Art 17 und 58 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Abhilfebefugnisse der Aufsichtsbehörde bei Verstößen gegen die Vorgaben der DSGVO; (amtswegige) Löschung (unrechtmäßig) verarbeiteter personenbezogener Daten
Mit Vorabentscheidungsersuchen vom 8. Dezember 2022, eingegangen beim EuGH am 31. Jänner 2023, will das (ungarische) Fövárosi Törvényszék (Hauptstädtische Stuhlgericht) im Wesentlichen klären, ob die zuständige Aufsichtsbehörde einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter auch ohne ausdrücklichen Antrag der von einer Datenverarbeitung betroffenen Person zur Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen kann. Dem Vorabentscheidungsersuchen liegt folgendes Ausgangsverfahren zugrunde: Das Bürgermeisteramt der Selbstverwaltung des IV. Bezirks der Hauptstadt Budapest (Bürgermeisteramt) wollte Einwohnern, die zu der von der COVID-19-Pandemie gefährdeten Gruppe gehören und bestimmte Bedingungen erfüllen (etwa Erreichen des Rentenalters, Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen), eine finanzielle Unterstützung gewähren. Das Bürgermeisteramt wandte sich an die Ungarische Staatskasse und die Regierungsbehörde für die Hauptstadt Budapest für den IV. Bezirk, um die zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlichen personenbezogenen Daten zu erhalten. Das Bürgermeisteramt fasste diese Daten in einer Datenbank zusammen und erstellte für jeden Datensatz eine individuelle Kennung und einen Strichcode. Aufgrund eines Hinweises von öffentlichem Interesse prüfte die Nationale Behörde für Datenschutz und Informationsfreiheit (Behörde) diese Datenverarbeitungen. Die Behörde stellte mit Bescheid fest, dass das Bürgermeisteramt gegen mehrere Bestimmungen der DSGVO verstoßen habe und wies das Bürgermeisteramt gemäß Art 58 Abs 2 Buchst d DSGVO an, die personenbezogenen Daten derjenigen betroffenen Personen zu löschen, die zwar einen Anspruch auf die Unterstützung gehabt hätten, diese aber nicht beantragt hatten. In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Verwaltungsklage brachte das Bürgermeisteramt – mit Verweis auf ein Urteil der Kúria (Oberstes Gericht) sowie eine uneinheitliche Praxis der Behörde – vor, dass die Behörde eine solche Weisung nicht hätte erteilen dürfen. Während das Verfahren über die Verwaltungsklage anhängig war, hob das (ungarische) Verfassungsgericht das genannte Urteil der Kúria unter Verweis auf die Stellungnahme Nr 39/2021 des Europäischen Datenschutzausschusses auf. Dieser hat dort ausgeführt, dass Art 58 Abs 2 Buchst g DSGVO Rechtsgrundlage einer amtswegigen – also von einem Antrag der betroffenen Person unabhängigen – Anordnung einer Löschung sein kann; Art 17 DSGVO regle nämlich zwei verschiedene Fälle der Löschung und zwar einerseits die Löschung auf Verlangen der betroffenen Person und andererseits die Löschung als unabhängige Verpflichtung des Verantwortlichen.