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Thesen zur lex-lata-Grenze der Rechtsfindung*)*) Claus-Wilhelm Canaris, einer der seit Jahrzehnten das deutsche, aber nicht nur das deutsche Privatrecht am stärksten prägenden Rechtswissenschaftler, ist am 1. 7. 1997 60 Jahre alt geworden. Seine akademischen Schüler haben aus diesem Anlaß am 4. 7. 1997 in München unter starker, auch internationaler Beteiligung ein Symposion zu dem - Person und Werk des Jubilars sehr angemessenen - Gesamtthema „Einheit und Folgerichtigkeit im juristischen Denken“ veranstaltet. Die dabei gehaltenen Referate werden in ausgearbeiteter Abhandlungsform als Sammelband im Beck-Verlag erscheinen. Canaris hat auch die Anwendung und Entwicklung des österr Rechts erheblich beeinflußt; in erster Linie durch seine wichtigen Standardwerke und durch seine zahlreichen monographischen Untersuchungen, die stets so tief dringen, daß ihre grundlegenden Ergebnisse und Argumente ungeachtet unterschiedlicher positivrechtlicher Einzelheiten auch hier weiterführen können. Darüber hinaus hat er auch das österr Recht und seine Literatur und Rsp in seinen Publikationen stärker beachtet, als das sonst (sogar unter professionellen Rechtsvergleichern) üblich ist. Er hat ferner, in den letzten Jahren verstärkt, die österr Rechtsliteratur auch unmittelbar ungemein bereichert (vgl insb: Funktionen und Rechtsnatur des Kontokorrent, FS Hämmerle [1972] 55 ff; Schweigen im Rechtsverkehr als Verpflichtungsgrund, FS Wilburg [1975] 77 ff; Bewegliches System und Vertrauensschutz im rechtsgeschäftlichen Verkehr, in: Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht [1986] 103 ff; Grundprobleme des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, JBl 1991, 205 ff; Richtigkeit und Eigenwertung in der richterlichen Rechtsfindung, Grazer Universitätsreden, Heft 50 [1993] 23 ff; Die Gefährdungshaftung im Licht der neueren Rechtsentwicklung, JBl 1995, 2 ff; Die Haftung des nicht-legitimierten Wechselinhabers gegenüber dem Remittenten bei unbefugter Einlösung des Papiers. Zugleich eine Besprechung der Entscheidung des OGH vom 27. 4. 1994, ÖBA 1995, 75 ff). Auch die sonstigen Beziehungen des Jubilars zu Österreich sind vielfältig: Seine akademische Karriere als Professor begann vor vielen Jahren in Graz. Zu seinen vier Ehrendoktoraten zählt jenes der Grazer juristischen Fakultät; zu seinen Akademiezugehörigkeiten die korrespondierende Mitgliedschaft im Ausland der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bei einer Reihe von fachwissenschaftlichen Veranstaltungen hat er auch in Österreich als hochgeschätzter Vortragender gewirkt. So erschien es geboten, auch in einer österr Fachzeitschrift den Anlaß zu würdigen. Die Veröffentlichung der auf dem Symposion vorgetragenen, sehr verkürzten Referatsfassung meines Beitrages bot sich dafür an, da das Thema in der österr Literatur kaum speziell behandelt zu sein scheint. Für die notwendige Vertiefung und vor allem für alle näheren Belege muß ich auf die ausführlichere Fassung der Arbeit im Sammelband verweisen. - In der vorliegenden Vortragsfassung sind durch die Nennung der Verfassernamen bloß die folgenden Werke in Bezug genommen: Zeiller, Commentar I (1811) bzw bei Ofner, Protokolle I (1889); Neuner, Die Rechtsfindung contra legem (1992); Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung (1996); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe3 (1995);Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre (1982); Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz2 (1983);derselbe, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (1983);Wilburg, Entwicklung eines Beweglichen Systems im bürgerlichen Recht (1950).

AufsätzeUniv.-Prof. Dr. DDr. h.c. Franz BydlinskiJBl 1997, 617 Heft 10 v. 20.10.1997

Dieser Beitrag sucht in komprimierter Form die Außengrenze zulässiger Rechtsfindung aus geltendem Recht zu ermitteln, also jene Grenze, ab der eine rechtliche Problemlösung trotz dafür sprechender legitimer Argumente gegen die Bindung an das Gesetz verstößt. Solchen Argumenten bleibt „nur“ Bedeutung für nationale Bemühungen um die lex ferenda.

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