vorheriges Dokument
nächstes Dokument

BGBl II 350/2022

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

350. Verordnung: Kapazitätsberechnungsmethoden-Verordnung 2022

350. Verordnung des Vorstands der E-Control, mit der die Methode der verfügbaren Einspeisekapazität gemäß § 20 ElWOG 2010 festgesetzt wird (Kapazitätsberechnungsmethoden-Verordnung 2022 - KBM-V 2022)

Auf Grund des § 20 Abs. 3 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 7/2022 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Z 1 des Energie-Control-Gesetzes - E-ControlG, BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 7/2022, wird verordnet:

Regelungsgegenstand

§ 1. In dieser Verordnung wird eine einheitliche Methode zur Berechnung der verfügbaren Kapazitäten je Umspannwerk auf Netzebene 4 festgesetzt.

Anwendungsbereich

§ 2. (1) Diese Verordnung gilt für Netzbetreiber, die Umspannwerke auf Netzebene 4 betreiben.

(2) Stromerzeugungsanlagen gemäß § 17a ElWOG 2010 idF BGBl. I Nr. 7/2022 sind bei der Bestimmung der gebuchten Kapazität gemäß § 6 dieser Verordnung nicht zu berücksichtigen.

Begriffsbestimmungen

§ 3. (1) Es gelten die Begriffsbestimmungen gemäß § 7 ElWOG 2010 idF BGBl. I Nr. 7/2022.

(2) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

  1. 1. „verfügbare Kapazität“, die Summe der Anschlussleistungen (Engpassleistung) von Stromerzeugungsanlagen, die zusätzlich zu bestehenden Stromerzeugungsanlagen unter normalen Betriebszuständen an das, dem Umspannwerk nachgelagerte, Netz sowie an der Sammelschiene des Umspannwerks zum Erhebungszeitpunkt angeschlossen werden können, bezogen auf das betrachtete Umspannwerk der Netzebene 4 (unterspannungsseitig).
  2. 2. „zulässige Kapazität“ die Übertragungsleistungen von Netzanlagen bzw. energietechnischen Einrichtungen unter normalen Betriebszuständen zum Erhebungszeitpunkt, bezogen auf das betrachtete Umspannwerk der Netzebene 4 (unterspannungsseitig).
  3. 3. „genutzte Kapazität“ die messtechnisch erfassten Lastflüssen bzw. Leistungswerte eines definierten Quantils der vorangegangenen zwölf Kalendermonate in Richtung der überlagerten Netzebene unter normalen Betriebszuständen zum Erhebungszeitpunkt, bezogen auf das betrachtete Umspannwerk der Netzebene 4 (unterspannungsseitig).
  4. 4. „gebuchte Kapazität“ die Summe der durch Leistung einer Anzahlung (Reugeld) reservierten Kapazitäten sowie vertraglich vereinbarten Kapazitäten (Engpassleistung von Stromerzeugungsanlagen, bewertet mit einem Gleichzeitigkeitsfaktor) zum Erhebungszeitpunkt, bezogen auf den betroffenen Netzbereich.

Berechnungsmethode verfügbare Kapazität

§ 4. (1) Zur Bestimmung der verfügbaren Kapazitäten je Umspannwerk der Netzebene 4 (unterspannungsseitig) ist von der zulässigen Kapazität die genutzte Kapazität, sowie die gebuchte Kapazität abzuziehen.

(2) Die verfügbare Kapazität kann alternativ mittels eines probabilistischen Verfahrens ermittelt werden. Dazu sind Lastflussberechnungen unter iterativer Erhöhung der hinzugefügten Engpassleistung von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen, sowie unter Variation der Erzeugungstechnologie und der Verortung der erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen (insbesondere Netzmodell, bestehende Stromerzeugungsanlagen, nach § 7 gebuchte Kapazitäten, Annahmen zu Laststruktur und -profilen, Wetterjahr) im betroffenen Netzgebiet durchzuführen. In zumindest fünfhundert Simulationen ist dabei jener Wert an zusätzlich möglicher erneuerbarer Erzeugungsleistung zu ermitteln, der in zumindest fünfzig Prozent der Simulationen hinzugefügt werden kann, ohne dass eine Verletzung der betriebliche Sicherheitsgrenzwerte vorliegt. Die Bewertung kann für ein ganzes Kalenderjahr erfolgen, oder wahlweise auch für jenen Tag, der in einer Voruntersuchung aufgrund der Gleichzeitigkeitsfaktoren der Erzeugungsprofile als dimensionierungsrelevant ermittelt wird.

Bestimmung der zulässigen Kapazität

§ 5. (1) Die zulässige Kapazität entspricht der Summe der Bemessungsscheinleistungen der Umspanner der Netzebene 4 des jeweiligen Umspannwerks zum Erhebungszeitpunkt.

