italien vorgelegen, für die das DBA ausschließlich Italien das Besteuerungsrecht eingeräumt habe. Das DBA mit Italien sehe als älteres Abkommen mit Anrechnungsmethode noch keinen Progressionsvorbehalt in diesen Fällen vor. Da das DBA insofern auch die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts durch den Ansässigkeitsstaat nicht ausgeschlossen habe, sei aus Sicht des VwGH nach dem innerstaatlichen Steuerrecht zu beurteilen gewesen, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei. Das DBA-Slowakei sehe hingegen die Befreiungsmethode zur Entlastung von der Doppelbesteuerung vor. Der dem OECD-Musterabkommen nachgebildete Methodenartikel räume explizit nur dem Ansässigkeitsstaat einen Progressionsvorbehalt ein. Art 15 OECD-MA sei in Zusammenspiel mit dem Methodenartikel in Art 23A Abs 3 OECD-MA so auszulegen, dass ein Progressionsvorbehalt ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zukomme, weil er nur dem Ansässigkeitsstaat ausdrücklich eingeräumt werde. Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 29.7.2010 ergebe sich kein anderslautendes Verständnis, da diese Frage nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Das Erkenntnis sei in der Literatur durchaus kritisch gewürdigt worden (Beiser, Öffentliche Funktionen im Licht des DBA Italien in SWI 2020, 122; Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht I/1 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Rz 37-42), da die vom VwGH verwiesene BFH-Judikatur auf das österreichische Rechtssystem nicht umgelegt werden könne und das Erkenntnis insofern nicht nachvollziehbar begründet sei. Es könne nicht unterstellt werden, dass der Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts in den Methodenartikeln von Doppelbesteuerungsabkommen keine Bedeutung zukomme, zumal die Aufnahme des Progressionsvorbehalts in den Methodenartikel Art 23 B OECD-MA (Anrechnungsmethode) von der OECD in 1992 sehr wohl für bedeutsam erachtet worden sei. Die Interpretation widerspreche auch der Systematik der Progressionsbesteuerung im österreichischen Steuerrecht (§ 3 EStG 1988), das nach nationalem Steuerrecht befreite Einkünfte bei der Ermittlung des Progressionssteuersatzes eben nicht mitberücksichtige. Die Finanzverwaltung sehe die Auswirkungen des Erkenntnisses des VwGH vom 29.7.2010 eingeschränkt auf den entschiedenen Fall, also auf die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, die dem Ansässigkeitsstaat nicht ausdrücklich einen Progressionsvorbehalt einräumten (Rz 7592 EStR). Gerade weil diese erheblichen Folgewirkungen in anderen Bereichen wie unter anderem auch auf die Auslegung der internationalen Privilegienabkommen für internationale Organisationen im Rahmen einer fallbezogenen höchstrichterlichen Entscheidung nicht mitbedacht werden könnten und müssten, sei eine rechtsfortbildende Anwendung des Erkenntnisses des VwGH vom 29.7.2010 auf völlig anders gelagerte Sachverhalte in anderen Doppelbesteuerungsabkommen zu verneinen (Günther/Willvonseder, SWI-Jahrestagung: Befreiungsmethode im Zweifel mit Progressionsvorbehalt in SWI Heft-Nr 7/2011, 303). Auch Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes gäben zu bedenken, dass eine Abkehr von der bisherigen Auslegungspraxis einen derart tiefgreifenden Einschnitt darstellen würde, dass sie im Wege der Verordnung herbeigeführt werden müsste. Die Doppelbesteuerung, die dadurch bewirkt werde, dass Österreich entgegen dem bisherigen Abkommensverständnis für Zwecke der Progression auch Einkünfte mit einbeziehe, an denen Österreich auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens kein Besteuerungsrecht zukomme, sei nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge auch völkerrechtlich bedenklich (Dommes in Pensionen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 1. Aufl. 2012, IX.2.2.2. Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehalts). Es sei unstrittig, dass die Bf. in der Slowakei ansässig im Sinne des Artikel 4 DBA-Slowakei sei. Nach der österreichischen Verwaltungspraxis würden - wie das Bundesministerium für Finanzen zuletzt in der EAS-Auskunft EAS 2588 zum DBA-Slowakei ausgeführt habe - Doppelbesteuerungsabkommen, die im Methodenartikel dem Wortlaut des OECD-Musterabkommens folgten, auf österreichischer Seite nach wie vor so ausgelegt, dass Österreich als Zweitwohnsitzstaat keinen Progressionsvorbehalt geltend mache (ebenso EAS 1332 und EAS 2331). Entsprechend dem Ziel des DBA werde ein Progressionsvorbehalt ausdrücklich nur dem Ansässigkeitsstaat eingeräumt. Es entspreche auch dem innerstaatlichen Verständnis der Progressionsbesteuerung, Einkünfte, die der Besteuerung gänzlich entzogen seien, auch bei der Bestimmung des Tarifsteuersatzes nicht mitzubetrachten. Das Erkenntnis des VwGH vom 29.7.2010 sei auf Grund seiner unzureichenden Begründung und unzureichenden Abwägung der systematischen und völkerrechtlichen Auswirkungen in der Fachliteratur umstritten und werde zu Recht als Einzelfallentscheidung gewürdigt. Das Erkenntnis behandele zudem nur die Frage, inwieweit der Ansässigkeitsstaat einen Progressionsvorbehalt berücksichtigen könne, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen dazu keine Regelung enthalte. Zur Frage, ob der Quellenstaat einen Progressionsvorbehalt berücksichtigen könne, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen diesen ausschließlich nur dem Ansässigkeitsstaat einräume, habe der VwGH nicht Stellung genommen. Dieses Erkenntnis sei daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Ableitung von weiterführenden allgemeinen Grundsätzen der DBA-Auslegung aus einer umstrittenen, nicht nachvollziehbar begründeten Einzelfallentscheidung zu einem anders gelagerten Fall stünde in fundamentalem Widerspruch zu der Stellung, die die österreichische Rechtsordnung höchstgerichtlichen Erkenntnissen einräume. Eine völlige Umkehr der bisherigen Verwaltungspraxis bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen sei weder auf Grund des Erkenntnisses des VwGH vom 29.7.2010 noch auf Grund von Qualifikationskonflikten bei der Auslegung des DBA-Slowakei, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen würden, geboten. Im Sinne der Rechtssicherheit sei daher der Interpretation den Vorzug zu geben, die das österreichische Verständnis der DBA-Anwendung seit vielen Jahrzehnten präge und von der dementsprechend auch die DBA-Partnerstaaten und die Rechtsanwender hätten ausgehen dürfen. Dementsprechend könnten die ausländischen Einkünfte der Bf. in Österreich nicht im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.

