OGH 15Os190/87 (RS0094148)

OGH15Os190/8719.10.2022

Rechtssatz

Vorsätzliche Falschangaben von Parteien gegenüber der Behörde zur Erlangung vermögenswerter Leistungen von dem durch sie vertretenen Rechtsträger ("Behörden-Betrug" im engeren Sinn) können selbst dann, wenn erstere zur Überprüfung verpflichtet ist und keine falschen Beweismittel oder Bescheinigungsmittel aufgeboten werden, mangels Sozialadäquanz nicht teleologisch aus der Wortbedeutung des Begriffs "Täuschung" im Sinne § 146 StGB ausgeklammert werden. Demgemäß bedarf es zur Tatbestandsverwirklichung in subjektiver Hinsicht folgerichtig auch in Ansehung des Täuschungs-Erfolges keines über den allgemeinen Täuschungsvorsatz (§ 5 Abs 1 und 3 StGB) hinausgehenden besonderen Wissens (§ 5 Abs 3 StGB) des Täters davon, dass die Behörde ein allenfalls vorgesehenes Prüfungsverfahren gerade in seinem Fall tatsächlich nicht durchführen werde; handelt doch der Täter - dessen Vorgehen ja ansonsten kaum verständlich wäre - auch dann, wenn er zwar mit einer behördlichen Überprüfung rechnet, aber nichtsdestoweniger darauf hofft, dass sie nicht stattfinden oder die Unrichtigkeit seiner Behauptungen nicht aufdecken, also der entsprechende Täuschungs-Erfolg eintreten werde, mit (zumindest) bedingtem Täuschungsvorsatz: Über die Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion des "Täuschungs" - Begriffs beim "Prozess" - Betrug und bei der "Behörden-Täuschung" sowie über die Möglichkeit einer Rechtfertigung bei allen Varianten unwahrer Parteibehauptungen gegenüber Behörden bei der Geltendmachung von in ihren faktischen Voraussetzungen zweifelhaften Ansprüchen (auch gegen die öffentliche Hand) ist damit nichts gesagt.

Normen

StGB §146 A2

15 Os 190/87OGH20.09.1988

Veröff: EvBl 1989/44 S 149 (zustimmend Bertel in ÖJZ 1989,144) = SSt 59/66 = JBl 1989,59

12 Os 98/89OGH28.09.1989

Vgl auch

12 Os 136/91OGH19.12.1991

Vgl auch

13 Os 13/92OGH19.02.1992

Vgl auch

15 Os 113/96OGH13.12.1996

Vgl auch

13 Os 122/07aOGH14.05.2008

Vgl auch; Beisatz: Für eine strafrechtliche Differenzierung zwischen Behördenbetrug ieS und Prozessbetrug finden sich keine stichhältigen Argumente. (T1)

6 Ob 71/17kOGH29.05.2017

Auch; Beisatz: Hier: Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 dritter Fall MRG. (T2)

20 Ds 15/17mOGH12.12.2017

Vgl auch

13 Os 33/22kOGH19.10.2022

Vgl

Dokumentnummer

JJR_19880920_OGH0002_0150OS00190_8700000_001