Voraussetzungen für das Vorliegen einer Pflegeelternschaft
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.5101639.2014
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, gegen den Bescheid des Finanzamt Linz vom 18.7.2013 zu VNR, mit dem der Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für das Kind K, geb. XX.X.1998, ab August 2011 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben. Dem Beschwerdeführer stehen für den Zeitraum August 2011 bis Dezember 2012 folgende Differenzbeträge an Familienbeihilfe (FB) zuzüglich Kinderabsetzbeträgen (KG) in Höhe von insgesamt 3.418,10 € zu:
Zeitraum | FB | KG | Summe |
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08/2011 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
09/2011 | 230,90 | 58,40 | 289,30 |
10/2011 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
11/2011 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
12/2011 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
01/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
02/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
03/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
04/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
05/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
06/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
07/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
08/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
09/2012 | 230,90 | 58,40 | 289,30 |
10/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
11/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
12/2012 | 130,90 | 58,40 | 189,30 |
Summe |
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| 3.418,10 |
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer beantragte mittels einem am 20.3.2013 beim Finanzamt Linz eingelangten Formblatt Beih 38 die Gewährung einer Differenzzahlung. In diesem Antrag gab er an, dass er tschechischer Staatsbürger und seit 1.8.2011 bei der Fa. O-GmbH , beschäftigt sei. Als gemeinsamen Wohnort führte der Beschwerdeführer die im Spruch angeführte Adresse in der tschechischen Republik an.
Als Partnerin bzw. Lebensgefährtin, von der welcher der Beschwerdeführer nicht dauernd getrennt lebe, wird in diesem Formblatt NT , geb. XX.XX.1979, tschechische Staatsbürgerin, genannt. Diese gab auf dem Formblatt eine Verzichtserklärung im Sinne des "§ 2a Abs. 1 FLAG iVm 4 Abs. 2 FLAG" ab.
Die Differenzzahlung wurde ausdrücklich für den Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 für das Kind , geb. XX.XX.1998 (Tochter der NT ), beantragt. Diese sei Schülerin an einer näher bezeichneten Grundschulde in Tschechien und lebe am oben angeführten gemeinsamen Wohnort. Der Beschwerdeführer finanziere monatlich die überwiegenden Kosten (für den Unterhalt des Kindes).
In dem von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen findet sich eine Familienstandsbescheinigung (E 401). Von der zuständigen tschechischen Behörde wurde der Familienname der Kindesmutter NT geändert in H (ursprünglicher Familienname, den die Kindesmutter nach ihrer Scheidung vom Kindesvater KV wieder angenommen hat). Als Wohnanschrift der Kindesmutter war im Formblatt die Wohnadresse des Beschwerdeführers angegeben gewesen; diese wurde von der tschechischen Behörde handschriftlich geändert in " C ". Diese Wohnadresse der Kindesmutter findet sich auch auf der im Akt erliegenden Geburtsurkunde des Kindes, die allerdings vom XX.XX.1998 datiert.
Ferner erliegt in den vorgelegten Aktenteilen eine Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen an den Wohnmitgliedsstaat (E 411). Der zuständige Träger der tschechischen Republik bestätigte darin am 14.1.2013, dass die Kindesmutter für das Kind K für den angefragten Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat. Trotzdem wurde der Punkt 7 des Formblattes vom tschechischen Träger handschriftlich ergänzt und darin eine der Kindesmutter für das Kind zustehende Familienleistung von 610 CZK (rund 22 €) ausgewiesen.
Schließlich findet sich im Akt eine Heiratsurkunde, derzufolge die Kindesmutter am XX.XX.2002 denKindesvater geheiratet und dessen Familiennamen angenommen hatte, diese Ehe aber durch Urteil des Bezirksgerichtes in L vom XX.XX.2012 wieder geschieden wurde. Das Urteil ist am 17.12.2012 rechtskräftig geworden. Die geschiedene Ehegattin (Kindesmutter) hat wieder den FamiliennamenH angenommen.
