Präambel
(1) Die vorliegende Fachinformation wurde kurzfristig von einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe des AFRAC erarbeitet. Eine Befassung des gesamten Beirates und die damit verbundenen Verfahren einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung waren aufgrund der Dringlichkeit und der außergewöhnlichen Situation der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie ("COVID-19") nicht möglich. Die Fachinformation ist daher als Empfehlung einer Expertengruppe des AFRAC-Beirates zum Wissenstand per 1. April 2020 zu verstehen.
(2) Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass diese Fachinformation für Banken und Versicherungsunternehmen nur unter Beachtung allfälliger abweichender oder ergänzender aufsichtsrechtlicher Vorgaben anwendbar ist.
(3) Weiters ist zu beachten, dass die nachstehenden Ausführungen nur allgemeiner Art sein können und die Sachverhalte im Einzelfall und auf Basis der konkreten Fakten und Umstände zu beurteilen sind.
1. Zielsetzung der Fachinformation
(4) Die Ausbreitung von COVID-19 Anfang 2020 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einem Gesundheitsnotstand von internationaler Bedeutung erklärt, der erhebliche Auswirkungen auf die Bevölkerung und Unternehmen auf der ganzen Welt hat.
(5) Damit in Zusammenhang stehende Fragestellungen der Unternehmensberichterstattung betreffen den Zeitpunkt und das Ausmaß der Erfassung der Auswirkungen sowie die sich ergebenden zusätzlichen Angabe- und Ausweiserfordernisse.
(6) Diese Fachinformation betrifft alle Abschlüsse nach UGB und IFRS bzw Zwischenberichte und Lageberichte für Abschlussstichtage bis zum 31. Dezember 2019 sowie auch für folgende Abschlussstichtage.
(7) Ziel der Fachinformation ist die Behandlung von Einzelfragen, die sich aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 auf die Unternehmensberichterstattung ergeben.
(8) Die Fachinformation ist im Frage-Antwort-Stil aufgebaut und kann daher im Verlauf der Pandemie um weitere Fragen ergänzt werden.
2. Einzelfragen zur Unternehmensberichterstattung
2.1. Betrifft der Ausbruch von COVID-19 die Bilanzierung zu Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019?
(9) Bei der Beurteilung der Frage, ob nach dem Abschlussstichtag gewonnene Erkenntnisse im Abschluss zu berücksichtigen sind, ist zu unterscheiden, ob die gewonnenen Erkenntnisse Informationen über die Verhältnisse zum Abschlussstichtag liefern (sog wertaufhellende Erkenntnisse) (siehe dazu AFRAC 16 Rz (6) f und IAS 10.3 (a) iVm IAS 10.8) oder ob die gewonnenen Erkenntnisse Informationen über die Verhältnisse nach dem Abschlussstichtag liefern (sog wertbegründende Tatsachen) (siehe dazu AFRAC 16 Rz (8) und IAS 10.3 (b) iVm IAS 10.10).
(10) Nach allgemeiner Ansicht (vgl insbesondere die Publikation "Coronavirus crisis: Implications on reporting and auditing" von Accountancy Europe (AE) vom 20. März 2020) stellen die Auswirkungen von COVID-19 gemäß AFRAC 16 Rz (8) bzw IAS 10.3 (b) wertbegründende und damit nicht zu berücksichtigende Ereignisse dar. Die Berücksichtigung in der Bilanzierung zu Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019 ist aufgrund des Stichtagsprinzips daher nicht zulässig.
(11) Falls jedoch wertbegründende Erkenntnisse zwischen den Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019 und dem Tag der Aufstellung des Abschlusses darauf hindeuten, dass die Annahme der Unternehmensfortführung (Going Concern-Annahme, § 201 Abs 2 Z 2 UGB bzw IAS 10.25) nicht mehr angemessen ist, darf der Abschluss nicht auf der Grundlage der Going Concern-Annahme aufgestellt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind somit sämtliche bis zum Tag der Aufstellung verfügbaren Informationen über die Zukunft heranzuziehen und somit auch alle durch COVID-19 möglichen Auswirkungen in die Überlegungen mit einzubeziehen.
