OGH 31. 8. 2011, 7 Ob 72/11f
Aufklärungs- und Warnpflicht des Haftpflichtversicherers hinsichtlich des Deckungsumfanges (Risiko des "wrongful birth" bei einer Gynäkologin)
Der Versicherungsagent muss nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdecken (RIS-Justiz RS0080898); der Versicherungsnehmer (VN) muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben (RIS-Justiz RS0080130). Doch muss der Agent Fehlvorstellungen, die der VN über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen (RIS-Justiz RS0080898 [T1]); es besteht daher eine Aufklärungspflicht des Versicherers (VR) über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der VN den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der VN in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird (RIS-Justiz RS0106980), ebenso, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt, wie etwa über den angestrebten ehesten Haftungsbeginn, eine irrige Vorstellung hat (RIS-Justiz RS0080141). Ebenso stellt es einen Verstoß gegen die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten dar, wenn die unrichtige Ansicht des Antragstellers durch eine unzutreffende Belehrung des Versicherungsvertreters hervorgerufen, jedenfalls aber bekräftigt wurde (7 Ob 8/86). Ein VR ist zu einer sachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil nach der im Verkehr herrschenden Auffassung redlicherweise dies erwarten darf (7 Ob 1/05f RIS-Justiz RS0119747). Kein VN kann aber erwarten, dass jedes denkbare Risiko in den Schutzbereich einer Versicherung fällt (RIS-Justiz RS0016133 [T1], ähnlich RS0119747). Die Belehrungspflicht des VR oder seines Agenten darf nicht überspannt werden und erstreckt sich nicht auf alle möglicherweise eintretenden Fälle (RIS-Justiz RS0080386 [T2]). Besteht keine (vorangehende) Prüfpflicht, ist auch eine (daran anknüpfende) Informationspflicht zu verneinen. Dann bleibt aber nur der vom BerufungsG angewendete Rückgriff auf das dem Versicherungsrecht innewohnende Prinzip von Treu und Glauben (RIS-Justiz RS0018055), um eine Warnpflicht des Versicherungsagenten annehmen zu können. Die Bejahung der Verletzung der Warnpflicht des Versicherungsagenten würde ua voraussetzen, dass dem beklagten VR das Wissen des für ihn auftretenden Versicherungsagenten zuzurechnen ist.