I. Einleitung: Praktische Bedeutung des Themas
Die praktische Bedeutung des Themas „Gestaltungsmissbrauch und europäisches Steuerrecht“ kann in einer Zeit, in welcher die Mitgliedstaaten allerlei Richtlinien, insbesondere die Fu-sionsrichtlinie (in der Neufassung durch die Änderungsricht-linie vom 17. Februar 20052) - FRL), in ihre nationalen Rechte umsetzen, am besten gezeigt werden durch einen Hinweis auf den Art 11 Abs 1 ebendieser Richtlinie. Er sieht eine Versagung des Richtlinienschutzes dann vor, wenn der betreffende Rechtsvorgang als hauptsächlichen Beweggrund oder als einen der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder -umgehung hat, wovon ausgegangen werden kann, wenn einer der in Art 1 genannten Vorgänge nicht auf vernünftigen wirtschaftlichen Gründen - insbesondere der Umstrukturierung oder der Rationalisierung der beteiligten Gesellschaften - beruht ...“ 3). Ebenso enthält Art 5 der Richtlinie über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten vom 3. Juni 20034) eine solche Missbrauchsklausel, ferner Art 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie (MT-RL)5). Schließlich lässt sich generell die Frage aufwerfen, ob dort, wo Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umgesetzt worden ist, die nationalen Missbrauchsvorschriften ohne weiteres anwendbar sind, wie es in der nunmehr entschiedenen Rs Halifax ua/Commissioners of Customs and Excise geschehen ist.