Die belangte Behörde, der die Stellungnahme vom 6. April 2020 übermittelt wurde, stimmte in ihrer Stellungnahme vom 23. April 2020 den Ausführungen der steuerlichen Vertretung zur Frage der Anwendung eines Progressionsvorbehalts zu. Betreffend die Frage der Kosten für die doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten wies die belangte Behörde darauf hin, dass sich der Gesetzgeber zur Frage, wann eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht mehr zumutbar sei, nicht geäußert habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich jedoch schon einige Male mit der Frage der Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr im Zusammenhang mit der Absetzbarkeit von Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten auseinandergesetzt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 km bzw. 83 km, die überdies fast zur Gänze auf der Autobahn zurückgelegt werde, was einer Fahrzeit von maximal einer Stunde entspreche, jedenfalls zumutbar (VwGH 25.2.2003, 99/14/0340; VwGH 19.9.1995, 91/14/0227). Ebenso sei nach VwGH 15.9.2011, 2008/15/0239, eine Strecke von 71 km bzw. 73 km bei einer Fahrzeit von (verkehrsbedingt) einer Stunde (einschließlich Grenzwartezeiten) zumutbar. Ebenso habe der VwGH im Erkenntnis vom 15.09.2011, 2008/15/0239, die dazu ergangenen Erkenntnisse bestätigt: Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 19.9.1995, 91/14/0227, und vom 25.2.2003, 99/14/0340, ausgesprochen habe, sei die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 bzw. 83 Kilometern jedenfalls zumutbar. Auch in dem von der steuerlichen Vertretung in ihrer Stellungnahme zitierten Erkenntnis vom 31.07.2013, 2009/13/0132, habe der VwGH abermals Bezug auf das Erkenntnis vom 25.2.2003, 99/14/0340, genommen. Entgegen der Ansicht der steuerlichen Vertretung sei das Erkenntnis aus dem Jahr 2003 somit nicht durch das aktuellere Erkenntnis aus dem Jahr 2013 überholt, sondern nochmals bestätigt worden. In jenem Erkenntnis habe der VwGH die Ansicht vertreten, dass die tägliche Zurücklegung einer Strecke von insgesamt etwa 262 km bei einem Zeitaufwand von jeweils insgesamt etwa 140 Minuten nicht mehr zumutbar sei. Diese Distanz sei weitaus größer als die im gegenständlichen Beschwerdefall und könne daher nicht ohne Weiteres auf jenen angewendet werden. Zudem habe der VwGH auch einen Zusammenhang mit dem Begriff "Einzugsbereich" in § 34 Abs. 8 EStG 1988 geknüpft, wobei schon im Erkenntnis vom 27.1.1994, 92/15/0131, 0132, auf die Bestimmung im Studienförderungsgesetz 1983 verwiesen worden sei, nach der "eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel (…) jedenfalls nicht mehr als zumutbar anzusehen" sei (vgl. jetzt § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992). Die dazu in der Folge ergangene Verordnung sehe für Entfernungen über 80 km von einer Zumutbarkeitsprüfung ab und orientiere sich für Entfernungen bis zu 80 km am Maßstab einer Fahrzeit unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel von nicht mehr als einer Stunde für die Zurücklegung der Distanz (nur) zwischen den jeweiligen Gemeinden (§§ 1 und 2 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 i.d.F. BGBl. II Nr. 449/2001). Der Begriff "Einzugsbereich" stelle somit allerdings auf die Entfernung zwischen den jeweiligen Orten/Gemeinden ab. Diese Entfernung wäre im gegenständlichen Beschwerdefall jedenfalls geringer als 80 km. Einen Anhaltspunkt biete schließlich nach dem VwGH auch die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, die von einer Begrenzung der zumutbaren täglichen Wegzeit mit insgesamt nicht wesentlich mehr als zwei Stunden ausgehe. Die einfache Strecke betrage laut Google Maps bei der ersten Variante über die Autobahn und die Bundestraße 72 km mit einer Wegzeit von 1 Stunde und 9 Minuten und bei der zweiten Variante nur über die Autobahn 84,9 km bei einer Wegzeit von 1 Stunde und 6 Minuten. Somit sei die tägliche Wegzeit etwa 2 Stunden und 10 Minuten und könne daher nicht von einer zwei Stunden wesentlich übersteigenden Wegzeit gesprochen werden. Zudem sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unter "Fahrtstrecke" die kürzeste Strecke zu verstehen, die ein Arbeitnehmer für tägliche Fahrten vernünftigerweise wähle, wobei auch auf die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie auf die Vermeidung von Lärm und Abgasen im Wohngebiet Rücksicht zu nehmen sei. Überflüssige Umwege oder bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvarianten hätten dabei außer Betracht zu bleiben (VwGH 16.7.1996, 96/14/0002). Im Erkenntnis vom 15.09.2011, 2008/15/0239, habe der VwGH eine Wegzeit für die einfache Strecke von rd. 1 Stunde mit dem PKW bei einer Entfernung von 78 bzw. 83 km (hauptsächlich Autobahn) als für die tägliche Rückkehr "jedenfalls zumutbar" erachtet (respektive nochmals bestätigt). In diesem Erkenntnis halte der Verwaltungsgerichtshof zudem fest, dass keine Unzumutbarkeit vorliege, wenn zumindest im Regelfall eine Ruhezeit von mehr als acht Stunden eingehalten werden könne. Da die Bf. im Streitjahr Bankangestellte gewesen sei und deswegen durchaus von "Normaldienstzeiten" und keinem Schichtbetrieb, Nachtdiensten oä ausgegangen werden könne, sei ihr jedenfalls im Regelfall eine Ruhezeit von mehr als acht Stunden zur Verfügung gestanden. Da die Entfernungen und Wegzeiten im gegenständlichen Beschwerdefall nur im geringsten Maße von denen im zitierten Erkenntnis abwichen und diese im Erkenntnis als "jedenfalls" zumutbar beurteilt worden seien, könne dieses Erkenntnis nicht dahingehend interpretiert werden, dass (lt. Routenplaner) eine Fahrzeit von 1 Stunde und 6 Minuten und 72 km respektive 84,9 km plötzlich jedenfalls unzumutbar sei. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass die Strecke zudem nahezu ausschließlich auf der Autobahn bzw. Bundesstraße zurückzulegen sei und könne deswegen auch im Hinblick auf die Bequemlichkeit der Fahrtstrecke von einer Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr ausgegangen werden. Hingewiesen werde zusätzlich darauf, dass die Bf. später ihren österreichischen Wohnsitz trotz Beschäftigung in Österreich aufgegeben und somit ein tägliches Pendeln auf sich genommen habe. Auch diese Tatsache sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass die tägliche Rückkehr zum ausländischen Wohnsitz durchgehend zumutbar gewesen sei. Der Vollständigkeit halber sei noch auszuführen, dass auch unter Außerachtlassung der (Un-)Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr die Verlegung des Familienwohnsitzes auch im Hinblick auf die Entsendung zumutbar gewesen wäre. Im Erkenntnis vom 3.9.2018, RV/7102740/2018, habe das BFG ausgeführt:

