5. Die Legitimitätskrise des Legalitätsprinzips
a) Die Unterwanderung des Legalitätsprinzips durch informelle Verhaltensstrategien im materiellen Ermessensbereich; dargestellt anhand kriminologischer Untersuchungen100)
Wie bereits oben ausgeführt wurde, bietet § 34 Abs 1 materiell besehen einen erheblichen Ermessensspielraum. Dies folgt zwangsläufig aus dem Gesetzesbegriff „strafbare Handlungen“, der den Staatsanwalt anweist zu prüfen, ob eine materiellrechtlich strafbare und prozessual verfolgbare Tat vorliegt. Gerade das materielle Strafrecht weist in besonderem Maße unbestimmt, normative Merkmale auf. Das gesamte rechtstheoretische Ermessen der tatbestandsbegründenden Normen bis hin zu dem der Strafbefreiungsgründe fließt somit in die Strafverfolgungsentscheidung nach dem Legalitätsprinzip ein. Besonders Merkmale, die sich an der Sozialadäquanz oder an einer gewissen Erheblichkeitsschwelle orientieren, präjudizieren geradezu eine unterschiedliche Auslegung und damit auch eine unterschiedliche Strafverfolgungspraxis. Dazu darf ferner nicht übersehen werden, daß proportional zum rechtlichen Freiraum auch die Eigenständigkeit des Staatsanwalts bei der Sachverhaltsermittlung steigt101). Somit hat der Staatsanwalt grundsätzlich auch bei der Aufbereitung des subsumtionsrelevanten Sachverhalts einen faktischen Spielraum. Dieser wird insbesondere dadurch gesteigert, daß er bei allen Überlegungen den Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten hat102). Auf Beweisebene führen bevorzugt subjektive Tatbestandsmerkmale zu frühzeitigem Resignieren unter dem Deckmantel mangelnder Nachweisbarkeit.