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Insiderinformation für Insider

WirtschaftsrechtKurt BergerRdW 1995, 133 Heft 4 v. 1.4.1995

Insider sind Personen, die bestimmte Informationen exklusiv und früher als andere Personen erhalten und sich aus dem gezogenen Nutzen regelmäßig mehr leisten wollen, als nur ein „schönes Abendessen mit einer teuren Freundin“1)1)Insidern ist die Quelle bekannt.. Seit der BörseG-Novelle 1993 weht diesen Personen der rauhe Wind des § 48a BörseG ins Gesicht, man könnte fast meinen, daß ein Mehr an Wissen plötzlich schädlich sei, ja sogar strafrechtlich verfolgt werden könnte. Daß dem aber nicht ganz so ist, ist unserem Gesetzgeber zu verdanken, der in weiser Voraussicht durch verwinkelte Bestimmungen dafür Sorge getragen hat, daß dieser Berufsstand nicht bei Brot und Wasser den Abend verbringt. Einschlägig ist die Insider-Regelung des § 48a BörseG. Danach ist es Insidern verboten, ihr Wissen mit dem Vorsatz ausnutzen, sich oder einem Dritten durch Wertpapiertransaktionen einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Während die Begriffsbestimmung des Weitpapiers weit gefaßt ist und den Schluß nahelegt, daß Insiderpapiere solche sind, die einem der drei Marktsegmente zugeordnet werden können2)2) Gruber, WBl 1993, 319; Kalss, Economy 1993, 131; Schärf, RdW 1993, 268, beziehen auch Wertpapiere des „sonstigen Wertpapierhandels“ mit ein; kritisch allerdings Kretschmer/Oppitz, ÖBA 1994, 614, die auf die EB abstellen und Effekten, die im „sonstigen Wertpapierhandel“ gehandelt werden, ausdrücklich ausnehmen. Bei Werten, die im Telefonhandel gehandelt werden, ist man sich wiederum einig., sollen nach dem Insidertatbestand Handlungen hingegen nur dann bestraft werden, wenn sie „im Wertpapierhandel“ erfolgen. Davon sind jene Wertpapiergeschäfte betroffen, die unter Einschaltung der Dienste eines Wertpapierhändlers3)3) Gruber, WBl 1993, 320; Schärf, RdW 1993, 269; Kretschmer/Oppitz, ÖBA 1994, 615; strenger allerdings Kalss, Economy 1993, 131, die jeden Handel von Wertpapieren, die einem der drei Marktsegmente zugeordnet werden können, der Insider-Regelung unterstellt. getätigt werden, unberührt bleiben davon private Geschäfte ohne Inanspruchnahme des Wertpapierhandels4)4)In den EBRV 1110 BlgNr 18. GP 19 heißt es dazu: „Die Tathandlung erfordert zunächst das Ausnützen der Insiderinformation im Weltpapierhandel. Durch die Einschränkung auf den (börslichen oder außerbörslichen) Wertpapierhandel sollen jene Fälle ausgenommen werden, in denen Wertpapiere privat ohne Inanspruchnahme des Wertpapierhandels übertragen werden (zB Verkauf von Wertpapieren innerhalb der Familie oder sonst durch unmittelbare Veräußerung zwischen Privatpersonen ohne Inanspruchnahme professioneller Vermittlung). Eine allfällige Übervorteilung durch unzulängliche oder einseitige Information bei solchen Geschäften wird vom geschützten Rechtsgut des neuen Straftatbestandes, der Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Wertpapiermarkt, nicht erfaßt; unter Umständen kann dabei aber ein anderer Straftatbestand erfüllt werden (zB Betrug).“ Dies entspricht überdies der richtlinienkonformen Auslegung. In Art 2 Abs 3 der entsprechenden Richtlinie 89/592/EWG ABl 1989 Nr L 334 v 18. 11. 1989, 30 ff heißt es nämlich: „Das in Abs 1 vorgesehene Verbot gilt für jeden Erwerb und jede Veräußerung von Wertpapieren, die unter Einschaltung eines Berufshändlers erfolgen.“ Von der Möglichkeit, dieses Verbot auf den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren zu erstrecken, die ohne Einschaltung eines Berufshändlers außerhalb eines Wertpapiermarktes erfolgen, wurde nicht Gebrauch gemacht.. Entgegen der Absicht des Gesetzgebers, für Wertpapier-Sekundärmärkte faire Marktbedingungen sicherzustellen und durch Strafbestimmungen, Insider über „den unmittelbaren Kreis der Börseteilnehmer hinaus“5)5)1110 BlgNr 18. GP 15. abzuschrecken, stellt sich heraus, daß nicht einmal die unmittelbaren Börsenteilnehmer selbst in den Abschreckungsgenuß kommen, nämlich dann nicht, wenn sie Eigengeschäfte aus dem Nostro-Bestand ohne Einschaltung eines Berufshändlers tätigen (soll vorkommen). Ähnlich liegt die Sachlage bei institutionellen Anlegern, die Wertpapiere direkt, also ohne Einschaltung des Wertpapierhandels, veräußern (soll auch vorkommen). Nun stellt sich unweigerlich die Frage nach dem durch die Insider-Regelung geschützten Rechtsgut: Die Materialien6)6)1110 BlgNr 18. GP 15. heben ebenso wie die Präambel zur EU-Insider-Richtlinie das Vertrauen der Anleger in das „reibungslose Funktionieren der Wertpapier-Sekundärmärkte“ durch Sicherstellung „fairer Marktbedingungen“ hervor; kurz: Vertrauen auf marktgerechte Kursbildung durch Gleichbehandlung aller Wertpapierinhaber der gleichen Klasse derselben Gesellschaft. § 48a BörseG erreicht dieses Ziel nach dem Gesagten wohl nicht, denn das Vertrauen der Anleger wird doch durch alle Arten von Insidergeschäften erschüttert, sofern sie kurswirksam werden können, also auch durch private Rechtsgeschäfte.

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