In einem Vorhalt vom 23.5.2013 forderte das Finanzamt Linz den Beschwerdeführer auf, eine Geburtsurkunde für das Kind K vorzuelgen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass laut Formblatt E 401 kein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter und dem Kind bestehe. Es möge der Beschluss vorgelegt werden, in dem die Unterhaltsverpflichtung für das Kind geregelt sei. Ferner sei ein Nachweis der vom Beschwerdeführer ab August 2011 erbrachten Unterhaltsleistungen zu erbringen. Es möge angegeben werden, wo die Kindesmutter beschäftigt sei. Der Beschwerdeführer möge angeben, ob er bei der Fa. O als Kraftfahrer beschäftigt sei. Dazu möge eine Bestätigung des Arbeitgebers vorgelegt werden, aus der ersichtlich sei, welche Länder zu wieviel Prozent angefahren würden. Der Beschwerdeführer möge angeben, warum er bzw. die Kindesmutter in Tschechien keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hätten. Es sei in Tschechien ein solcher Antrag für dasKind zu stellen. Der Bescheid sei (in deutscher Übersetzung) vorzulegen.
Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer am 16.7.2013 nach, indem er den Vorhalt ergänzt um eine Reihe von Unterlagen retournierte. Diese Vorhaltsbeantwortung wurde allerdings am 16.7.2013 in den Postkasten des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4240 Freistadt eingeworfen. Im Einzelnen wurden vorgelegt:
1) Ehrenerklärung des Beschwerdeführers, dass er mit der Kindesmutter als seiner Lebensgefährtin und deren (als seine Stieftochter bezeichnetem) Kind an seiner Wohnanschrift in einer Haushaltsgemeinschaft lebe.
2) Geburtsurkunde des Kindes (auch in deutscher Übersetzung)
3) Auszug aus dem Urteil des Bezirksgerichtes in L vom 27.6.2011, demzufolge das Obsorgerecht für das Kind der Kindesmutter zugesprochen und der Kindesvater verpflichtet wurde, rückwirkend ab 1.2.2011 zum Unterhalt des Kindes mit monatlich 1.500,00 CKR beizutragen.
4) Kopierte Belege über diese vom Kindesvater teilweise geleisteten Unterhaltszahlungen
5) Bestätigung des Arbeitgebers des Beschwerdeführers, dass er bei diesem seit 1.8.2011 als Kraftfahrer beschäftigt ist. Die durchgeführten Fahrten fänden zu 95 % in Österreich und zu 5 % in Deutschland statt. Das Dienstverhältnis sei unbefristet und aufrecht ("ungekündigt").
6) Arbeitsbescheinigung der Fa. JC , derzufolge die Kindesmutter bei diesem Unternehmen in Tschechien seit 2.5.2002 beschäftigt ist.
7) Bescheid des Arbeitsamtes der Tschechischen Republik, Kreisniederlassung in U vom 2.7.2013, adressiert an die Kindesmutter, demzufolge der Antrag vom 26.6.2013 auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind K ab 26.3.2013 abgewiesen werde. Das durchschnittliche Familieneinkommen der gemeinsam beurteilten Personen (Beschwerdeführer, Kindesmutter und Kind) habe im Jahr 2011 insgesamt 60.124,58 CKR betragen (Beschwerdeführer 37.213,83 CKR, Kindesmutter 21.535,75 CKR, Kind 1.375,00 CKR). Das Existenzminimum für die Familie habe 8.110,00 CKR betragen. Dieses ergebe multipliziert mit dem gesetzlichen Beiwert von 2,40 einen Betrag von 19.464,00 CKR. Da das Familieneinkommen diesen Betrag übersteige, bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung der Kinderbeihilfe.
Da das Finanzamt Linz von dieser Vorhaltsbeantwortung zunächst keine Kenntnis erlangt hatte, wies es mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 18.7.2013 den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.3.2013 "ab Aug. 2011" mit der Begründung ab, dass trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt worden wären.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung vom 1.8.2013. Auch diese wurde am 9.8.2013 in den Postkasten des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4240 Freistadt eingeworfen und langte am 12.8.2013 und damit rechtzeitig beim zuständigen Finanzamt Linz ein. In der Begründung wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er die abverlangten Unterlagen am 16.7.2013 beim Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr eingereicht habe und damit seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei.
Nachdem das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr dem Finanzamt Linz die Stellungnahme des Beschwerdeführers übermittelt hatte, forderte das Finanzamt Linz den Beschwerdeführer mit weiterem Vorhalt vom 4.9.2013 auf, folgende Unterlagen vorzulegen: eine Aufstellung der Kindesmutter über die monatlichen Ausgaben für das Kind; eine lückenlose Aufstellung über die Unterhaltszahlungen ab August 2011; einen Abweisungsbescheid der tschechischen Behörde bezüglich Familienbeihilfe für 2012 (vorgelegt worden sei 2011); eine Heiratsurkunde der Kindesmutter, sofern diese wieder verheiratet sein sollte. Laut vorliegendem Formular E 411 seien im Zeitraum August 2011 bis Dezember 2012 610,00 Kronen ausbezahlt worden. Um Klärung der widersprüchlichen Angaben werde ersucht.
