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Keine Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis infolge mangelhafter Kanzleiorganisation bei Vertretung der Kanzleileiterin durch Hilfskraft

Erkenntnisse des VwGHÖStZB 2009/564ÖStZB 2009, 626 Heft 23 v. 1.12.2009

WAO: § 240 Abs 1

BAO § 308

Es kann dem Vertreter eines StPfl als (den minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden vorgeworfen werden, dass seine Kanzleiorganisation die vollständige Einhaltung von Fristen nicht gewährleistet, wenn für den Vertretungsfall (insb Urlaub der Kanzleileiterin) nicht alles vorgekehrt worden ist, was typischerweise geboten ist, um die Versäumung einer Frist hintanzuhalten. Abgesehen davon, dass einer Hilfskraft nicht die Unterscheidung zwischen Fristensachen und anderen Poststücken zugemutet werden kann, bedeutet eine Kanzleiorganisation, wonach eine Sekretariatshilfe Poststücke in Empfang nehmen darf und Fristensachen entweder der Kanzleileiterin oder dem zuständigen Sachbearbeiter vorlegen muss, dass im Fall der Abwesenheit der Kanzleileiterin die Hilfskraft ein Posteingangsstück ohne Eintragung in ein Posteingangsbuch dem Sachbearbeiter weiterleitet, und zwar, wenn der Sachbearbeiter nicht in der Kanzlei tätig ist, in Räumlichkeiten, die sich außerhalb der Kanzlei befinden. Widerspricht es der Kanzleiorganisation auch nicht, Poststücke per Fax dem außerhalb der Kanzleiräumlichkeiten tätigen Sachbearbeiter weiterzuleiten, ohne dass in einem solchen Vertretungsfall die Hilfskraft die in Empfang genommenen Schriftstücke aufzeichnen muss und diese Aufzeichnungen vom Steuerberater oder von der Kanzleileiterin überprüft werden, und hat der Sachbearbeiter Aufzeichnungen über die per Fax in seine Räumlichkeiten weitergeleiteten Poststücke auch nicht zu führen, vermag der VwGH der Beurteilung der Beh, dass die Organisation des Kanzleibetriebes nicht so eingerichtet ist, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen auch für den Vertretungsfall sichergestellt ist, nicht entgegenzutreten. Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Beh diesen Mangel in der Organisation des Kanzleibetriebes dem Parteienvertreter als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden iSd § 240 Abs 1 WAO zugerechnet hat. Auf Verschulden der Hilfskraft des Parteienvertreters kommt es nicht an.

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