(12) Es ist zu beurteilen, ob sich die Unternehmenssituation durch COVID-19 zu einer akuten Krise (zum Begriff "Krise" vgl KFS/BW 5 Rz (1) ff) entwickelt hat bzw entwickeln wird oder ob COVID-19 eine schon bestehende, bereits akute Krise verstärkt hat.
(13) Bei der Krisenanalyse sind folgende COVID-19-spezifische Ereignisse und deren Auswirkungen auf Liquidität und Finanzierung besonders zu beachten: Nachfragerückgänge und Produktionseinschränkungen, Durchbrechungen der Liefer- und Wertschöpfungsketten, Produktionsunterbrechungen und Schließung von Verkaufsstätten, Möglichkeit der flexiblen Kapazitätsanpassung oder Möglichkeit/Notwendigkeit der Umstellung von Geschäftsmodellen.
(14) Als Ergebnis dieser Analyse kann zur Untermauerung der Going Concern-Annahme die Erstellung von Unternehmensplänen (zumindest Finanzplänen) und Szenarien (zB unterschiedliche Zeiträume der behördlichen Einschränkungen) notwendig sein. In den Planungsrechnungen sind auch die öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen zu berücksichtigen, sofern die Kriterien dafür von dem Unternehmen voraussichtlich erfüllt werden und das Management die ernsthafte Absicht hat, diese in Anspruch zu nehmen.
(15) Ebenso kann das Ergebnis dieser Analyse zur Notwendigkeit einer Fortbestehensprognose führen.
2.2. Welche Angaben sind im Anhang zu Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019 zu machen?
(16) Wesentliche, wertbegründende Ereignisse zwischen Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019 und dem Tag der Aufstellung des Abschlusses sind gemäß § 238 Abs 1 Z 11 UGB im Anhang zum Jahresabschluss von mittelgroßen und großen Unternehmen (§ 221 UGB) und im Konzernanhang (§ 251 Abs 1 UGB bzw IAS 10.21) anzugeben. COVID-19 ist idR als wesentliches Ereignis einzustufen. Auch eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen ist anzugeben. Ist eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen nicht möglich, ist diese Tatsache anzugeben.
(17) Im Anhang sind gemäß § 236 UGB die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die darauf angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden so zu erläutern, dass ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens (Generalnorm der Rechnungslegung nach § 222 Abs 2 UGB) vermittelt wird; dies gilt gemäß § 265 UGB analog für den Konzernanhang. Wenn von der Annahme der Unternehmensfortführung ausgegangen wird, ist dies gemäß § 237 Abs 1 Z 1 UGB im Anhang aller Unternehmen, ggf im Interesse der Generalnorm unter Angabe diesbezüglicher besonderer Annahmen (beispielsweise die geplante Inanspruchnahme von Unterstützungsmaßnahmen) anzugeben.
(18) Sollten die Ereignisse aufgrund COVID-19 zur Folge haben, dass sich wesentliche Unsicherheiten zur Annahme der Unternehmensfortführung ergeben, sind diese in Erfüllung der Generalnorm gemäß § 222 Abs 2 UGB im Anhang anzugeben (siehe auch IAS 1.25 und IAS 10.16 (b)).
(19) Für Kleinstgesellschaften, die keinen Anhang zu erstellen haben, wird empfohlen, Angaben zu wesentlichen Unsicherheiten bei der Annahme der Unternehmensfortführung in den Jahresabschluss aufzunehmen.
2.3. Welche Angaben sind im Lagebericht zu Abschlussstichtagen bis zum 31. Dezember 2019 zu machen?
(20) Der Lage- bzw der Konzernlagebericht hat gemäß § 243 Abs 3 Z 1 UGB bzw § 267 Abs 3 Z 1 UGB auf die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens bzw des Konzerns einzugehen. Gemäß § 243 Abs 1 UGB bzw § 267 Abs 1 UGB sind auch die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten zu beschreiben, denen das Unternehmen ausgesetzt ist. Zu berücksichtigen sind alle bis zum Tag der Aufstellung des Abschlusses bekannt gewordenen Tatsachen. Besteht ein wesentliches Risiko, dass die Auswirkungen von COVID-19 zu einer negativen Abweichung von Prognosen oder Zielen der Unternehmen führen werden, ist darüber im Rahmen des Lage- bzw des Konzernlageberichts zu berichten. Dies umfasst auch wesentliche Unsicherheiten zur Annahme der Unternehmensfortführung.
