§ 71 Abs 1 Z 1 AVG (Computerausdruck, Abfertigung, Kontrollsystem, minderer Grad des Versehens)
VwGH 15.03.1995, 95/01/0034
Es ist dem BfVertreter zu widersprechen, wenn er meint, die Organisation des Kanzleibetriebes könne nicht darin bestehen, dass der Rechtsanwalt eine Kanzleikraft, die mehrere Jahre ohne Beanstandung Poststücke abgefertigt habe, auch nur stichprobenweise kontrolliere, ganz abgesehen davon, dass allein aus der Tatsache der fristgerechten Verfassung, Speicherung und des Ausdruckes der Berufung nichts zu gewinnen wäre, wenn nicht auch die Unterfertigung fristgerecht erfolgt wäre. Ein Rechtsanwalt verstößt aber dann gegen seine anwaltl Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn entweder ein ausgesprochen weisungswidriges Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten vorliegt oder der Fehler erst nach Unterfertigung des Schriftsatzes und Kontrolle der Vollständigkeit durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe durch einen verlässlichen Angestellten unterlaufen wäre (VwGH 21.04.1993, Zlen 93/02/0232 und 0233 und die dort angegeb Jud). Nach dem im angef B wiedergegebenen Sachverhalt überließ aber der Rechtsvertreter dem Kanzleiangestellten nicht etwa die bloß im unmittelbaren Anschluss an die Unterfertigung und Kontrolle des Schriftstückes durchzuführende Abfertigung, sondern ohne jegl Kontrolle die Fristwahrung selbst. Von einem als „minderen Grad des Versehens“ zu wertenden Verschulden des Rechtsanwaltes kann daher im BeschwFall nicht die Rede sein.