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Mobilisierung von Recht11Der Beitrag soll an die vielfältigen und rastlosen Bemühungen des Jubilars erinnern, das „Gehäuse der normativen Hörigkeit“ aufzubrechen (Klenner, Rechtstheorie im Modus von Ideologiekritik, in: Dimmel/Noll [Hrsg], Soziale Relevanz des Rechts [2009] 108).

AufsätzeJohann J. HagenJRP 2019, 220 Heft 4 v. 15.12.2019

Solange Recht als Rechtssatz in seiner papierenen Form verharrt und nur entsprechend formalen Rechtserzeugungsregeln Geltung beansprucht – was Schreiber „verfassungsmäßige Geltung“ nennt22 Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen (1966) insb 64 f. –, ist es totes Recht. Damit es „lebendes Recht“ wird oder zum „law in action“ gerechnet werden kann, muss es wahrgenommen, artikuliert, umgesetzt und durchgesetzt werden. Damit Zivilprozesse stattfinden, muss sich jemand finden, der die Rolle des Klägers auf sich nimmt, damit Strafverfolgung und eventuell ein Strafverfahren vor Gericht sich ereignen, muss regelmäßig Anzeige erstattet werden, damit eine Steuervergünstigung berücksichtigt wird, muss sie geltend gemacht werden, damit eine Sozialleistung gezahlt wird, muss sie von jemandem beansprucht werden usw. Recht besitzt keine Automatik, die für seine selbsttätige Verwirklichung sorgt, sondern ist auf Menschen oder Gruppen angewiesen, die ihre Interessen wahrnehmen und sich dazu der rechtlichen Angebote bedienen. Mit einem Wort: Recht muss aus seinem Latenzzustand bewegt werden, es muss „mobilisiert“ werden.33Eine Literaturübersicht zum Thema Rechtsmobilisierung findet sich bei Fuchs, Rechtsmobilisierung, in: Boulanger/Rosenstock/Singelnstein (Hrsg), Interdisziplinäre Rechtsforschung. Eine Einführung in die geistes- und sozialwissenschaftliche Befassung mit dem Recht und seiner Praxis (2019) 243 ff. Während sich die Rechtswissenschaften vorwiegend mit den Quellen und der Entstehungsgeschichte von Recht, nicht aber mit seinen tatsächlichen Funktionen beschäftigen,44 Podgoredski, Dreistufen-Hypothese über die Wirksamkeit des Rechts, in: Hirsch/Rehbinder, Studien und Materialien zur Rechtssoziologie (1967) 271 ff. so gehört die Mobilisierung des Rechts als Nebenbedingung seiner Effektivität mit Sicherheit zum Kernbereich der rechtssoziologischen Fragestellungen zum Verhältnis von Gesellschaft und Recht.55Vgl dazu vor allem Black, The Mobilization of Law, Journal of Legal Studies 2/1973, 125 ff; Blankenburg, Mobilisierung von Recht. Über die Wahrscheinlichkeit des Gangs zum Gericht, die Chance des Erfolgs und die daraus folgenden Funktionen der Justiz, ZfRS 1/1980, 33 ff; Blankenburg, Mobilisierung des Rechts. Eine Einführung in die Rechtssoziologie (1995). Rechtsgeltung wird in dieser Sichtweise zur Frage nach den jeweiligen Geltungschancen und erfordert darum einen graduellen Rechtsbegriff, der eine Abstufung zwischen Recht und Nicht-Recht ermöglicht.66 Blankenburg, Rechtssoziologie (FN 5) 5 ff.

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