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Unterlassung der Anzeige nach § 84 StPO – Amtsmißbrauch?

AufsätzeAss.-Prof. Dr. Ursula MedigovicJBl 1992, 420 Heft 7 v. 1.7.1992

1. Ausgangssituation

Nach § 84 StPO sind alle öffentlichen Behörden und Ämter schuldig, die entweder von ihnen selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten strafbaren Handlungen, die nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen sind, sogleich dem Staatsanwalte des zuständigen Gerichtes anzuzeigen1)1)Bezüglich dieser Bestimmung wird im Entwurf eines StrafrechtsänderungsG 1992 des BMJ, 318.007/9-II I/91, eine Änderung vorgeschlagen. Danach soll § 84 StPO lauten:
„(1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung bekannt, die ihren besonderen gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an eine Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde verpflichtet.
(2) Ein Recht zur Anzeige, aber keine Pflicht nach Abs 1 besteht, 1. wenn der Verdacht lediglich eine strafbare Handlung betrifft, für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß sechs Monate nicht übersteigt, 2. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, 3. wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.“
Ohne auf die damit vorgeschlagene Änderung detailliert einzugehen, sei angemerkt, daß diese nicht nur eine Einschränkung, sondern tendenziell auch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Anzeigepflicht bedeutet: Durch die Änderung des Adressatenkreises der „öffentlichen Behörde“ in „Behörde“ wird der Möglichkeit einer restriktiven Interpretation dieses Adressaten, wie sie etwa von Burgstaller, Anzeigepflicht der Notariatskammern gemäß § 84 StPO?, JBl 1991, 341, für die Notariatskammern vorgeschlagen wurde, der Boden entzogen.
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