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"Absprachen im deutschen Strafverfahren"

Österreichische RichterInnenwoche 2010 "Die Reform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens"Dienstag, 18.5.2010Alexander IgnorJSt 2010, 87 Heft 3 v. 1.5.2010

Der strafprozessuale Begriff der "Absprache" bzw. der "Verständigung" ieS bezeichnet, kurz gesagt, die Verabredung einer milde(re)n Strafe gegen ein Geständnis zwecks Verkürzung der Hauptverhandlung. Sie stellt in Deutschland kein neuartiges Phänomen dar, sondern wird bereits seit ca 30 Jahren informell praktiziert und diskutiert. Der BGH hat sich erstmals im Jahr 1997 umfassend zur Zulässigkeit von Absprachen geäußert und diese für "nicht generell unzulässig" erachtet, aber konkrete Anforderungen an die Praxis gestellt: Zum einen müsse die Absprache dem Rechtsstaatsgebot Rechnung tragen. Dies schließe sowohl eine Übereinkunft über den Schuldspruch als auch einen Rechtsmittelverzicht vor Verkündung des Urteils aus. Zum anderen müsse dem Grundsatz der Öffentlichkeit durch die Offenlegung der Ergebnisse der Verständigung Rechnung getragen werden. Weiterhin dürfe keine sogenannte Punktstrafe vereinbart, sondern nur eine Strafobergrenze für den Fall eines glaubhaften Geständnisses in Aussicht gestellt werden; hierbei dürfe der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden. Im Jahr 2005 kulminierten die Spannungen zwischen den höchstrichterlichen Bemühungen um eine Strukturierung der Verständigung und den praktischen Usancen in einem Beschluss des Großen Senats für Strafsachen. Hierin entwickelte der Senat die Rechtsfigur der "qualifizierten Belehrung", der zufolge nach jedem Urteil, dem eine Absprache zugrunde liegt, der Beschuldigte darüber zu belehren ist, dass er- ungeachtet des Inhalts der Abrede - frei ist, gegen das Urteil ein Rechtsmittel einzulegen. Die Entscheidung des Großen Senats schließt mit einem Appell an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen Voraussetzungen einer Verständigung in Gesetzesform zu gießen. Der Gesetzgeber ist mit dem am 04.08.2009 in Kraft getretenen "Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren" diesem Appell nachgekommen. Das Gesetz normiert kein eigenständiges "Verständigungsverfahren", sondern erweitert das in der StPO geregelte Strafverfahren durch einzelne Normeinschübe und -ergänzungen um die Möglichkeit einer Verständigung. In inhaltlicher Hinsicht hat sich der Gesetzgeber nicht darauf beschränkt, die Vorgaben der Rechtsprechung zu übernehmen, sondern zT weitergehende Regelungen getroffen. Zudem hat er allgemeine Bestimmungen zur Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten geschaffen, die der Verfahrensförderung dienen sollen. Zentrale Vorschrift der Neuregelungen ist § 257c StPO, der in seinen Abs 1 und 3 bestimmte Verfahrensanforderungen aufstellt. Die Norm lautet wörtlich:

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