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Stellenwert von Morphin in Retardform in Österreich unter dem Aspekt europäischer Entwicklungen

Wissenschaftliche AbhandlungenHans Haltmayer1)1)Dr. med. Hans Haltmayer war zuletzt als 1. Vorsitzender der ÖGABS (ruhend gestellt seit 1.11.2013) und als Referent für Substitution und Drogentherapie der Ärztekammer Wien tätig. Er ist ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien GmbH und seit 1.11.2013 Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien.JSt 2013, 213 Heft 5 und 6 v. 15.12.2013

Gesetzliche Regelung entgegen dem Stand der Wissenschaft

Wie bei keinem anderen Erkrankungsbild wird in der Substitutionsbehandlung versucht, die ärztliche Entscheidungsfreiheit einzuschränken. So soll beispielsweise bei der Auswahl des passenden Substitutionsmedikamentes nicht das spezifische Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil der Substanz sowie die Wirkung am individuellen Patienten im Fokus der ärztlichen Entscheidungsfindung stehen, sondern die "Pro-futuro-Verhinderung" einer nichtbestimmungsgemäßen Verwendung. In Österreich hat diese Einflussnahme dazu geführt, dass eine Unterscheidung in Arzneimittel der "ersten Wahl" und der "nicht ersten Wahl" getroffen wurde und dass diese Einschränkung Eingang in die Suchtgiftverordnung (SV) fand. Die in der Novelle der österreichischen Suchtgiftverordnung2)2)BGBl II Nr. 451/2006. vorgenommene Reihung und Festschreibung von Methadon und Buprenorphin als "Mittel der ersten Wahl" erfolgte dabei ohne wissenschaftliche Begründung und ist aus ärztlicher Sicht abzulehnen. Die in Österreich zur Verfügung stehenden Substitutionsmittel sind grundsätzlich als gleichrangig anzusehen3)3)Haltmayer, Suchtmed 2009, 281 ff; Fischer/Kayer, Psychiatrie & Psychotherapie 2006, 39 ff.. Die SV gibt dennoch vor, dass nur bei "Unverträglichkeit der Mittel der ersten Wahl" andere Substitutionsmittel verschrieben werden dürfen. Dies stellt insofern ein bemerkenswertes Unikum dar, als in keinem anderen medizinischen Bereich eine ministerielle Vorschrift existiert, die die ärztliche Wahl von Arzneimitteln im therapeutischen Kontext regelt. Seitens der Bundesbehörde wurde die Verordnungen damals als "unverzichtbare Angleichung von Qualitätssicherung, Abgabesicherheit und Kontrolle an internationale Standards" argumentiert und durch den Hinweis auf eine bestehende Schwarzmarktproblematik sowie Todesfälle im Zusammenhang mit Substitutionsmedikamenten (va "Slowrelease-Morphine") verteidigt. In der Praxis zeigte der Versuch, die Verschreibung dieser Arzneimittel einzuschränken, keinen Erfolg: 55 % Morphin in Retardform (Substitol®, Compensan®), 21 % Methadon, 18 % Buprenorphin (Subutex®, Suboxone®) beträgt der Verschreibungsanteil in Österreich4)4)Weigl, Bericht zur Drogensituation, GÖG 2012, 57..

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