(21) Durch die Dynamik der Ausbreitung von COVID-19 könnte es sich als schwierig erweisen, die Dauer von COVID-19 und die Auswirkungen verlässlich zu schätzen. Sind die Auswirkungen nicht absehbar, hat ein Unternehmen diese Tatsache anzugeben.
(22) Gemäß § 243b UGB bzw § 267a UGB haben bestimmte große Kapitalgesellschaften bzw bestimmte Mutterunternehmen in den Lage- bzw Konzernlagebericht eine nichtfinanzielle Erklärung aufzunehmen oder einen nichtfinanziellen Bericht zu erstellen. Darin sind Angaben zu machen, die sich jedenfalls auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung zu beziehen haben. Die nichtfinanzielle Erklärung bzw der nichtfinanzielle Bericht hat die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren unter Bezugnahme auf die im Jahres- bzw Konzernabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern.
(23) Die Ausführungen in Rz (20) und (21) sind auch für den nichtfinanziellen Bericht zu beachten. Insbesondere ist auf eine Konsistenz der nichtfinanziellen Erklärung bzw des nichtfinanziellen Berichts mit dem Jahres- bzw Konzernabschluss und den übrigen Aussagen im Lagebericht zu achten.
2.4. Wie sind wertaufhellende und wertbegründende Erkenntnisse über COVID-19 zwischen Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen?
(24) Eine Verpflichtung, den bereits aufgestellten Jahresabschluss aufgrund neu bekannt gewordener wesentlicher Informationen zu ändern, kann gemäß AFRAC 16 nur im Hinblick auf wertaufhellende, nicht jedoch im Hinblick auf wertbegründende Erkenntnisse bestehen. Daher ist grundsätzlich keine Anpassung von Abschluss und Lagebericht erforderlich, wenn sich wertbegründende Erkenntnisse in Bezug auf COVID-19 nach dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses ergeben.
2.5. Wie ist bei Änderungen der Verwendung des Ergebnisses mit der Anhangangabe im Abschluss vorzugehen?
(25) Gemäß § 238 Abs 1 Z 9 UGB ist in den Jahresabschluss mittelgroßer und großer Unternehmen eine Angabe über den Vorschlag zur Verwendung des Ergebnisses oder gegebenenfalls die Verwendung des Ergebnisses aufzunehmen; dies gilt gemäß § 251 Abs 1 UGB analog für den UGB-Konzernabschluss bzw gemäß IAS 1.137 (a) für den IFRS-Konzernabschluss hinsichtlich des Mutterunternehmens.
(26) Eine nach der Aufstellung des Jahres- bzw Konzernabschlusses vorgenommene Änderung des Vorschlags zur Verwendung des Ergebnisses durch die gesetzlichen Vertreter oder eine von dem Vorschlag abweichende tatsächliche Verwendung des Ergebnisses führt zu keiner Verpflichtung, den bereits aufgestellten Abschluss in dieser Hinsicht zu ändern.
2.6. Ab welchen Abschlussstichtagen nach dem 31. Dezember 2019 ist der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 zu beachten?
(27) Für Abschlussstichtage nach dem 31. Dezember 2019 gilt grundsätzlich, dass länder- und einzelfallbezogen zu beurteilen ist, ob der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 wertbegründende Ereignisse sind oder ob sie im Sinne des Stichtagsprinzips beachtet werden müssen. Bei der Beurteilung sind ua Veröffentlichungen von (Gesundheits-)Behörden, Einschränkungen des öffentlichen Lebens und des Wirtschaftsverkehrs durch behördliche Auflagen und deren konkrete Auswirkungen auf das Unternehmen, aber auch allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen.
(28) Jedenfalls weltweit zu beachten sind die Ausrufung der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO vom 30. Jänner 2020 sowie die Erklärung einer Pandemie am 11. März 2020. In Österreich haben die Ankündigungen der Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung spätestens ab 13. März 2020 eine besondere Berücksichtigung zu erfahren.