"Diese ausschließliche Entscheidungsmacht des Dienstgebers und die Tatsache, dass die Verlängerung der Entsendung als eine personalpolitische Maßnahme ausschließlich von markt- und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen abhängt, reicht nicht aus, die Auslandsentsendung als nur vorübergehend anzusehen und die Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes zu verneinen. Im Entsendungsschreiben vom ... ist die Verlängerung der Entsendung der Bf nach Österreich als mögliche Option angeführt. Die Tatsache, dass diese Verlängerung nicht von vorneherein gewiss war, begründet nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nicht. Der Fortbestand privatrechtlicher Beschäftigungsverhältnisse ist nämlich regelmäßig mit einer Unsicherheit behaftet und insbesondere vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig (VwGH 26.05.2004, 2000/14/0207)." In diesem BFG-Fall sei folgender Sachverhalt vorgelegen: "Die Bf. wurde von ihrem russischen Arbeitgeber beginnend mit 1.5.2009 nach Österreich entsandt. Mit Schreiben vom 30.3.2009 wurden ihr die Bedingungen mitgeteilt, die auf diese Entsendung anwendbar sind. Die Dauer der Entsendung wurde mit ungefähr drei Jahren festgelegt und darauf hingewiesen, dass sie vor Ablauf dieser Frist über das Rückkehrdatum oder über eine mögliche weitere Entsendung informiert werde. Diese Entsendung wurde mit Schreiben vom 5.3.2012 bis ca. 31.5.2013 verlängert. Darin wurde festgelegt, dass das Ende der Entsendung von betrieblichen Erfordernissen und einer Entscheidung der Geschäftsleitung abhänge." Der damals vom BFG entschiedene Fall sei dem gegenständlichen Beschwerdefall sehr ähnlich, da auch im aktenkundigen Entsendungs- und Verlängerungsvertrag durchgehend die Option der Verlängerung normiert worden sei. Aus diesem Grund wäre für die Bf. auch die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich zumutbar gewesen.

