510. Kundmachung der Bundesministerin für Finanzen über Richtlinien betreffend Antrag und Verfahren bei Entnahme und Auflösung von Rücklagen (Rücklagen-Richtlinien)
Gemäß § 56 Bundeshaushaltsgesetz 2013 (BHG 2013), BGBl. I Nr. 139/2009, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 62/2012, können Rücklagen, soweit sie nicht zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten herangezogen werden müssen, weitgehend ohne Beschränkung auf einen bestimmten Verwendungszweck verwendet werden. Auf Grund von § 56 Abs. 4 BHG 2013 ergehen zum Inhalt des Antrages und zum Verfahren bei der Entnahme und Auflösung von Rücklagen folgende Richtlinien:
Gegenstand und Anwendungsbereich
§ 1. Gegenstand dieser Richtlinien gemäß § 56 Abs. 4 BHG 2013 ist der Inhalt des Antrages sowie das Verfahren bei der Entnahme und Auflösung von Rücklagen gemäß den §§ 55 f BHG 2013. Diese Richtlinien gelten für die haushaltsleitenden Organe gemäß § 6 BHG 2013 und die haushaltsführenden Stellen gemäß § 7 BHG 2013.
Verbindlichkeitenprüfung
§ 2. (1) Ist die Verwendung einer Rücklage im Rahmen eines Detailbudgets beabsichtigt, hat das haushaltsleitende Organ unmittelbar vor Antragstellung (§ 3) die Entwicklung des Standes sämtlicher Verbindlichkeiten auf Ebene des betroffenen Detailbudgets zu prüfen. Auf Basis dieser Prüfung ist der Stand der Verbindlichkeiten im Sinne des § 56 Abs. 1 BHG 2013 im Antrag gemäß § 3 darzustellen. Diese Prüfung ist auch von der Organisationseinheit des Bundesministeriums für Finanzen, welche für die Erledigung des Antrages zuständig ist, durchzuführen.
(2) Auf Basis der Prüfungen gemäß Abs. 1 hat die Verwendung von Rücklagen nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:
- 1. Soweit sich der Stand der Verbindlichkeiten auf Ebene des Detailbudgets gegenüber dem Ende des abgelaufenen Finanzjahres nicht erhöht hat, können sämtliche Rücklagen gemäß § 56 Abs. 1 BHG 2013 aus diesem Detailbudget für Mehrauszahlungen für sonstige Zwecke verwendet werden.
- 2. Hat sich der Stand der Verbindlichkeiten auf Ebene des Detailbudgets gegenüber dem Ende des abgelaufenen Finanzjahres erhöht, so sind die vorhandenen Rücklagen zuerst für die Rückführung des Standes der Verbindlichkeiten auf den Wert zum Ende des abgelaufenen Finanzjahres zu verwenden. Dazu sind fällige Verbindlichkeiten zu tilgen und entsprechende Rücklagenbeträge für die erst künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten zu reservieren. Der verbleibende Teil der Rücklagen, der über das Maß des Verbindlichkeitenanstiegs gegenüber dem Ende des abgelaufenen Jahres hinausgeht, kann für Mehrauszahlungen für sonstige Zwecke verwendet werden.
- 3. Ausnahmsweise kann die Bundesministerin für Finanzen oder der Bundesminister für Finanzen der Verwendung von Rücklagen abweichend von Z 1 und 2 zustimmen,
- a) wenn die Abweichung 5 % des Jahresvoranschlagswerts (§ 13 BHV 2013) der Auszahlungen des betreffenden Detailbudgets nicht übersteigt, wobei hinsichtlich ein und desselben Detailbudgets die Zustimmung gemäß diesem Unterpunkt nicht in zwei aufeinanderfolgenden Finanzjahren erteilt werden darf; oder
- b) wenn die Abweichung auf Grund der detailbudgetspezifischen Sachlage im Zusammenhang mit gesetzlich oder vertraglich determinierten langfristigen Verbindlichkeiten und sehr hohem Mitteleinsatz erforderlich ist und die Abweichung 10 % des Jahresvoranschlagswerts (§ 13 BHV 2013) der Auszahlungen des betreffenden Detailbudgets nicht übersteigt.
- 4. Die Bundesministerin für Finanzen oder der Bundesminister für Finanzen kann die Zustimmung gemäß Z 3 erteilen, wenn
- a) die allgemeinen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Rücklagenverwendung erfüllt werden,
- b) gemäß dem Antrag des haushaltsleitenden Organes die Verwendung der Rücklage nur im betreffenden Detailbudget erfolgen soll und daher insoweit die Ermächtigung gemäß § 56 Abs. 2 vierter Satz BHG 2013 nicht Anspruch genommen wird,
- c) auf Grund der Erfahrungen mit dem Haushaltsvollzug im Wirkungsbereich des zuständigen haushaltsleitenden Organs die Einhaltung der Grundsätze gemäß Art. 51 Abs. 8 B-VG in Verbindung mit § 2 BHG 2013 sichergestellt ist,
- d) die pflichtgemäße Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesministerin für Finanzen oder des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 51 Abs. 8 B-VG nicht beeinträchtigt wird und
- e) in hinreichendem Umfang im Sinne einer gesamthaften Abwägung auf das Ausmaß der beantragten Rücklagenverwendung im Verhältnis zum Jahresvoranschlagswert, den aktuellen Stand der Rücklagen und der Verbindlichkeiten, den Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem Stand zum Ende des abgelaufenen Finanzjahres und dessen Ursachen sowie die Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten Bedacht genommen wird.