(2) Weicht die unterspannungsseitige Betriebsspannung nachweislich dauerhaft um mehr als 10 % von der Bemessungsspannung eines Umspanners der Netzebene 4 ab, wird die zulässige Kapazität des Umspanners im Verhältnis der Betriebsspannung zur Bemessungsspannung ermittelt:

(3) Für Umspannwerke, die der Versorgung von Endverbrauchern des öffentlichen Netzes dienen, ist in der Festlegung der zulässigen Kapazität kapazitätsmindernd zu berücksichtigen, dass Netzbetreiber bei Ausfall eines Umspanners der Netzebene 4 unter normalen Betriebszuständen in der Lage sein müssen, die Versorgung von Endverbrauchern aufrecht zu erhalten, ohne betriebliche Sicherheitsgrenzwerte zu überschreiten. Diese Aufrechterhaltung der Versorgung von Endverbrauchern kann ebenfalls durch zumutbare Maßnahmen, wie Umschaltungen in Ringnetzen, gewährleistet sein. Stromerzeugungsanlagen, deren Wirkleistung bei Ausfall eines Umspanners der Netzebene 4 direkt begrenzt werden kann (beispielsweise über Mitnahmeschaltungen), sind diesbezüglich nicht zu berücksichtigen.

(4) Wirken andere Betriebsmittel als der Umspanner, wie insbesondere Stromwandler oder Sammelschienen, im Umspannwerk auf Netzebene 4 nachweislich kapazitätsbeschränkend, ist dies bei der Festlegung der zulässigen Kapazität kapazitätsmindernd zu berücksichtigen.

(5) Nachweisbare dauerhafte Kapazitätsbeschränkungen überlagerter Netzebenen sind bei der Festlegung der zulässigen Kapazität kapazitätsmindernd zu berücksichtigen, solange eine Kapazitätsbeschränkung, wie insbesondere im Falle einer Stichleitung, direkt einem Umspannwerk der Netzebene 4 zugeordnet werden kann. Eine etwaige Kapazitätsbeschränkung überlagerter Netzebenen, die sich auf mehrere Umspannwerke der Netzebene 4 auswirkt, ist in der Festlegung der zulässigen Kapazität nicht zu berücksichtigen.

Bestimmung der genutzten Kapazität

§ 6. (1) Die genutzte Kapazität entspricht dem 99,5 % Quantil der Viertelstundenleistungswerte (Scheinleistung) in Richtung der überlagerten Netzebene, die in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Erhebungszeitpunkt im Umspannwerk der Netzebene 4 unterspannungsseitig (Summe der Messwerte der Umspannerabzweige) gemessen wurden.

(2) Die Ermittlung des maßgebenden 99,5 %-Quantils kann durch eine computerunterstützte Auswertung der Viertelstundenleistungswerte erfolgen, wobei Sonderschaltzustände, wie insbesondere Umschaltvorgänge, auszunehmen sind.

(3) Die genutzte Kapazität berücksichtigt zudem aufgetretene Blindleistung entsprechend folgenden Grundsätzen:

  1. 1. Liegen Scheinleistungsmesswerte für die Bestimmung der genutzten Kapazität gemäß Abs. 1 vor, sind diese heranzuziehen.
  2. 2. Liegen keine Scheinleistungsmesswerte vor, sind für die Bestimmung der genutzten Kapazität gemäß Abs. 1 Scheinleistungswerte aus Wirkleistungsmesswerten und Blindleistungsmesswerten oder aus den (betragsmäßigen) Strommesswerten und der Betriebsspannung zu ermitteln.
  3. 3. Liegen die notwendigen Messwerte zur Bestimmung der genutzten Kapazität gemäß Z 1 und 2 nicht vor, kann die Scheinleistung mittels eines Umrechnungsfaktor c=1,1 auf die gemessene Wirkleistung ermittelt werden.

(4) Sollten die zur Berechnung der genutzten Kapazität erforderlichen Viertelstundenmesswerte der letzten zwölf Kalendermonate vor dem Erhebungszeitpunkt nicht in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen, oder sind diese in zu begründenden Fällen nicht aussagekräftig, ist die zeitweilige (vorübergehende) Verwendung eines alternativen Zwölfmonatszeitraums innerhalb der vorangegangen 3 Kalenderjahre zulässig. Sollte eine Bestimmung der genutzten Kapazität auf Basis von Viertelstundenleistungswerten nicht möglich sein, können Lastflussberechnungen unter Berücksichtigung eines Gleichzeitigkeitsfaktors von 88 % für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen durchgeführt werden, um die genutzte Kapazität zu bestimmen.

Bestimmung der gebuchten Kapazität

§ 7. (1) Die durch Leistung einer Anzahlung (Reugeld) auf das (voraussichtliche) Netzzutrittsentgelt reservierte Kapazität gemäß § 20 Abs. 2 ElWOG 2010 idF BGBl. I Nr. 7/2022 bzw. die, durch insbesondere Netzzusagen und Einspeisebestätigungen, vertraglich vereinbarte Kapazität wird einzelnen Umspannwerken zugeordnet.

(2) Zur Ermittlung der gebuchten Kapazität je Umspannwerk der Netzebene 4 werden sämtliche reservierten und vertraglich vereinbarten Kapazitäten des jeweiligen Umspannwerks unter Berücksichtigung eines Gleichzeitigkeitsfaktors von 88 % summiert.

Veröffentlichung

§ 8. Die Veröffentlichung hat zumindest transparent auf der Unternehmenswebseite des jeweiligen Netzbetreibers zu erfolgen und kann darüber hinaus auf einer gemeinsamen Webseite der Netzbetreiber stattfinden.

Inkrafttreten

§ 9. Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Urbantschitsch Haber

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)