Der Beschwerdeführer nahm zu diesem Vorhalt mit Eingabe vom 23.9.2013, eingelangt am 4.10.2013, wie folgt Stellung:
1) Die monatlichen Ausgaben für das Kind wurden detailliert dargestellt und mit insgesamt 5.500,00 CKR (rund 200,00 €) beziffert.
2) Der Kindesvater leiste die gesetzlichen Alimente nur sproadisch und unregelmäßig (2 x im Jahr 2011, 2 x im Jahr 2012 und 8 x im Jahr 2013). Entsprechende Belege wurden angeschlossen.
3) Vorgelegt wurde eine Bestätigung des für die Gewährung des tschechischen Kindergeldes zuständigen Arbeitsamtes vom 20.9.2013, derzufolge für das Kind K im Jahr 2012 keine Leistungen der Staatssozialhilfe und damit auch keine Familienbeihilfe gewährt wurde. Der Beschwerdeführer ergänzte dazu, dass der Antrag auf tschechische Familienbeihilfe für 2012 erst im Oktober 2013 gestellt werden könne. Die beigelegte Bestätigung sei die einzige, welche die tschechische Behörde derzeit ausstellen könne.
4) Neuerlich vorgelegt wurde die bereits aktenkundige Heiratsurkunde der Kindesmutter mit dem Kindesvater, von dem sie rechtskräftig geschieden ist.
5) Schließlich wurde eine Bestätigung des tschechischen Arbeitsamtes vom 25.9.2013 vorgelegt, dass im Zeitraum August 2011 bis Dezember 2012 weder an den Beschwerdeführer, noch an die Kindesmutter und auch nicht an das Kind Leistungen der Staatssozialhilfe ausbezahlt wurden. In diesem Zeitraum sei kein Antrag auf diese Leistungen gestellt worden. Der im Formular E 411 angeführte Betrag von 610,00 CKR gebe lediglich die Leistungshöhe an, die ausbezahlt werden könnte in dem Falle, dass ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre und gleichzeitig weitere gesetzliche Bestimmungen für die Zuerkennung der Leistung erfüllt wären.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 7.11.2013 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, dass unter Kindern im Sinne des FLAG die Nachkommen einer Person, deren Wahlkinder, deren Stiefkinder und deren Pflegekinder im Sinne der §§ 186 und 186a ABGB zu verstehen seien. Nach den aktenkundigen Unterlagen, insbesondere den Bestätigungen E 401 und E 411 würden der Beschwerdeführer, die Kindesmutter und das Kind in keinem gemeinsamen Haushalt wohnen. Der Kindesvater sei in Tschechien als Automechaniker beschäftigt und leiste Unterhalt für das Kind. Der Beschwerdeführer beantrage "als Freund" der Kindesmutter die "Familienbeihilfe" für das Kind. Da Österreich weder vorrangig noch nachrangig für eine "EU-Ausgleichszahlung" für das Kind zuständig sei und der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe, sei die Berufung abzuweisen.
Im Vorlageantrag vom 29.11.2013 führte der Beschwerdeführer aus, dass er dem Antrag eine Ehrenerklärung beigelegt habe, derzufolge er mit seiner Lebensgefährtin (Kindesmutter) und seiner "Stieftochter K " in einer Haushaltsgemeinschaft an seiner Wohnadresse lebe. Der leibliche Vater habe zum Kind keinerlei Kontakt und komme seiner Unterhaltspflicht nur sporadisch nach. Er (der Beschwerdeführer) trage daher "als Familienerhalter" für seine " Stieftochter " sämtliche Kosten der Erziehung und Berufsausbildung, also überwiegend die Unterhaltskosten. Die Gewährung der Kinderbeihilfe für dieses Kind sollte seine Wirtschaftsführung in der Position des Familienerhalters erleichtern um "unserem Kind" auf seinem Weg ins Erwachsenenleben bestmöglich zur Seite zu stehen.