2.7. Welche Auswirkungen ergeben sich für Abschlussstichtage nach dem 31. Dezember 2019?
(29) Sind der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 im Sinne des Stichtagsprinzips zu beachten, gilt hinsichtlich allgemeiner Bilanzierungsgrundsätze beispielsweise folgendes:
- Überprüfung der Going Concern-Annahme;
- Möglichkeit/Notwendigkeit der Durchbrechung des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit.
(30) Sind der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 im Sinne des Stichtagsprinzips zu beachten, gilt für Vermögensgegenstände bzw Vermögenswerte beispielsweise folgendes:
- COVID-19 wird idR ein Auslöser für die Prüfung der Notwendigkeit von außerplanmäßigen Abschreibungen und für die Durchführung von Wertminderungstests nach IFRS sein, insbesondere bei Firmenwerten, Sach- und Finanzanlagevermögen (Unsicherheit bei den Annahmen aufgrund der Verschiebung oder des gänzlichen Ausfalls von Zahlungen etc);
- Bei der Bewertung von Finanzimmobilien und Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert sind die COVID-19 Auswirkungen auf die preisrelevanten Faktoren zum Abschluss-/Bewertungsstichtag zu evaluieren und zu berücksichtigen;
- Entstehung von nicht aktivierungsfähigen "Leerkosten" im Rahmen der Bewertung zu Herstellungskosten von Vorräten aufgrund von Unterauslastungen und unterbrochenen Lieferketten;
- Abschreibung von Vorratsvermögen ua aufgrund des Entfalls der Veräußerungsfähigkeit, einer gesunkenen Umschlagshäufigkeit oder erhöhter Lagerkosten;
- erhöhtes Risiko von Forderungsausfällen (jedoch Berücksichtigung von öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen beim Schuldner);
- allfällige Notwendigkeit der Anpassung der Pauschalwertberichtigung bzw erwarteter Kreditausfälle zu Forderungen aus Lieferungen und Leistungen;
- Änderung bei der Erfassung von Umsatzerlösen aus Kundenverträgen nach IFRS 15 dem Grunde nach, wenn sich die Zahlungserwartungen von Kunden wesentlich verschlechtern bzw der Höhe nach aufgrund geänderter Umstände und Einschätzungen;
- Überprüfung der Aktivierung von latenten Steueransprüchen aus temporären Differenzen oder Verlustvorträgen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit künftiger zu versteuernder Erträge.
(31) Sind der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 im Sinne des Stichtagsprinzips zu beachten, gilt für Schulden beispielsweise folgendes:
- Bei schwebenden Absatz- und schwebenden Beschaffungsgeschäften kann es durch COVID-19 zum Erfordernis der Bildung von Rückstellungen kommen (beispielsweise Rückstellungen für drohende Verluste oder für Vertragsstrafen bzw für belastende Verträge);
- Durch das mögliche Brechen von Kreditbedingungen (Covenants) kann sich der Ausweis von Verbindlichkeiten von langfristig auf kurzfristig ändern;
- Eventualverbindlichkeiten wie Haftungsverhältnisse können schlagend werden und sind dann in der Bilanz als Schulden aufzunehmen.
Erläuterungen
Zu Rz (1):
Gesellschaftsrechtliche Themen werden in dieser Fachinformation nicht behandelt, allerdings wird auf folgendes hingewiesen:
§ 1 Abs 2 des COVID-19-GesG sieht vor, dass im Wege einer Verordnung geregelt werden soll, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen der Gesellschafter und von Organmitgliedern aller privatrechtlichen Rechtsformen stattfinden können, ohne dass alle oder einige Teilnehmer nicht physisch anwesend sind ("virtuelle Versammlung"). Diese Verordnung, die derzeit vorbereitet wird, soll rückwirkend mit dem COVID-19-GesG in Kraft treten, das ist der 21. März 2019.