 

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

 

1. Festgestellter Sachverhalt

 

Die Bf. ist eine slowakische Staatsbürgerin, die bei der slowakischen A a.s. tätig war. Sie war während des streitgegenständlichen Zeitraums ledig und hatte keine Kinder. Ihre Familie und ihre Freunde waren in der Slowakei. Sie war Eigentümerin einer von ihr selbst bewohnten Wohnung in der Slowakei. Im Entsendungsvertrag vom 31. Juli 2013 vereinbarten die Bf. und ihre slowakische Arbeitgeberin für den Zeitraum vom 15. August 2013 bis zum 14. August 2015 eine Entsendung zur B AG nach Wien. Dieser Vertrag sah auch eine mögliche einvernehmliche Verlängerung der Entsendung vor ("This secondment […] may be extended by mutual agreement"). Mit Vertrag vom 10. Juli 2015 erfolgte eine Verlängerung der Entsendung bis zum 15. August 2016. Es erfolgten weitere Verlängerungen der befristeten Entsendung, bis schließlich eine weitere Konzerngesellschaft, die C S.p.A. (Zweigniederlassung Wien), mit der Bf. einen unbefristeten Dienstvertrag mit Wirkung ab 1. Dezember 2017 abschloss. Die Bf. hatte ab dem 19. August 2013 wechselnde Wohnsitze in Wien, welche laut ZMR als Nebenwohnsitze deklariert wurden, während sie ihren slowakischen Wohnsitz beibehielt. Auch während des streitgegenständlichen Zeitraums hatte sie durchgehend einen Wohnsitz im Inland. Nach Abschluss des unbefristeten Dienstvertrags gab die Bf. ihren inländischen Wohnsitz auf und pendelte von ihrem slowakischen Wohnsitz aus zu ihrer österreichischen Arbeitsstätte. Die slowakische Steuerverwaltung stellte der Bf. für die Jahre 2014 bis 2017 Ansässigkeitsbescheinigungen aus.

Der erste Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 wurde am 5. September 2018 und sohin nach Abschluss sämtlicher Verlängerungen der Entsendung der Bf. und nach Abschluss des unbefristeten Dienstvertrags erlassen.

Im Jahr 2015 betrugen die steuerpflichtigen Bezüge der Bf. aus ihrer Tätigkeit im Inland EUR 59.932,74, während steuerpflichtige Bezüge iHv EUR 1.223,12 auf ihre Tätigkeit außerhalb Österreichs entfielen. Auf dieses Jahr entfielen von der Bf. geleistete freiwillige Versicherungsprämien iHv EUR 210,33, Kosten für die Wohnraumschaffung und -sanierung iHv EUR 256,28, für Heimfahrten in die Slowakei iHv EUR 1.757,95 (davon EUR 1.615,95 Kilometergeld und EUR 142,00 Zugkosten) sowie für die Miete ihrer Wohnung in Wien iHv EUR 13.108,32.

Im Jahr 2015 war der slowakische Wohnsitz der Bf. in Adresse1 und ihre inländische Arbeitsstätte in Adresse2. Die kürzeste Strecke zwischen diesen Orten beträgt etwa 74,3 km (über Autobahn1 und Bundesstraße2) und unter Ausnutzung sämtlicher Autobahnverbindungen (über Autobahn1 und Autobahn2) etwa 86,5 km. Die Fahrzeit zwischen dem slowakischen Wohnsitz der Bf. und der inländischen Arbeitsstätte betrug im Jahr 2015 mit einem Kraftfahrzeug zwischen einer Stunde und 4 Minuten und zwei Stunden und mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 2 Stunden und 2 Minuten.

