§§ 32 ff StGB; § 180 Abs 1 letzter Satz StPO; GRBG
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Nach § 180 Abs 1 letzter Satz StPO ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Bedeutung der Sache "oder der zu erwartenden Strafe" vorzunehmen. Unter der demnach maßgeblichen "zu erwartenden Strafe" ist - nach Wortlaut und Sinn der Bestimmung - die nach den Regeln des 4. Abschnitts des AT des StGB zu bemessende Strafe zu verstehen. Deren Höhe, die als exakte Messgröße eindeutige Aussagen ermöglicht, ist somit Gegenstand des Vergleichs mit der Dauer der Untersuchungshaft. Kein gesetzliches Kriterium der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hingegen - den Intentionen der Grundrechtsbeschwerde und der Äußerung nach § 35 Abs 2 StPO zuwider - die im 5. Abschnitt des AT des StGB geregelte Frage, ob und unter welchen Bedingungen es zum Vollzug der - solcherart bereits ausgesprochenen, also unabhängig davon bereits existenten - Strafe kommt. Ob eine Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wird oder nicht, spielt daher für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 180 Abs 1 letzter Satz StPO keine Rolle. Anders als in den Fällen, in denen überhaupt keine Strafe zu erwarten ist (vgl § 6 Abs 1 und 3 JGG, § 7 JGG [§ 90b StPO], §§ 12, 13 JGG), sodass jede Untersuchungshaft unverhältnismäßig wäre (13 Os 92/03), kann somit bei jeder zu erwartenden Strafe, also auch einer Freiheitsstrafe, zu deren Vollzug es (zumindest vorerst: vgl § 53 Abs 1 und 2 StGB) nicht kommt, die Untersuchungshaft verhängt und aufrecht erhalten werden (vgl Jerabek in WK² § 43 Rz 30).