Verwiesen wird auch auf das Schreiben der FMA vom 16. März 2020 an die Wirtschaftskammer Österreich zum vorübergehenden Abweichen vom Erfordernis der persönlichen Anwesenheit der Mitglieder bei Aufsichtsrats- und Aufsichtsratsausschusssitzungen sowie auf das Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 23. März 2020 GZ 020-0.190.65 betreffend Einreichung von Jahresabschlüssen - Fristenhemmung.
Sobald die Verordnung kundgemacht ist, kann die Stellungnahme zu offenen bzw sich aus der Auslegung der Verordnung ergebenden Fragen erweitert werden.
Zu Rz (3):
Für die Beurteilung des Einzelfalls bei der Anwendung der internationalen Rechnungslegungsnormen sind jedenfalls die aktuellen Auslegungen des IASB, beispielsweise zu IFRS 9, zu berücksichtigen.
Zu Rz (9):
Bei der Beurteilung dieser Frage haben die zur Aufstellung des Jahresabschlusses verpflichteten Mitglieder der Geschäftsführung/des Vorstands gemäß AFRAC 16 Rz (7) eine umfassende Informationsbeschaffungspflicht.
Zu Rz (10):
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass im Einzelfall bei Abschlüssen mit Tochtergesellschaften in der Volksrepublik China auch schon vor dem 31. Dezember 2019 Auswirkungen aus COVID-19 aufgetreten sein könnten.
Gemäß den allgemeinen Ansatz- und Bewertungsgrundsätzen (§ 201 UGB) sind Vermögensgegenstände und Schulden zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten. Dabei sind die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beizubehalten. COVID-19 hat auf diese allgemeinen Grundsätze keine Auswirkung.
Anders zu beurteilen ist die Frage der Bewertung unter der Annahme der Fortführung des Unternehmens sowie die Angaben im Anhang und im Lagebericht. In diesen Fällen sind alle Informationen bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 222 Abs 1 UGB), daher auch alle im Zusammenhang mit COVID-19 stehenden Erkenntnisse und Auswirkungen, zu berücksichtigen.
Weitere grundlegende Informationen finden sich in den fachlichen Hinweisen des deutschen Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung (zum Stichtag 31. 12. 2019) und deren Prüfung vom 4. und 25. März 2020.
Zu Rz (11):
Für den Prognosezeitraum siehe KFS/RL 28 Rz (21) bis (23).
Beim Abgehen von der Going Concern-Annahme ist hinsichtlich der Konsequenzen für die Jahresabschlusserstellung insbesondere KFS/RL 28 Rz (34) f zu beachten.
Zu Rz (12):
In KFS/BW 5 Rz (1) wird als Krise eine Phase der Diskontinuität in der Entwicklung eines Unternehmens definiert, die eine substanzielle Gefährdung des Unternehmensfortbestands darstellt und durch die Unbestimmtheit ihres Ausgangs charakterisiert ist. In KFS/BW 5 werden die unterschiedlichen Formen einer Krise, von der potenziellen bis zur akuten Krise, und Beispiele für Krisensignale dargestellt.
Bei der Analyse ist daher sowohl hinsichtlich der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer akuten Krise als auch bei der Möglichkeit des Erhalts von Unterstützungsmaßnahmen die Unternehmenssituation vor dem Eintritt von COVID-19 zu beachten.
Zu Rz (14):
Unterstützungsmaßnahmen, die in Österreich besondere Bedeutung haben, sind das neue Kurzarbeitsmodell, die Einrichtung eines Notfallfonds sowie die Bereitstellung von Garantien und Haftungen zur Kreditabsicherung. Es ist zu beachten, dass die Hilfe derzeit bis 31. Dezember 2020 begrenzt ist.
Zu Rz (15):
Gemäß dem Leitfaden "Fortbestehensprognose" erscheint in folgenden Fällen die Erstellung einer detaillierten Fortbestehensprognose geboten:
- negatives Eigenkapital im (Entwurf des letzten) Jahresabschluss(es);
- Verlust des halben Nennkapitals, bei anhaltend negativen Erwartungen;
- handfeste Krisensymptome, die eine weitere Verschlechterung der Unternehmenssituation erwarten lassen müssen und bei anhaltend negativen Ergebnissen zu einem Aufzehren des Eigenkapitals im nächsten Jahr führen könnten oder sonst eine Bestandsgefährdung implizieren.