Diesem Vorlageantrag war neuerlich eine Ehrenerklärung des Beschwerdeführers über eine Haushaltsgemeinschaft mit der Kindesmutter und dem Kind angeschlossen. Ferner wurde eine Bestätigung der Vermieterin der Wohnung des Beschwerdeführers beigelegt, derzufolge diese die Wohnung an den Beschwerdeführer zur gemeinsamen Nutzung mit der Kindesmutter und dem Kind vermietet habe. Der Mietvertrag wurde (auszugsweise und nur in tschechischer Sprache) vorgelegt.
Am 11.11.2014 legte das Finanzamt die gemäß § 323 Abs. 37 BAO als Beschwerde zu wertende Berufung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In einem Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom 18.11.2015 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert zu nachstehenden Punkten Stellung zu nehmen und die angeführten Unterlagen vorzulegen:
"Mit Antrag vom 20.3.2013 haben Sie die Gewährung von Differenzzahlungen für das Kind K (geb. XX.XX.1998) für den Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 beantragt. Es ist daher zu prüfen, ob in diesem Zeitraum die Voraussetzungen dafür vorlagen.
1) Seit wann wohnen Sie mit der Kindesmutter ( Km ) und dem Kind ( K ) in einem gemeinsamen Hauhalt? Der von Ihnen vorgelegte Mietvertrag mit der Vermieterin ( V ) wurde erst am 21.10.2012 abgeschlossen, das Mietverhältnis begann am 1.11.2012 (Punkt II des Vertrages). Demnach kann eine gemeinsame Haushaltsführung erst ab 1.11.2012 angenommen werden. Sofern eine gemeinsame Haushaltsführung auch für die Zeit vor dem 1.11.2012 behauptet werden sollte, wäre eine solche entsprechend nachzuweisen.
2) Im Vorlageantrag vom 29.11.2013 haben Sie ausgeführt, dass Sie sämtliche Kosten der Erziehung und Berufsausbildung für das Kind tragen. Seit wann genau tragen Sie diese Kosten? Seit der Begründung der gemeinsamen Haushaltsführung? Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Verfahren der Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 entscheidungsrelevant ist. Es sind daher die monatlichen Kosten und der von Ihnen getragene Anteil in diesem Zeitraum anzugeben. Die monatlichen Kosten für das Kind wurden in der Eingabe vom 23.9.2013 laut Aufstellung der Kindesmutter mit insgesamt 5.500,- CZK (für Kleidung, Lebensmittel, Schule, Zahnspange, Fahrgeld) angegeben. Wieviel davon bezahlten Sie (monatlich im Zeitraum August 2011 bis Dezember 2012)? Eine diesbezügliche Bestätigung der Kindesmutter möge vorgelegt werden.
3) Da Sie mit der Kindesmutter nicht verheiratet sind, ist das Kind K nicht ihre "Stieftochter" im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. c FLAG. Sie werden ersucht, Ihr Verhältnis zu diesem Kind näher zu beschreiben. Inwieweit sind Sie mit der Pflege und Erziehung des Kindes betraut? Wurden Sie von der Kindesmutter zur Ausübung pflegeelterlicher Rechte ermächtigt? Besteht eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung zwischen Ihnen und dem Kind oder soll eine solche hergestellt werden? Es wird ersucht, auch die diesbezüglichen Angaben von der Kindesmutter bestätigen zu lassen."
Der Beschwerdeführer legte in Beantwortung des Vorhaltes am 21.12.2015 folgende Unterlagen vor:
1) Bestätigung des Stadtamtes in RL vom 8.12.2015, derzufolge die minderjährige K mit dem Beschwerdeführer von Juli 2011 bis 31.12.2012 in einer Haushaltsgemeinschaft an der Adresse Adr.1 , gelebt hat.
2) Eidesstattliche Erklärung der Kindesmutter vom 8.12.2015 mit folgendem Inhalt:
"Hiermit erkläre ich an Eides statt, ich (KM ), dass ich angefangen habe mit Herrn Bf seit Juli 2011 in einer Wohnung und in einer Haushaltsgemeinschaft zu wohnen, die ich auf meinen Namen NT in der Zeit vor der Scheidung gemietet habe und zwar seit 4.2.2011 an der Adresse: Adr1 . Nachgewiesen durch eine Kopie des Mietvertrages.