 

2. Beweiswürdigung

 

Der festgestellte Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage wie insbesondere den von der Bf. vorlegten Nachweisen wie etwa Dienst- und Mietverträgen, Kontoauszügen, Tankrechnungen und Zugfahrkarten.

Die kürzeste Fahrzeit zwischen dem slowakischen Wohnsitz der Bf. und der inländischen Arbeitsstätte beträgt laut Routenplaner (Google Maps) bei üblicher Verkehrslage mit einem Kraftfahrzeug mindestens 1 Stunde und 4 Minuten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 2 Stunden und 2 Minuten. Diesbezüglich führte die Bf. ins Treffen, dass auf Grund des Morgen- und Abendverkehrs in der Stadt und auf der Autobahn die Fahrzeit wesentlich mehr als eine Stunde betragen habe (bis zu zwei Stunden Fahrzeit pro Strecke). Der Umstand, dass es auf der Autobahn regelmäßig zu kilometerlangen Staus komme, sei aus den Medien hinreichend bekannt. Es komme noch hinzu, dass im Jahr 2015 auf Grund der Flüchtlingssituation die Grenzen stärker kontrolliert worden seien, wodurch es zu einer weiteren Verlängerung der Fahrzeit gekommen sei. Auch ein Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel habe nicht zu einer Verkürzung der Fahrzeit geführt.

Die belangte Behörde orientierte sich in ihrer Stellungnahme an der Fahrzeit laut Routenplaner, ohne sich zu den Vorbringen der Bf. zu äußern.

Dass im Jahr 2015 auf Grund der Flüchtlingsströme an der Grenze zwischen Österreich und der Slowakei Kontrollen durchgeführt wurden, ist aus den Medien bekannt. Es erscheint plausibel, dass es dadurch in diesem Jahr zu längeren Fahrzeiten kam und somit die Fahrzeit laut Routenplaner bei üblicher Verkehrslage überschritten wurde. Daher ist dieser Umstand bei der Bestimmung der Fahrzeit mit zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund nimmt das Bundesfinanzgericht als erwiesen an, dass im Jahr 2015 die tatsächliche Fahrzeit zwischen dem slowakischen Wohnsitz der Bf. und ihrer inländischen Arbeitsstätte bis zu zwei Stunden betrug.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

3.1. Zu Spruchpunkt 1: Einkommensteuer 2014

 

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Ein derartiges Ereignis muss - damit ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann - nach Erlassung des Abgabenbescheids eintreten. Tritt ein solches Ereignis hingegen vor Bescheiderlassung ein, muss es bereits im Abgabenbescheid Berücksichtigung finden (VwGH 24.9.2014, 2010/13/0062).

Unabhängig davon, ob die mehrmaligen Verlängerungen der Entsendung der Bf. sowie der Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrags Ereignisse iSd § 295a BAO sind, kann diese Bestimmung schon alleine deshalb keine Anwendung finden, da diese von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstände bereits vor Erlassung des Einkommensteuerbescheids 2014 vom 5. September 2018 eingetreten sind. Daher war diese nicht berechtigt, diesen Bescheid gemäß § 295a BAO durch den angefochtenen Bescheid abzuändern. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.2. Zu Spruchpunkt 2: Einkommensteuer 2015

 

Art. 4 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, welches am 7. März 1978 unterzeichnet wurde, am 12. Februar 1979 in Kraft trat und im Verhältnis zur Slowakei Anwendung findet (im Folgenden "DBA-Slowakei"), besagt Folgendes:

 

"Artikel 4

Steuerlicher Wohnsitz

(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

b) Kann nicht bestimmt werden, zu welchem Vertragsstaat die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem der Vertragsstaaten, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines Vertragsstaates, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln."

 

Zur Anwendung eines Progressionsvorbehalts äußert sich Art. 23 Abs. 1 DBA-Slowakei wie folgt:

 

"Artikel 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

(1) Bei einer in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Die aus der Republik Österreich stammenden Einkünfte - mit Ausnahme der unter lit. b fallenden Einkünfte - und die in der Republik Österreich gelegenen Vermögenswerte, die nach diesem Abkommen in der Republik Österreich besteuert werden dürfen, sind in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik von der Besteuerung ausgenommen. Die Tschechoslowakische Sozialistische Republik darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

b) Bei der Festsetzung der tschechoslowakischen Steuern werden die aus der Republik Österreich stammenden Einkünfte, die nach den Artikeln 10, 12, 16 oder 17 in der Republik Österreich besteuert werden dürfen, in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Die in der Republik Österreich nach den Artikeln 10, 12, 16 und 17 gezahlte Steuer wird auf die von diesen Einkünften in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik erhobene Steuer angerechnet. Der anzurechnende Betrag darf aber den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf diese in der Republik Österreich steuerpflichtigen Einkünfte entfällt."