Zu Rz (16):
Bei der Angabe der Art und finanziellen Auswirkung der wesentlichen Ereignisse nach dem Abschlussstichtag ist neben der Finanzlage auch die Vermögens- und Ertragslage zu beachten. Die Auswirkungen sind sowohl in Form von qualitativen Erläuterungen als auch - soweit möglich - durch quantitative Angaben darzustellen. Können quantitative Angaben nicht vorgenommen werden, verlangt IAS 10.21 (b), dass diese Tatsache anzugeben ist. Für das UGB wird eine analoge Vorgehensweise empfohlen.
Zu Rz (17):
Jene Unternehmen, die nicht bereits gemäß § 238 Abs 1 Z 11 UGB verpflichtet sind, Angaben zu den Auswirkungen von COVID-19 zu machen, wie zB kleine Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, haben diese gegebenenfalls daher aufgrund der Generalnorm (§ 222 Abs 2 UGB) bzw im Rahmen der Erläuterung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden unter Annahme der Unternehmensfortführung (§ 237 Abs 1 Z 1 UGB) zu berücksichtigen.
Zu Rz (18):
Siehe dazu KFS/RL 28 Rz (27), das die folgenden Angabepflichten anführt:
- die wesentlichen der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehenden Gründe und seine Pläne, diesen Gründen zu begegnen, angemessen darstellen; und
- zweifelsfrei angeben, dass eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit Gründen besteht, die der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehen, und das Unternehmen daher möglicherweise nicht in der Lage ist, im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs seine Vermögenswerte zu realisieren und seine Schulden zu begleichen.
Zu Rz (20):
Die Risiken sind zumindest in qualitativer Form zu beschreiben. Die zugrundeliegenden Annahmen und die Berechnungsweise bei Zahlenangaben sind zu erläutern. Auf bestandsgefährdende Risiken ist besonders einzugehen und sie sind als solche zu bezeichnen (siehe AFRAC 9 Rz (138)). Die Angabe der Absicherungsstrategie für die beschriebenen Risiken (soweit vorhanden) wird empfohlen. Die voraussichtliche Entwicklung ist zumindest in qualitativer Form darzustellen und hat jedenfalls das nachfolgende Geschäftsjahr zu umfassen.
Zu Rz (21):
Erforderlich ist eine bestmögliche Einschätzung der Dauer und Auswirkung von COVID-19 auf Basis objektiv nachvollziehbarer Informationen, wie beispielsweise Veröffentlichungen der Bundesregierung und den Landesregierungen sowie diesen nachgeordneten Behörden, wissenschaftlichen Publikationen oder auch aus Erfahrungen in anderen Ländern.
Zu Rz (24):
Organe, die mit der Feststellung des Abschlusses betraut sind, sollen in geeigneter Form (zB auch im Rahmen der Sitzung) darauf hingewiesen werden, dass Entwicklungen nach dem Tag der Aufstellung im Abschluss keine Berücksichtigung gefunden haben und es ihnen freisteht, zur Wahrung ihrer Verantwortung die Feststellung davon abhängig zu machen, dass der Abschluss geändert oder ergänzt wird. Auf das Erfordernis einer Nachtragsprüfung ist hinzuweisen.
Für wertaufhellende Erkenntnisse nach Aufstellung des Konzernabschlusses gelten die Ausführungen in der Rz (24) sinngemäß, wobei an die Stelle des Feststellungszeitpunktes der Zeitpunkt des Abschlusses der Prüfung durch das zuständige Organ tritt (siehe auch AFRAC 16 Rz (24)).
Zu Rz (26):
Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entscheidet die Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung. Bei Aktiengesellschaften erstellt der Vorstand einen Gewinnverwendungsvorschlag. Weicht die Hauptversammlung von diesem Gewinnverwendungsvorschlag ab (zB als Vorsichtsmaßnahme infolge von COVID-19), handelt es sich um eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme.