Antragstellung
§ 3. (1) Sollen Mittel aus einer Rücklage eines Detailbudgets zweiter Ebene verwendet werden, hat die Leiterin oder der Leiter der jeweiligen haushaltsführenden Stelle einen entsprechenden Antrag an ihre oder seine übergeordnete haushaltsführende Stelle zu richten; die weitere Vorgangsweise seitens der Leiterin oder des Leiters der übergeordneten haushaltsführenden Stelle erfolgt wie nachfolgend für Rücklagen von Detailbudgets erster Ebene beschrieben.
(2) Sollen Mittel aus einer Rücklage eines Detailbudgets erster Ebene verwendet werden, hat die Leiterin oder der Leiter der jeweiligen haushaltsführenden Stelle einen entsprechenden Antrag an ihr oder sein haushaltsleitendes Organ zu richten, das bei der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen eine Mittelverwendungsüberschreitung (§ 54 BHG 2013 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 MVÜ-VO 2013) beim entsprechenden Globalbudget beantragen kann.
(3) Der Antrag des haushaltsleitendenden Organes an die Bundesministerin für Finanzen oder den Bundesminister für Finanzen hat die Angaben gemäß § 5 MVÜ-VO, insbesondere die Zweckwidmung der geplanten Rücklagenverwendung darzustellen. Hiebei ist der Zweck einem der folgenden vier Bereiche zuzuordnen:
- 1. Auszahlungen aus der operativen Verwaltungstätigkeit und Transfers zum Zweck des Abbaus bestehender Verbindlichkeiten,
- 2. Auszahlungen aus der operativen Verwaltungstätigkeit und Transfers, bei denen noch keine Verbindlichkeit eingegangen wurde,
- 3. Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit oder der Gewährung von Darlehen und rückzahlbarer Vorschüsse zum Zweck des Abbaus bestehender Verbindlichkeiten oder
- 4. Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit oder der Gewährung von Darlehen und rückzahlbarer Vorschüsse, bei denen noch keine Verbindlichkeit eingegangen wurde.
Diese Verwendungen sind im Rahmen der Begründung der Mittelverwendungsüberschreitung (§ 5 Z 3 MVÜ-VO) zu erläutern.
(4) Die Änderung des Rücklagenstandes durch die Verwendung der Rücklage ist durch die Bundesministerin für Finanzen oder den Bundesminister für Finanzen laufend festzuhalten und bei der Ermittlung des Rücklagenstandes nach Ablauf des Finanzjahres zu berücksichtigen.
(5) Die haushaltsleitenden Organe können schriftlich gegenüber der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen auf die Verwendung von Rücklagen verzichten; in diesem Fall ist der Rücklagenstand durch die Bundesministerin für Finanzen oder den Bundesminister für Finanzen entsprechend zu vermindern.
Rücklagen im Rahmen von Sondergebarungen
§ 4. (1) Anträge betreffend die Verwendung von Rücklagen im Rahmen
- 1. einer zweckgebundenen Gebarung (§ 55 Abs. 5 BHG 2013),
- 2. einer EU-Gebarung (§ 55 Abs. 6 BHG 2013) oder
- 3. der variablen Gebarung (§ 55 Abs. 7 BHG 2013) sowie
- 4. Rücklagengebarungen auf Grund von speziellen bundesfinanzgesetzlichen Regelungen,
sind gesondert zu stellen; die §§ 2 und 3 sind anzuwenden.
(2) Die Bundesministerin für Finanzen oder der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus bestehenden Rücklagen für zweckgebundene Einzahlungen (§ 55 Abs. 5 BHG 2013) Beträge zu entnehmen oder bereitzustellen, soweit dies zur Erfüllung fälliger Verbindlichkeiten erforderlich ist. Weiters ist sie oder er ermächtigt, jene Rücklagen voranschlagswirksam zu entnehmen, die auf Grund spezieller Rechtsvorschriften auf Konten des Bundes zu veranlagen sind.
Rücklagenauflösung
§ 5. Rücklagen gemäß § 4 sind aufzulösen, sobald deren Zweckbestimmung weggefallen ist. Das haushaltsleitende Organ hat nach Kenntnis des Wegfalles der Zweckbestimmung einen Antrag auf Auflösung an die Bundesministerin für Finanzen oder den Bundesminister für Finanzen zu stellen. Die Bundesministerin für Finanzen oder der Bundesminister für Finanzen hat die entsprechenden Änderungen im System der Rücklagenkennzahlen durchzuführen.
Rücklagenzuordnung
§ 6. Rücklagen gemäß BHG 2013 dürfen im Sinne dieser Richtlinien erst verwendet werden, wenn in der jeweiligen Untergliederung die am Ende des Finanzjahres 2012 gebildeten Rücklagen gemäß § 121 Abs. 5 bis 7 BHG 2013 auf die entsprechenden Detailbudgets vollständig aufgeteilt wurden.
Fekter
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)