 

Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass die Bf. im Jahr 2015 sowohl im Inland als auch in der Slowakei einen Wohnsitz hatte. Somit war die Bf. nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Zu klären ist, in welchem Staat die Bf. nach Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Slowakei die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen und somit ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte.

Für die Beurteilung dieser Frage ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist. Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen. Eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit lässt den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. VwGH 17.10.2017, Ra 2016/15/0008, Rn. 14 bis 16).

Wie bereits festgestellt, war die Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum ledig und hatte keine Kinder. Ihre Freunde und ihre Familie waren in der Slowakei. Sie war Eigentümerin einer von ihr selbst bewohnten Wohnung in der Slowakei und begründete lediglich auf Grund mehrerer befristeter Dienstverhältnisse im Inland wechselnde Wohnsitze in Wien, bevor sie mit Wirkung ab 1. Dezember 2017 einen unbefristeten Dienstvertrag abschloss. Nach Abschluss des unbefristeten Dienstvertrags gab die Bf. ihren inländischen Wohnsitz auf und pendelte täglich von ihrem slowakischen Wohnsitz zu ihrer inländischen Arbeitsstätte. Sie legte für die Jahre 2014 bis 2017 Ansässigkeitsbescheinigungen der slowakischen Steuerverwaltung vor. Somit kann der Bf. nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Slowakei in der Slowakei ansässig gewesen zu sein. Ungeachtet dessen, dass auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen ist, steht aus Sicht des Bundesfinanzgerichts auch der Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrags mit Wirkung ab Dezember 2017 dieser Schlussfolgerung nicht entgegen. Einerseits führte die Bf. überzeugend ins Treffen, dass für sie im Jahr 2015 der Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrags mit einer anderen Konzerngesellschaft nicht absehbar gewesen sei. Andererseits spricht die Aufgabe eines inländischen Wohnsitzes nach Abschluss des unbefristeten Dienstvertrags gegen eine Verlagerung der Ansässigkeit der Bf. ins Inland. Somit findet auch auf den vorliegenden Fall die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Anwendung, wonach eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit nicht zu einer Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen führt, sofern die Wohnung im anderen Staat beibehalten wird. Im Ergebnis war die Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum in der Slowakei ansässig.

In Folge ist zu klären, ob ungeachtet dessen bei der Besteuerung der inländischen Einkünfte der Bf. in Österreich deren ausländische Einkünfte zwecks Anwendung eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind.

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. VwGH 29.7.2010, 2010/15/0021).

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt-)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl. ebenfalls VwGH 29.7.2010, 2010/15/0021, sowie 20.12.2016, Ro 2015/15/0010).

Art. 23 Abs. 1 DBA-Slowakei äußert sich nicht zur Frage, ob die Republik Österreich im Zuge der Besteuerung der aus ihr stammenden Einkünfte einen Progressionsvorbehalt anwenden darf. Dies geht auch nicht aus den Materialien zum Abkommen (ErläutRV 848 Blg 16. GP) hervor. Für die Auslegung des Abkommens ist nach Art. 31 Abs. 3 lit. b der Wiener Vertragsrechtskonvention, BGBl. Nr. 40/1980, jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, zu berücksichtigen. Diese findet in den Kommentaren zum OECD-Musterabkommen, dessen Bestimmungen Grundlage für die von Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen sind, ihren Niederschlag (vgl. auch Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht I/1 Anhang Vorbemerkungen der Herausgeber; Stand 30.9.2019).

Art. 23A Abs. 3 des OECD-Musterabkommens 1977 sowie des OECD-Musterabkommens 2017, welcher im Wesentlichen Art. 23 Abs. 1 lit. a DBA-Slowakei entspricht, besagt Folgendes:

"Where in accordance with any provision of the Convention income derived or capital owned by a resident of a Contracting State is exempt from tax in that State, such State may nevertheless, in calculating the amount of tax on the remaining income or capital of such resident, take into account the exempted income or capital."

Die Kommentare zu dieser Bestimmung des OECD-Musterabkommens besagen ausdrücklich, dass diese Bestimmung die Anwendung des Progressionsvorbehalts durch den Staat, aus dem die Einkünfte stammen, nicht ausschließt ("Paragraph 3 of Article 23A relates only to the State of residence. The form of the Article does not prejudice the application by the State of source of the provisions of its domestic laws concerning the progression."; vgl. etwa Rn. 56 des Kommentars zu Art. 23A/23B OECD-Musterabkommen 1977 sowie zu Art. 23A/23B OECD-Musterabkommen 2017; siehe auch Wassermeyer/Kaeser/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung3 Art. 23A MA Rz 122). Sowohl Art. 23A Abs. 3 des OECD-Musterabkommens als auch die einschlägigen Ausführungen in Rn. 56 des Kommentars sind seit dem OECD-Musterabkommen 1977 unverändert geblieben.