Gemäß § 82 Abs 5 GmbHG (der nach verbreiteter Auffassung analog für die AG gilt) ist der Gewinn auf neue Rechnung vorzutragen, wenn nach dem Stichtag erhebliche und voraussichtlich nachhaltige Verluste/Wertminderungen eingetreten sind. Dies ist in jedem Unternehmen individuell zu entscheiden. Im Zweifel sollte zunächst ein Gewinnvortrag beschlossen werden, zumal nach Besserung/Klärung der Situation die Möglichkeit besteht, im Wege eines Beschlusses den Gewinnvortrag in einen Gewinn umzuwandeln.
Eine Auswirkung auf den Jahresabschluss, in dem der Jahresgewinn und seine Entstehung ausgewiesen sind, ergibt sich nicht.
Zu Rz (27):
Damit wird klargestellt, dass die Folgemaßnahmen aus COVID-19 nach dem Abschlussstichtag wiederum wertaufhellend oder wertbegründend sein können und dass dies im Einzelfall zu untersuchen sein wird.
Zu Rz (28):
Anhaltspunkte für die Entstehung eines wertbegründenden Ereignisses könnten sein: Am 28. Jänner 2020 wurde die erste bekannte Infektion in Italien festgestellt. Am 28. Februar 2020 wurden die ersten behördlichen Maßnahmen in der Lombardei gesetzt und am 8. März 2020 wurde ein Ausgehverbot in Italien erlassen. Am 10. März 2020 erfolgte die Grenzschließung zwischen Italien und Österreich außerdem wurde in Österreich ua ein Versammlungsverbot für Personengruppen ab 500 Personen ausgesprochen.
Zu Rz (29):
Vgl dazu vertiefend den fachlichen Hinweis des IDW zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 2) vom 25. März 2020. Bei der Anwendung dieses fachlichen Hinweises ist auf allfällige abweichende rechtliche Grundlagen in Österreich Bedacht zu nehmen.
Für die Beurteilung einer allfälligen Durchbrechung des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit ist die Zusammenfassung der Rechtslage in KFS/RL 1 Rz (3) besonders hervorzuheben: "Nach § 201 Abs. 2 Z 1 UGB sind die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewendeten Bewertungsmethoden beizubehalten. Ein Abweichen ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände und unter Beachtung der Generalnorm (d.h. der Vermittlung eines möglichst getreuen Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) für die Aufstellung des Abschlusses zulässig (§ 201 Abs. 3 UGB)." Ein Auslöser kann typischerweise die Umstellung von Geschäftsmodellen sein.
Zu Rz (30):
Zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die Durchführung von Impairmenttests wird auf den fachlichen Hinweis des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW vom 25. März 2020 hingewiesen.
Glossar
AFRAC 9 | AFRAC-Stellungnahme 9: Lageberichterstattung gemäß §§ 243 bis 243b, 267 und 267a UGB |
AFRAC 16 | AFRAC-Stellungnahme 16: Wertaufhellung und Wertbegründung vor und nach Aufstellung von Jahres- und Konzernabschlüssen |
COVID-19-GesG | Bundesgesetz betreffend besondere Maßnahmen im Gesellschaftsrecht aufgrund von COVID-19 (Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz) (BGBl I Nr 16/2020) |
IAS 1 | Presentation of Financial Statements (Darstellung des Abschlusses) |
IAS 10 | Events after the Reporting Period (Ereignisse nach der Berichtsperiode) |
IFRS 9 | Financial Instruments (Finanzinstrumente) |
IFRS 15 | Revenue from Contracts with Customers (Erlöse aus Verträgen mit Kunden) |
KFS/BW 5 | Stellungnahme des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation des Instituts für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder: Leitfaden zum Erkennen von Unternehmenskrisen |
KFS/RL 1 | Stellungnahme des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zum Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 201 Abs. 2 Z 1 UGB) und zur Berichterstattung bei Änderungen der Bewertungsmethoden (§ 237 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 201 Abs. 3 UGB) |
KFS/RL 28 | Fachgutachten des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensfortführung gemäß § 201 Abs. 2 Z 2 UGB |
Leitfaden Fortbestehensprognose | Gemeinsame Stellungnahme der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der Wirtschaftskammer Österreich und der KMU Forschung Austria: Leitfaden Fortbestehensprognose, März 2016 |