I. Einleitung
Dem Gesetzgeber des ErbRÄG 20152) war es ein Anliegen, der Tatsache entgegenzuwirken, dass "aufopfernde und umfangreiche [Pflege]Leistungen Angehöriger nicht selten unter den Tisch fallen". Oftmals würden "aus einer Beistandspflicht heraus oder aus moralischen Gründen – im emotionalen, aber auch monetären Sinn – wertvolle Pflegeleistungen an den Verstorbenen erbracht, deren Abgeltung aber nicht bedacht wurde".3) Er hat sich daher zur Schaffung eines gesetzlichen Abgeltungsanspruches für Pflegeleistungen Angehöriger entschlossen, welche keine Gegenleistung unter Lebenden oder von Todes wegen dafür erhalten. Dogmatisch siedelte er diesen Anspruch im Erbrecht an, wo er sich als neues gesetzliches Vermächtnis in den §§ 677 f ABGB findet. Die Frage der Angemessenheit dieser dogmatischen Ausgestaltung wurde in der Literatur bereits breit diskutiert und mehrfach kritisiert. Dass das Pflegevermächtnis gewissermaßen als Gegenleistung für die erbrachte Pflege stark schuldrechtlichen Charakter aufweist, kann nicht geleugnet werden. So wird diesem etwa eine "janusköpfige Rechtsnatur" zwischen Vermächtnis und Pflichtteilsrecht4) zugeschrieben bzw ist von einem "schuldrechtlichen Anspruch im erbrechtlichen Kleid"5) die Rede. Was auf den ersten Blick als eine pragmatische Lösung des gesetzgeberischen Anliegens erscheint – über den Anspruch soll primär im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens eine Einigung erzielt werden (vgl § 181 Abs 1 AußStrG) – wirft bei genauerer Betrachtung tatsächlich einige bedeutsame Fragen auf. Nicht zuletzt wird die Praxis früher oder später auch mit der Frage der Anwendung dieses neuen Rechtsinstituts in (Erb-)Fällen mit internationalem Bezug konfrontiert werden. Wenn der Anspruch aus Sicht des innerstaatlichen Rechts als Vermächtnis formal auch dem Erbrecht zuzuordnen ist, so ist eine entsprechende erbrechtliche Qualifikation im IPR mE nicht zwingend. Nach hA hat die kollisionsrechtliche Qualifikation, also die Frage der Zuordnung einer Rechtsfrage zu einem bestimmten Anknüpfungsgegenstand – funktionell bzw autonom zu erfolgen. Demnach hat eine am Normzweck orientierte teleologische6) Auslegung der jeweiligen Kollisionsnormen zu erfolgen.7) Damit ist gleichsam nicht allein die nationale dogmatische Ausgestaltung eines Anspruches für die Zuordnung der entsprechenden Rechtsfrage zu einer bestimmten kollisionsrechtlichen Norm ausschlaggebend. Es kann daher im gegebenen Zusammenhang zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass der dem Pflegevermächtnis zugrundeliegende Sachverhalt, ungeachtet der dogmatischen Ausgestaltung des erbrechtlichen Anspruchs des Pflegevermächtnisses, nicht erbrechtlichen Kollisionsnormen unterliegt, sondern aufgrund seines stark schuldrechtlichen Charakters von anderen Systembegriffen erfasst wird.