I. Schuld als Rechtsbegriff
Den dogmatisch erreichten Stand des Schuldbegriffs im neuen Strafrecht zu bestimmen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber verwendet zwar an Schlüsselstellen des neuen StGB (bes §§ 4, 13, 32 StGB) den Begriff der Schuld, überläßt dessen inhaltliche Ausfüllung aber Rechtslehre und Rechtsprechung. Dies wird man grundsätzlich auch gutheißen müssen, weil sich hier die Entwicklung in vollem Gange befindet und sicher noch fortdauert. Da es damit aber von Rechtsprechung und Rechtslehre abhängt, was das im Gesetz verankerte Schuldstrafrecht letztlich bedeutet, ist hier ein Schwerpunkt für gegenwärtige und zukünftige kriminalpolitische und strafrechtsdogmatische Bemühungen. Vorgegeben durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes1) und aufgrund der systematischen Zuordnung der einzelnen Vorschriften im Gesetz ist aber, daß von einem Begriff der Tatschuld auszugehen ist. „Nach dem Strafgesetzbuch handelt es sich bei der Schuld nicht um einen durch verschuldete schlechte Lebensführung gekennzeichneten Charakterfehler (Lebensführungsschuld), sondern darum, daß der Täter einer konkreten Versuchung nachgegeben und damit durch sein Handeln den Schuldvorwurf auf sich geladen hat (Tatschuld)“2). Dies bedeutet, daß dem Täter nur die einzelne rechtswidrige Verfehlung als konkretes, exakt umgrenzbares Geschehnis zur Last gelegt werden3) und keine Generalabrechnung wegen einer verfehlten Lebensführung bzw Charakterhaltung erfolgen darf.