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Die Neuorientierung des strafprozessualen Legalitätsprinzips

AufsätzeUniv.-Ass. Dr. Einhard SteiningerJBl 1986, 289 Heft 9 und 10 v. 17.5.1986

5. Die Legitimitätskrise des Legalitätsprinzips

a) Die Unterwanderung des Legalitätsprinzips durch informelle Verhaltensstrategien im materiellen Ermessensbereich; dargestellt anhand kriminologischer Untersuchungen100)100)Entnommen und zusammengestellt großteils aus den Untersuchungen von Blankenburg–Sessar–Steffen, Sessar, Driendl, Nachweis ist hier in Anm 16. Vgl zur Auswertung dieser Untersuchungen den Überblick bei Moos, Reform 195 ff.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, bietet § 34 Abs 1 materiell besehen einen erheblichen Ermessensspielraum. Dies folgt zwangsläufig aus dem Gesetzesbegriff „strafbare Handlungen“, der den Staatsanwalt anweist zu prüfen, ob eine materiellrechtlich strafbare und prozessual verfolgbare Tat vorliegt. Gerade das materielle Strafrecht weist in besonderem Maße unbestimmt, normative Merkmale auf. Das gesamte rechtstheoretische Ermessen der tatbestandsbegründenden Normen bis hin zu dem der Strafbefreiungsgründe fließt somit in die Strafverfolgungsentscheidung nach dem Legalitätsprinzip ein. Besonders Merkmale, die sich an der Sozialadäquanz oder an einer gewissen Erheblichkeitsschwelle orientieren, präjudizieren geradezu eine unterschiedliche Auslegung und damit auch eine unterschiedliche Strafverfolgungspraxis. Dazu darf ferner nicht übersehen werden, daß proportional zum rechtlichen Freiraum auch die Eigenständigkeit des Staatsanwalts bei der Sachverhaltsermittlung steigt101)101)Zwischen Ermessen und Beweiswürdigung besteht der Unterschied, daß das Verhalten der Behörde bei der Ermessensübung auf seine Rechtmäßigkeit nicht hinterfragt werden kann. Bei der Beweiswürdigung existiert hingegen ein objektiver Maßstab, nämlich das tatsächliche Geschehen, vgl Bernard, Gebundenheit und Ermessen aaO 94.. Somit hat der Staatsanwalt grundsätzlich auch bei der Aufbereitung des subsumtionsrelevanten Sachverhalts einen faktischen Spielraum. Dieser wird insbesondere dadurch gesteigert, daß er bei allen Überlegungen den Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten hat102)102)Der Grundsatz „in dubio pro reo“ verpflichtet nach hM auch den Staatsanwalt, siehe etwa Foregger, StPO-AK 3078; Fischlschweiger; ZStW 1979, 749, denselben, StPO-AK 3074; Moos, Reform 102; Nowaklowski, ZStW 1980, 274 f; Pallin, AnwBl 1976, 3. AA Jahoda, AnwBl 1976, 67; Stoiber, Der Staatsbürger 1970, F 14, S 1.. Auf Beweisebene führen bevorzugt subjektive Tatbestandsmerkmale zu frühzeitigem Resignieren unter dem Deckmantel mangelnder Nachweisbarkeit.

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