Daraus ergibt sich, dass die ausländischen Einkünfte der Bf. in Österreich zwecks Anwendung eines Progressionsvorbehalts ungeachtet ihrer Ansässigkeit in der Slowakei iSd Art. 4 Abs. 2 DBA-Slowakei zu berücksichtigen sind.

Dem gegenüber brachte die steuerliche Vertretung der Bf. vor, es könne nicht unterstellt werden, dass der Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts in den Methodenartikeln von Doppelbesteuerungsabkommen keine Bedeutung zukomme, zumal die Aufnahme des Progressionsvorbehaltes in den Methodenartikel Art 23 B OECD-MA (Anrechnungsmethode) von der OECD in 1992 sehr wohl für bedeutsam erachtet worden sei. Wie sich jedoch aus den genannten Kommentaren zu den OECD-Musterabkommen ergibt, bedeutet das Schweigen der OECD-Musterabkommen zur Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehalts durch den Quellenstaat nicht, dass ein solcher im nationalen Recht des Quellenstaates nicht vorgesehen werden kann.

Die steuerliche Vertretung der Bf. führte zudem ins Treffen, dass der Sachverhalt, der dem Erkenntnis des VwGH vom 29.7.2010, 2010/15/0021, zu Grunde gelegen sei, entscheidend vom Sachverhalt der gegenständlichen Beschwerdesache abweiche. Während in der vom VwGH entschiedenen Rechtssache die steuerliche Ansässigkeit in Österreich gelegen sei, sei im gegebenen Sachverhalt Österreich lediglich der Quellenstaat. Dem ist beizupflichten. Allerdings geht aus den Ausführungen dieses Erkenntnisses nicht hervor, dass der nach innerstaatlichem Recht auf unbeschränkt Steuerpflichtige anzuwendende Progressionsvorbehalt ausschließlich dann maßgeblich sein soll, wenn eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person auch nach einem anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen im Inland ansässig ist. Wie bereits erwähnt, bleibt es dem Quellenstaat nach Rn. 56 des Kommentars zu Art. 23A/23B OECD-Musterabkommen unbenommen, in seinem innerstaatlichen Recht einen Progressionsvorbehalt vorzusehen. Daher wird es ebenso wenig als maßgeblich betrachtet, dass das DBA mit Italien sich nicht zur Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehalts äußert, während das hier anzuwendende DBA mit der Slowakei bei der Befreiungsmethode ausdrücklich die Anwendung eines Progressionsvorbehalts durch den Ansässigkeitsstaat vorsieht.

Auch brachte die steuerliche Vertretung der Bf. vor, dass die Anwendung eines Progressionsvorbehalts auf unbeschränkt Steuerpflichtige auch der Systematik der Progressionsbesteuerung im österreichischen Steuerrecht (§ 3 EStG 1988) widerspreche, das nach nationalem Steuerrecht befreite Einkünfte bei der Ermittlung des Progressionssteuersatzes nicht mitberücksichtige. In § 3 EStG 1988 ist ausdrücklich geregelt, in welchen Fällen ein Progressionsvorbehalt Anwendung zu finden hat und in welchen nicht. Aus der Formulierung der entsprechenden Bestimmungen kann nicht auf die (Nicht-)Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehaltes bei Befreiungen, die nicht von § 3 EStG 1988 umfasst sind, geschlossen werden. Was die von der steuerlichen Vertretung ins Treffen geführten Folgewirkungen insbesondere auf die Auslegung internationaler Privilegienabkommen betrifft, obliegt es dem Bundesfinanzgericht im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerdesache weder, sich zu deren Auslegung zu äußern, noch, Überlegungen in Bezug auf allenfalls erforderliche legistische Maßnahmen in Bezug auf solche Abkommen anzustellen. Ergänzend wird in Bezug auf die angeführte Rz 7592 der Einkommensteuerrichtlinien sowie die EAS 2588, 1332 und 2331 des Bundesministeriums für Finanzen darauf hingewiesen, dass diese für das Bundesfinanzgericht nicht bindend sind.

Daher wird ungeachtet der Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Bf. die Schlussfolgerung gezogen, dass bei der Ermittlung der Steuer auf das inländische Einkommen der Bf. deren ausländische Einkünfte zwecks Anwendung eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind, wenngleich die Bf. im Jahr 2015 nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Slowakei in der Slowakei ansässig war. Somit wird im Ergebnis dem angefochtenen Bescheid gefolgt.

Strittig ist zudem, ob die Miete der Bf. für ihre Wohnung in Wien iHv EUR 13.108,32 sowie die Kosten der Bf. für Heimfahrten in die Slowakei iHv EUR 1.757,95 als Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung sowie für Familienheimfahrten zu berücksichtigen sind.

