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Bundesverfassungsgericht und soziale Grundrechte*)*)Überarbeitete Fassung eines Gastvortrags vom 17.6.1980 vor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck.

AufsätzeUniv.-Prof. Dr. Dieter LorenzJBl 1981, 16 Heft 1 und 2 v. 24.1.1981

I. Bedeutung und Struktur sozialer Grundrechte

1. Einführung

Im Jahre 1960 erhob ein Bewohner des Freistaates Bayern unter Berufung auf das in der Bayerischen Verfassung garantierte Recht auf Arbeit (Art 166 Abs 2) Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Das Gericht wies den Antrag ab, nachdem es aufgrund eingehender historischer und verfassungssystematischer Argumentation zum Ergebnis gelangt war, daß die Verfassung dem Einzelnen insoweit keine Ansprüche einräume. „Der Staat wäre denn auch ... außerstande, jedem einzelnen Bürger gegenüber dafür einzustehen, daß er sich durch Arbeit eine auskömmliche Existenz beschaffen könne, gleichviel welche wirtschaftliche Lage in der Welt, besonders aber in Deutschland und bei seinen Partnern bestehen mag“1)1)BayVfGH, VGHE nF 13 II 141 (144) mit Anm von Krüger, DVBl 1961, 712 f.. Auf der anderen Seite hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in einer wahrhaft grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1954 ohne spezielle Grundlage aus einer Zusammenschau verschiedener Verfassungsprinzipien ein verfassungsmäßiges Recht auf Fürsorge gefolgert2)2)BVerwGE 1, 159 (161). und ist hierin auch durch das Bundesverfassungsgericht (BVfG) bestätigt worden3)3)BVfGE 40, 121 (133); vgl auch schon E 1, 97 (105); vgl ferner Wand, Das Sozialrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, VSSR 2 (1974) 56; Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, in: Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, 95 f; Daum, Soziale Grundrechte, RdA 1968, 83.. Dasselbe Gericht erkannte erst in jüngster Zeit Ansprüchen, die dem Einzelnen aus der Sozialversicherung erwachsen, die Qualität verfassungsrechtlich gesicherter Eigentumspositionen zu4)4)BVfG 28.2.1980 DVBl 1980, 366.. Wohl am bekanntesten geworden ist seine Rechtsprechung zum Problem des numerus clausus, in der ein grundsätzlicher Anspruch auf Hochschulzugang anerkannt und ein Recht auf Schaffung von Ausbildungsplätzen erwogen wurde, und deren verfassungstheoretische, rechtspraktische und hochschulpolitische Folgen nach wie vor in der Diskussion sind5)5)Vgl dazu unten sub III 3 a..

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