Aufgrund des langwierigen Scheidungsverfahrens musste ich Arbeitsregime in der Arbeit ändern, weil ich mich mehr unserer Tochter K widmen musste, die durch die Scheidung gelitten hat. Somit habe ich weniger Finanzen für die Haushaltsführung und für die Bedürfnisse des Kindes gehabt. Damals habe ich Bf kennengelernt, in dem ich Unterstützung, Verständnis und auch Hilfshand nicht nur für die Haushaltsführung, sondern auch für die Erziehung meiner Tochter K gefunden habe.
Es ist die Wahrheit, dass sämtliche Kosten meiner Tochter K (ca. 5500 CKR) monatlich in seiner Regie mein Lebensgefährte Bf gehabt hat und zwar nicht nur diese, er hat sich an der Miete und an sonstigen mit der Haushaltsführung verbundenen Sachen beteiligt.
Bf hat am Anfang mit meiner Tochter die Beziehung sicher nicht ganz einfach gehabt, weil sich ihr gerade unlängst die Eltern getrennt haben und ihr Vater aus einem ihr nicht verständlichen Grund entsagt hat. Er hat aufgehört mit ihr den Kontakt zu haben, mit ihr zu kommunizieren, sie zu ihm am Wochenende zu nehmen. Er hat ihr zu ihrem Geburtstag und Namenstag nicht einmal telefonisch gratuliert, von Weihnachten und von Geschenken nicht zu reden. Einfach nichts.
Damals habe ich ihr den Bf als meinen Freund vorgestellt und in Kürze haben wird begonnen miteinander zu wohnen. Drolligerweise haben sie sich bald befreundet und er hat in ihrem Leben sicher große Lücke nach ihrem biologischen Vater ausgefüllt, der mit ihr keinen Kontakt mehr gehabt hat. Ich glaube, dass ich keinen Fehler gemacht habe, wenn ich Herrn Bf volles Vertrauen und Berechtigung zur Erziehung meiner Tochter K gegeben habe. Er hat auf sie einen guten Einfluss, er bemüht sich ihr alles gut zu erklären, damit sie das versteht. Er bemüht sich ihr so viel Aufmerksamkeit zu widmen, wie er nur kann.
Bereits nur die Tatsache, dass sie von ihm als von ihrem Vater redet, spricht für alles.
Heute erziehen wir mit Bf gemeinsam eine weitere Tochter FJ . 16 Monat hat sich an der Beziehung von Bf und meiner Tochter K nicht geändert, sie verstehen sich gemeinsam, KINDK nimmt ihn als ihren Vater und sie ihn auch so respektiert und sie nimmt ihr zum Herzen alles, war er ihr nötigenfalls vorwirft oder was er sich bemüht ihr zu erklären. Sie haben gemeinsam eine sehr schöne Beziehung und dadurch können wir als eine Familie funktionieren."
3) Kopie des in der Eidesstattlichen Erklärung der Kindesmutter erwähnten Mietvertrages vom 4.2.2011.
Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde dem Finanzamt diese Stellungnahme mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom 29.12.2015 zur Kenntnis gebracht.
Eine Vertreterin des Finanzamtes teilte dazu am 13.1.2016 telefonisch mit, dass der Beschwerdeführer von Montag bis Freitag in Österreich arbeite und daher eine Pflegeelternschaft hinsichtlich des in Tschechien lebenden Kindes nicht ausüben könne. Für die behauptete Tragung der Unterhaltskosten habe er keine Belege vorgelegt. Der Kindesvater sei in Tschechien erwerbstätig und gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig; dieser vermittle daher der Kindesmutter einen Beihilfenanspruch. Nach Ansicht des Finanzamtes sei Österreich weder vorrangig noch nachrangig zur Leistung einer Beihilfe verpflichtet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Beschwerdeführer, die Kindesmutter und der Kindesvater sind Staatsbürger der tschechischen Republik, die seit 1.5.2004 Mitglied der Europäischen Union ist.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden abgekürzt: VO), die am 1.5.2010 in Kraft getreten ist, gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Für Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Familienangehöriger" jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird (Art. 1 lit. i Zif. 1 sublit. i der VO).
Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach dem zweiten Titel der Verordnung (§ 11 Abs. 1 der VO).
Vorbehaltlich der (im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangenden) Art. 12 bis 16 der Verordnung unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaats (Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO).
Der Beschwerdeführer ist seit dem 1.8.2011 in Österreich nichtselbständig erwerbstätig. Die durchgehende Beschäftigung im entscheidungsrelevanten Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 wird im Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung ausgewiesen, gegenteilige Feststellungen wurden vom Finanzamt nicht getroffen.
