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Geringe Schuld und Verbandsverantwortlichkeit: Die mangelnde Strafwürdigkeit (§ 42 StGB, § 25 FinStrG) im VbVG

Wissenschaftliche AbhandlungenRupert Manhart,JSt 2007, 90 Heft 3 v. 1.5.2007

1. Einleitung

Seit 1. Jänner 2006 sind Verbände - im Wesentlichen juristische Personen und Personengesellschaften (§ 1 Abs 2 VbVG) - für Straftaten ihrer Mitglieder verantwortlich.11Die diesbezüglichen Gesetze sind das Verbandsverantwortlichkeits gesetz (VbVG), BGBl I 2005/151 und das Abgabenänderungs gesetz 2005, BGBl I 2005/161. Zu den Anpassungen im FinStrG vgl Althuber/Huber, Verbandsverantwortlichkeit und Finanzstrafrecht, taxlex 2005, 617. Die Zurechnungskriterien, durch die der Verband für die Tat seiner Entscheidungsträger (§ 3 Abs 2 VbVG) und seiner Mitarbeiter (§ 3 Abs 3 VbVG) haftbar gemacht wird, erfordern jedoch nicht, dass die handelnden Personen selbst strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.22 Hilf, Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (2006) § 3 Anm 1. Der Text des VbVG lässt dabei insbesondere offen, inwieweit Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe auch dem Verband zugute kommen sollen. Gerade im FinStrG ist der Strafausschließungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat von großer praktischer Bedeutung, weshalb seine Anwendung auch auf Verbandstaten zu untersuchen ist.33Diese Abhandlung wurde durch die Diskussionen anlässlich der 11. Finanzstrafrechtlichen Tagung am 2. März 2006 in Linz angeregt. Den Teilnehmern sei hiermit herzlich für ihre Diskussionsbeiträge gedankt. Dabei ist ein offensichtliches Paradoxon zu lösen, denn Voraussetzung der mangelnden Strafwürdigkeit ist primär das Kriterium der geringen Schuld bzw des geringfügigen Verschuldens. Wie kann aber ein solches Kriterium im Verbandsstrafrecht zu verstehen sein, das sich von den herkömmlichen Kategorien des Schuldstrafrechts gelöst hat?44Bei der Diversion (§ 19 VbVG) hat der Gesetzgeber im Übrigenauf die im Individualstrafrecht vorgesehene Bedingung der nichtschweren Schuld (§ 90a Abs 2 Z 2 StPO) verzichtet, da es kaumauf die Verantwortlichkeit von Verbänden übertragbar sei; vgl EBRV 994 BlgNR 22. GP , 35.

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