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§ 4 Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens

Aktuelle FassungIn Kraft seit 01.12.1938

Aufgabengebiet der Gesundheitsämter

§ 4

(1) Das Gesetz überträgt im § 3 Abs. 1 Nr. I den Gesundheitsämtern die ärztlichen Aufgaben auf den dort bezeichneten Gebieten. Den Gesundheitsämtern liegt danach nur die ärztliche Feststellung und die Begutachtung ob, wie etwaige gesundheitliche Gefahren oder Mißstände zu beheben oder sonst Maßnahmen zur Förderung der Volksgesundheit zu treffen sind. Die Durchführung der von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen verbleibt denjenigen Stellen, die bisher dazu verpflichtet waren oder sie freiwillig übernommen hatten. Danach ist insbesondere die wirtschaftliche Fürsorge keine Aufgabe der Gesundheitsämter. Diese haben aber die ärztlichen Maßnahmen bei der nachgehenden gesundheitlichen Fürsorge im Rahmen der Familienfürsorge durchzuführen. Darüber hinaus kann in einem kleinen Bezirk ein Kreis freiwillig und widerruflich mit Genehmigung der obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde dem Gesundheitsamt auch die auf Grund ärztlicher Feststellung vorzuschlagenden Maßnahmen zur Durchführung im Wege wirtschaftlicher Fürsorge übertragen und ihm hierfür Haushaltsmittel zur Verfügung stellen.

(2) Gesundheitsämter, welche die ihnen übertragenen ärztlichen Aufgaben nicht sogleich auf allen im § 3 Abs. 1 Nr. Ib bis f und Nr. II bezeichneten Gebieten im vollen Umfange durchführen können, müssen jedenfalls fortsetzen, was bisher auf diesen Gebieten in ärztlicher Hinsicht von den örtlichen staatlichen oder kommunalen Stellen geleistet worden ist. Vorhandene Einrichtungen sollen bestehen bleiben. Der Ausbau hat dann allmählich nach den verfügbaren Mitteln stattzufinden. Dabei sind diejenigen Gebiete in erster Linie zu berücksichtigen, bei denen ein Ausbau nach den örtlichen Verhältnissen vordringlich ist.

(3) Zu § 3, I, a: Das Gesundheitsamt ist ärztlicher Berater der Gesundheitspolizeibehörde. Es hat besonders bei der Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten durch Ermittlungen über Art, Stand und Ursache der Krankheit mitzuwirken und der Gesundheitspolizeibehörde die zur Verhütung der Weiterverbreitung der Krankheiten erforderlichen Maßnahmen zu bezeichnen. Ihm liegen auch die ärztlichen Aufgaben auf dem Gebiete der Lebensmittel- und Gewerbepolizei ob, soweit nicht den Gewerbepolizeibehörden für bestimmte Aufgaben besondere ärztliche Staatsbeamte als Berater beigegeben sind.

(Anm.: Abs. 4 und 5 gegenstandslos)

(6) Zu § 3, I, d: Die Schulgesundheitspflege, in der jedes Schulkind vorsorglich hinsichtlich seiner körperlichen und geistigen Gesundheit laufend überwacht werden soll, ist im Gesundheitsamt zusammenzufassen. Zu ihrer Durchführung kann das Gesundheitsamt auch andere Ärzte als Schulärzte heranziehen. Diese sollen ebenso wie das Gesundheitsamt den Erziehungsberechtigten in Fragen, welche die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes betreffen, für eine ärztliche Beratung zur Verfügung stehen. Ärztliche Behandlung in der Schulgesundheitspflege ist nicht Aufgabe des Gesundheitsamts.

(7) Zu § 3, I, e: Das Gesundheitsamt hat die Mütter während der Schwangerschaft und des Wochenbetts in gesundheitlichen Fragen zu beraten. Ferner hat es den Gesundheitszustand der Säuglinge und Kleinkinder zu überwachen und den Müttern Anleitung für eine gesunde Aufzucht der Kinder zu geben.

(8) Zu § 3, I, f: Die ärztlichen Aufgaben des Gesundheitsamts auf dem Fürsorgegebiet der Tuberkulose beschränken sich auf Maßnahmen zur Ermittlung Tuberkulosekranker und im Einzelfall auf die Feststellung, welcher Art die Erkrankung ist und welche Maßnahmen zur Verhütung ihrer Weiterverbreitung erforderlich sind, ferner auf Vorschläge für die Durchführung eines Heilplanes und schließlich auf die Anregung etwa in Betracht kommender wirtschaftlicher Hilfsmaßnahmen für den Kranken. Die Entscheidung über die Durchführung der Maßnahmen und die Durchführung selbst gehören zu der den Gesundheitsämtern gesetzlich nicht obliegenden wirtschaftlichen Fürsorge.

(9) Bei der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist das Gesundheitsamt der ärztliche Berater der Gesundheitsbehörde im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. Februar 1927 (Reichsgesetzbl. I S. 61). Eine Heilbehandlung Geschlechtskranker findet im Gesundheitsamt nicht statt.

(10) Auf dem Gebiet der Krüppelfürsorge hat das Gesundheitsamt einen Heilplan festzulegen und an die Stelle weiterzuleiten, die über die Durchführung des Planes zu entscheiden hat.

(11) Die Mitwirkung des Gesundheitsamts bei der Fürsorge für Sieche umfaßt die Feststellung des Gebrechens und die Äußerung, ob die Unterbringung des Siechen in einer geeigneten Pflegestelle angezeigt ist.

(12) Den Kampf gegen die Rauschgiftsucht, besonders gegen den Alkoholmißbrauch, hat das Gesundheitsamt dadurch zu unterstützen, daß es den Verbänden, die sich mit der Fürsorge für Süchtige befassen, die ärztlich-wissenschaftlichen Grundlagen für ihre Fürsorgemaßnahmen gibt.

(13) Die Einrichtung und Unterhaltung von Fürsorge- und Beratungsstellen auf den im § 3 Abs. 1 Nr. I des Gesetzes unter f angegebenen Fürsorgegebieten gehört zu den Aufgaben des Gesundheitsamts, wenn bei diesen Stellen der Schwerpunkt der Tätigkeit in der ärztlichen Beratung und Untersuchung liegt. Mit anderen Fürsorge- oder Beratungsstellen hat das Gesundheitsamt eng zusammenzuarbeiten.

(14) Wo es die örtlichen Verhältnisse erfordern, können für ein einzelnes Gesundheitsgebiet einem Gesundheitsamt die ärztlichen Aufgaben mehrerer Gesundheitsämter übertragen werden. Für die Übertragung ist die gemeinsame Aufsichtsbehörde zuständig. Mit ihrer Genehmigung können auch Fürsorge- und Beratungsstellen für mehrere Gesundheitsämter gemeinschaftlich eingerichtet und unterhalten werden.

vgl. § 1 R-ÜG 1945, StGBl. Nr. 6/1945

Schlagworte

Lebensmittelpolizei, dRGBl. I S 61/1927, Fürsorgestelle

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2017

Gesetzesnummer

10010217

Dokumentnummer

NOR12129467

alte Dokumentnummer

N8193512370I

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