Nach den unbestrittenen Feststellungen des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung ist der Kindesvater in Tschechien als Automechaniker beschäftigt. Die Kindesmutter war im entscheidungsrelevanten Zeitraum laut der vorgelegten Arbeitsbescheinigung bei der Fa. JC in Tschechien angestellt.
Der Beschwerdeführer unterliegt daher gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO den österreichischen Rechtsvorschriften, die Kindesmutter und der Kindesvater den tschechischen Rechtsvorschriften.
Art. 68 der VO trifft für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auszugsweise (soweit für den gegenständlichen Fall von Relevanz) folgende Prioritätsregeln:
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.
Da alle (potenziellen) Ansprüche auf Familienleistungen im gegenständlichen Fall durch eine Beschäftigung ausgelöst werden, ist Tschechien aufgrund des Wohnortes des Kindes vorrangig und Österreich nachrangig zur Gewährung von Familienleistungen zuständig.
Der Anspruch auf Kindergeld für das Kind K nach tschechischem Recht richtet sich dem Gesetz über die staatliche Sozialhilfe, 117/1995 Sammlung der Gesetze. Das Kindergeld ist dabei – anders als in Österreich – vom Einkommen der anspruchsberechtigten Personen abhängig (§ 1 iVm § 2 lit a). Entscheidend ist dabei das durchschnittliche monatliche Familieneinkommen (§ 4). Zur Familie zählen dabei jene Personen, die dauerhaft zusammenleben und gemeinsam ihre Kosten bezahlen (§ 7 Abs. 2). Anspruch auf Kindergeld besteht dann, wenn das entscheidende Familieneinkommen nicht das 2,4-fache des Existenzminimums der Familie überschreitet (§ 17).
Im gegenständlichen Fall ist es für das Bundesfinanzgericht ausreichend erwiesen, dass in Tschechien zwar der Beschwerdeführer und die Kindesmutter grundsätzlich einen Anspruch auf Kindergeld hätten, allein aufgrund der Höhe des Familieneinkommens ein solcher jedoch nicht zusteht. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Bescheid des für die Sozialhilfe zuständigen Arbeitsamtes vom 2.7.2013 sowie den Bestätigungen des Arbeitsamtes vom 20.9.2013 und vom 25.9.2013. In der letzten Bestätigung wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei dem im Formular E 411 angeführten Betrag lediglich um den grundsätzlich zustehenden Betrag an Kindergeld handle. Dieser wird in § 18 des Gesetzes über die staatliche Sozialhilfe für Kinder im Alter zwischen 6 und 15 Jahren mit 610 CKR bestimmt.
Das Finanzamt hat keinerlei konkrete Feststellungen getroffen, dass dem Kindesvater in Tschechien ein Anspruch auf Kindergeld zustünde, der allenfalls einen Anspruch des Beschwerdeführers auf die beantragten Differenzzahlungen mindern könnte. Da der Kindesvater im entscheidungsrelevanten Zeitraum weder in einer Haushaltsgemeinschaft mit der Kindesmutter und dem Kind gelebt hat (und damit nicht zur Familie im Sinne des § 7 Abs. 2 zählt), und bei den lediglich sporadisch geleisteten Unterhaltsbeträgen von nur 1.500,00 CKR (die nur einen Bruchteil der näher dargestellten tatsächlichen Unterhaltskosten des Kindes ausmachen) von einer überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten keine Rede sein kann, steht für das Bundesfinanzgericht ausreichend fest, dass dem Kindesvater im entscheidungsrelevanten Zeitraum kein Anspruch auf tschechisches Kindergeld zugekommen ist.
Der Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe nach österreichischem Recht setzt zunächst voraus, dass zwischen ihm und dem Kind ein Verhältnis im Sinne des § 2 Abs. 3 FLAG besteht, womit dieses Kind auch Familienangehöriger im Sinne des Art. 1 lit. i Zif. 1 sublit. i der VO ist. Nach dieser Bestimmung des FLAG sind Kinder einer Person deren Nachkommen (lit. a), deren Wahlkinder und deren Nachkommen (lit. b), deren Stiefkinder (lit. c) und deren Pflegekinder im Sinne der §§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (lit. d).