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, ist nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum derartige Aufwendungen dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass diese so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa VwGH 24.11.2011, 2008/15/0296); die Unzumutbarkeit ist aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen (VwGH 19.12.2013, 2010/15/0124).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Wohnsitzverlegung auch einem alleinstehenden Steuerpflichtigen unzumutbar ist, wenn der Verbleib am Tätigkeitsort nur von nach den Umständen gemessen kurzer Dauer sein wird, weil das Beschäftigungsverhältnis zeitlich befristet und nach den Umständen des Einzelfalls von einer Rückkehr an den Hauptwohnsitz auszugehen ist (vgl. ebenfalls etwa VwGH 24.11.2011, 2008/15/0296).

Die belangte Behörde führte gegen die Anerkennung der Miete für die inländische Wohnung der Bf. als Werbungskosten ins Treffen, dass deren befristeter Dienstvertrag mehrmals verlängert und mit 1. Dezember 2017 in einen unbefristeten Dienstvertrag übergegangen sei. Da der befristete Dienstvertrag innerhalb von fünf Jahren in einen unbefristeten Dienstvertrag übergegangen sei, könne nicht mehr von einer nur vorübergehenden Beschäftigung der Bf. im Inland gesprochen werden. Zudem führte die belangte Behörde zur Untermauerung ihres Standpunktes das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3.9.2018, RV/7102740/2018, ins Treffen, welches sich seinerseits auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.5.2004, 2000/14/0207, stützt. In diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes begründete der Bf. die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung im Wesentlichen damit, dass Vorstandsmitglieder nach § 75 Abs. 1 AktG auf höchstens fünf Jahre bestellt werden könnten. Es liege eine nur vorübergehende Beschäftigung vor - ein Umstand, der den Verwaltungsgerichtshof in näher angeführten Erkenntnissen dazu bewogen habe, die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung zu bejahen. Laut diesem Erkenntnis zeigte der Bf. jedoch nicht auf, dass dessen Beschäftigung am Konzernstandort in Wien ursprünglich nur auf eine Funktionsperiode von fünf Jahren ausgerichtet gewesen war.

Wie bereits ausgeführt, ist die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen. Im Jahr 2015 hatte die Bf. ein bis zum 14. August 2015 befristetes Dienstverhältnis, welches am 10. Juli desselben Jahres bis zum 15. August 2016 verlängert wurde. Für die Bf. war im Jahr 2015 der Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrags mit einer anderen Konzerngesellschaft mit Wirkung ab 1. Dezember 2017 nicht absehbar. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.5.2004, 2000/14/0207, auf das sich die belangte Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom 3.9.2018, RV/7102740/2018, stützte, führte der dortige Bf. lediglich die Gesetzesbestimmung des § 75 Abs. 1 AktG ins Treffen, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine zeitliche Befristung seiner Beschäftigung erkennbar gewesen wären, während in der vorliegenden Beschwerdesache im Jahr 2015 tatsächlich lediglich befristete Verträge vorlagen, ohne dass der Abschluss eines unbefristeten Vertrages mit einer anderen Konzerngesellschaft absehbar gewesen wäre. Aus alldem wird geschlossen, dass der Bf. aus Sicht des Jahres 2015 die Wohnsitzverlegung nicht zumutbar war und auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.5.2004 dieser Schlussfolgerung nicht entgegensteht.

Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass im Jahr 2015 die tatsächliche Fahrzeit zwischen dem slowakischen Wohnsitz der Bf. und deren inländischer Arbeitsstätte auf Grund der im Zuge der Flüchtlingsströme durchgeführten Grenzkontrollen bis zu zwei Stunden betrug. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 31.7.2013, 2009/13/0132, sowie die dort zitierten weiteren Erkenntnisse) ergibt sich daraus, dass der Bf. im Jahr 2015 die tägliche Rückkehr zu diesem Wohnsitz nicht zumutbar war (vgl. auch VwGH 19.9.1995, 91/14/0227, 25.2.2003, 99/14/0340, und 15.9.2011, 2008/15/0239). In Folge sind auch die von der Bf. geltend gemachten Aufwendungen für ihre inländische Wohnung sowie für ihre Heimfahrten in die Slowakei als Werbungskosten anzuerkennen. Diese wurden bereits im angefochtenen Bescheid berücksichtigt.

Auf Grund eines Berechnungsfehlers im angefochtenen Bescheid (es sind EUR 95,85 anstatt - wie im angefochtenen Bescheid - EUR 93,48 als Sonderausgaben anzusetzen), war spruchgemäß zu entscheiden und die Einkommensteuer für das Jahr 2015 neu zu berechnen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt 3: Zulässigkeit einer Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde. Da zur Frage, ob ausländische Einkünfte einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen und nach Art. 4 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Slowakei ansässigen natürlichen Person im Inland steuerlich zwecks Anwendung eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, wird die Revision zugelassen.

 

Wien, am 14. Mai 2020

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
DBA SK (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Slowakische Republik (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 34/1979
§ 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 31 Abs. 3 lit. b Wiener Vertragsrechtskonvention, BGBl. Nr. 40/1980

Verweise:

VwGH 24.09.2014, 2010/13/0062
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