§ 1 Z 1 AsylG 1991 (Verfolgungsgefahr; „Sippenhaftung“)
VwGH 23.05.1995, 94/20/0801
Die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung setzt nicht voraus, dass die Bfin vor ihrer Ausreise eine individuell gegen sie gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben müsste oder ihr zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre. Eine derartige Befürchtung wäre näml auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland der Bfin dergestalt wären, dass von einer „Sippenhaftung“ gesprochen werden könnte, weil die Bfin dadurch der Gefahr ausgesetzt wäre, selbst mit ihren Kindern davon unmittelbar betroffen zu sein. Das gesamte Vorbringen der Bfin enthielt einen deutlichen Hinweis darauf, dass für sie eine aus der den Beh ihres Heimatstaates bekannten polit Aktivität ihres Ehemannes resultierende Verfolgungsgefahr von erhebl Intensität bestanden habe. Dabei handelt es sich nicht allein um Hausdurchsuchungen, Verhöre und Befragungen oder die „allgemein herrschenden politischen Verhältnisse“ im Heimatland der Bfin, sondern iZm der über ihren Ehegatten wegen seiner regimefeindl Tätigkeit verhängten Todesstrafe (wie dies die Androhung der Geiselnahme ihrer Kinder zur Erpressung der Rückkehr ihres Gatten zeigt) sowie dem „Verschwinden“ ihres Bruders auch um von ihr persönl zu erwartende Repressionshandlungen, die eine Rückkehr in ihr Heimatland unzumutbar erscheinen ließen.