Das Kind K ist weder leibliches Kind noch Wahlkind des Beschwerdeführers. Er selbst hat dieses zwar im Vorlageantrag als "Stieftochter" bezeichnet, dies allerdings zu Unrecht, da er nicht mit der Kindesmutter verheiratet ist. Unter Stiefkinder versteht man nach österreichischem Recht nur die aus einer früheren Ehe stammenden Kinder des Ehegatten dieser Person und die unehelichen Kinder diese Ehegatten (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 20 mit Hinweis auf VfGH 18.3.1966, G 15/65).
Zu prüfen war daher im gegenständlichen Fall, ob K ein Pflegekind des Beschwerdeführers im Sinne der zitierten Bestimmungen des ABGB ist.
Gemäß § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.
Seit dem KindRÄG 2001 bietet § 186 ABGB zwei Definitionsmerkmale, nämlich erstens die faktische – gänzliche oder partielle – Besorgung von Pflege und Erziehung des Kindes und zweitens das Bestehen oder die beabsichtigte Herstellung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kind und diesen seinen Betreuern, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt (Stabentheiner in Rummel, ABGB, 3. Auflage, § 186 Tz 1). Die Pflegeelterneigenschaft setzt weder einen rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsakt voraus, sondern ist bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale kraft Gesetzes gegeben (Stabentheiner, a.a.O., Tz 2). Dass die Pflegeelterneigenschaft auch einer Einzelperson zukommen kann, wurde von der herrschenden Meinung auch schon zur Rechtslage vor dem KindRÄG vertreten (Stabentheiner, a.a.O., Tz 4b mwN).
Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht. In seinem Erkenntnis vom 4.3.2009, 2008/15/0314 führte dieser aus: "Nach § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Demnach schreibt das Gesetz zwei Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft vor, nämlich die tatsächliche Betreuung und eine bestimmte Qualität der Bindung. Bei Vorliegen beider Komponenten ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben (vgl. Barth/Neumayr, in Klang, § 186, Tz. 3). Auch Einzelpersonen kann die Pflegeelterneigenschaft zuteil werden (§ 186a Abs. 1 ABGB). Dass die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Person bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung als Pflegeelternteil gilt, entspricht der herrschenden Auffassung (vgl. Klang, a.a.O., Tz. 15)." In diesem Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter einen gemeinsamen Haushalt gegründet und ausgeführt, er habe die Absicht gehabt, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen. Er habe die Kinder wie eigene behandelt. Durch die Aufnahme der Kinder in seinen Haushalt habe er deren Pflege und Erziehung als Pflegeelternteil besorgt. Zwischen den Kindern und ihm habe eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern sehr nahe kommende Beziehung bestanden und habe eine solche auch hergestellt werden sollen. Die Kindesmutter habe den Mitbeteiligten zur Ausübung der pflegeelterlichen Rechte ermächtigt. Ihm sei die Pflege der beiden Kinder tatsächlich übertragen worden und er habe diese Aufgaben auch selbst erfüllt. Der "Lebensmittelschwerpunkt" der beiden Kinder sei nicht bloß vorübergehend eindeutig zu ihm in seinen Haushalt verlagert worden.
Nicht anders ist der gegenständliche Beschwerdefall gelagert. Aufgrund der ausführlichen, inhaltlich schlüssigen, widerspruchsfreien und glaubwürdigen eidesstattlichen Erklärung der Kindesmutter vom 8.12.2015, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Zweifel daran, dass die Kindesmutter den Beschwerdeführer mit der Besorgung von Pflege und Erziehung des Kindes betraut hat, und eine persönlichen Beziehung zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer hergestellt werden sollte bzw. besteht, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt. Der Einwand des Finanzamtes, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Österreich seine Pflegeelternschaft nicht ausüben könnte, ist für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar. Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer in Österreich unselbständig erwerbstätig ist, dies schließt jedoch in keiner Weise aus, dass er sich in seiner Freizeit der Pflege und Erziehung des Kindes widmet, wie dies von der Kindesmutter auch bestätigt wurde. Eine teilweise Besorgung der Pflege und Erziehung des Kindes ist nach dem klaren Wortlaut des § 186 ABGB ausreichend. Auch würde wohl niemand einem leiblichen österreichischen Kindesvater dessen Pflege- und Erziehungsrechte absprechen, nur weil er wochentags im Ausland erwerbstätig ist.
Eine weitere Voraussetzung für einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe nach österreichischem Recht normiert § 2 Abs. 2 FLAG. Demnach hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Im gegenständlichen Fall wurde ausreichend nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer, die Kindesmutter und das Kind im entscheidungsrelevanten Zeitraum in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Dies ergibt sich für das Bundesfinanzgericht zweifelsfrei aus der Bestätigung des Stadtamtes in RL vom 8.12.2015 und der eidesstattlichen Erklärung der Kindesmutter vom 8.12.2015.
Aufgrund der nachgewiesenen Haushaltszugehörigkeit kommt der Frage der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten keine Entscheidungsrelevanz zu. Abgesehen davon wurde von der Kindesmutter ausreichend glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer die überwiegenden Unterhaltskosten tatsächlich trägt.
Der Umstand, dass das Kind in Tschechien lebt, steht dem subsidiären Anspruch des Beschwerdeführers auf österreichische Kinderbeihilfe nicht entgegen (Art. 67 der VO; § 53 Abs. 1 FLAG).
Da in Tschechien aufgrund der Höhe des Familieneinkommens kein Kindergeld gewährt wird, ergibt sich eine dem Beschwerdeführer zustehende Differenzzahlung in voller Höhe des österreichischen subsidiären Anspruches. Für den entscheidungsrelevanten Zeitraum 1.8.2011 bis 31.12.2012 beträgt die Familienbeihilfe für das am XX.XX.1998 geborene Kind gemäß § 8 Abs. 2 FLAG idF BGBl I 111/2010 monatlich 130,90 €. Gemäß § 8 Abs. 8 FLAG erhöht sich für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
Ferner steht dem Beschwerdeführer auch der Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Höhe von 58,40 € zu. Für den entscheidungsrelevanten Zeitraum bestimmte zwar § 33 Abs. 3 zweiter Satz EStG idF BGBl 111/2010 und BGBl 112/2011 dass für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Kinderabsetzbetrag zusteht. Erst durch das AbgÄG 2012 (BGBl I 112/2012) wurde diese Regelung mit Wirksamkeit ab 1.1.2013 dahingehend abgeändert, dass nur für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, kein Kinderabsetzbetrag zusteht. Mit dieser Gesetzesänderung wurde allerdings lediglich der Gesetzestext an die bereits zuvor bestehende europarechtliche Rechtslage angepasst. § 33 Abs. 3 EStG idF vor dem AbgÄG wurde im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 durch deren Art. 67 verdrängt: "Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedsstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedsstaat wohnen würden." Auch der Kinderabsetzbetrag gilt wie die Familienbeihilfe als Familienleistung im Sinne der Verordnung. Gehört daher ein Kind zum ausländischen Haushalt eines Unionsbürgers (EWR-Bürgers), auf den die Verordnung anzuwenden ist, stand schon nach der Rechtslage bis zum AbgÄG 2012 der ständige Aufenthalt des Kindes im Ausland der Gewährung des Kinderabsetzbetrages als Familienleistung nicht entgegen (Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 33 Anm 30 bis 32; vgl. zum Wesen des Kinderabsetzbetrages als Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe und nicht als Verminderung der Tarifsteuer: Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 1 Tz 23 mwN).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass nach den Anmerkungen in der Beihilfendatenbank dem Beschwerdeführer für die in der eidesstattlichen Erklärung des Kindesmutter erwähnte gemeinsame (am XX.XX.2014 geborene) TochterF ebenfalls ein voller Differenzzahlungsanspruch gewährt wird.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Rahmen der Beweiswürdigung zu klärende Sachverhaltsfragen (wie etwa die Frage einer gemeinsamen Haushaltsführung, überwiegende Tragung von Unterhaltskosten etc.) stellen keine Rechtsfragen dar. Aus diesem Grund wirft auch eine vom Bundesfinanzgericht diesbezüglich vorgenommene Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/15/0028 mit Hinweis auf VwGH 12.2.2015, Ra 2015/02/0021).
Als Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall dagegen zu klären, ob das Verhältnis des Beschwerdeführers zum Kind unter einen der verschiedenen Tatbestände des § 2 Abs. 3 FLAG subsumiert werden kann. Diese Frage wurde bejaht und die Pflegeelternschaft des Beschwerdeführers angenommen. Das Bundesfinanzgericht stützte sich dabei auch auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 4.3.2009, 2008/15/0314). Da das Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung abweicht, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Linz, am 27. Jänner 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 186 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise: |