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Einbringungsmaßnahmen gegen die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft)

BMF2024-0.235.22926.3.20242024Einbringungsmaßnahmen gegen die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft)

Einbringungsmaßnahmen gegen eine nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigung (Personengemeinschaft) sind mangels Rechtsfähigkeit nicht möglich. Damit Einbringungsmaßnahmen gegen die Gesellschafter (Mitglieder) der nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) durchgesetzt werden können, müssen an diese Leistungsgebote ergehen.

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 6 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 1175 ff ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 227 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 Abs. 1 bzw. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 825 ff ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811

Schlagworte:

Leistungsgebot, Gesamtschuldner, Personenvereinigung, Gesellschaft nach bürgerlichem Recht

Verweise:

BMF 30.10.1995, 05 0201/1-IV/5/03
VwGH 22.02.2001, 95/15/0058
VwGH 04.05.2023, Ra 2020/16/0114
VwGH 22.02.1995, 95/13/0031
VwGH 29.05.2001, 2001/14/0033
VwGH 09.12.1992, 91/13/0013
VwGH 18.12.1992, 89/17/0193
VwGH 21.05.1992, 90/17/0036
VwGH 18.03.1994, 93/17/0047
VwGH 30.09.2015, Ra 2014/15/0023
VwGH 17.11.1993, 93/17/0084
VwGH 28.09.2011, 2008/13/0180
VwGH 24.10.2012, 2011/17/0245
VwGH 14.05.1992, 92/16/0013

 

Dieser Erlass ersetzt den Erlass vom 30. Oktober 1995, GZ. 05 0201/1-IV/5/03.

1. Allgemeines

Zivilrechtlich nicht rechtsfähige Gebilde (zB Gesellschaften nach bürgerlichem Recht) können abgabenrechtlich Steuersubjekte sein (zB gemäß § 2 UStG 1994 hinsichtlich der Umsatzsteuer). Der Abgabenbescheid richtet sich an das Steuersubjekt (das nicht rechtsfähige Gebilde). Die Gesellschafter sind in diesem Fall gemäß § 6 Abs. 2 BAO Gesamtschuldner.

Gegen die Gesellschaft kann mangels bürgerlicher Rechtsfähigkeit nicht Vollstreckung geführt werden. Lautet der Abgabenbescheid auf die Gesellschaft, kann damit nicht gegen Gesellschafter Exekution geführt werden. Maßnahmen gegen die Gesellschafter erfordern ein konkretes Leistungsgebot an ebendiese Gesellschafter. Unter dem Begriff "Leistungsgebot" versteht man die Aufforderung mittels Bescheid zur Erbringung der geschuldeten Leistung.

Dieses Leistungsgebot hat gegebenenfalls durch Zustellung eines Bescheides, der an den (die) Gesellschafter gerichtet ist, zu erfolgen. Sind Abgabenbescheide an die Personenvereinigung ergangen, ergeht dieser Bescheid, der gemäß § 199 BAO auch als einheitlicher Bescheid an mehrere oder an alle Gesellschafter als Gesamtschuldner der Abgabe erlassen werden kann, zusätzlich zu den ursprünglich bekannt gegebenen Abgabenbescheiden an die Personenvereinigung bzw. zusätzlich zu den durch sie bekannt gegebenen Selbstberechnungen.

Nach bürgerlichem Recht rechtsfähige Gebilde (zB OG, KG) sind vom vorliegenden Erlass nicht erfasst, da gegen nach bürgerlichem Recht rechtsfähige Gebilde direkt Vollstreckung geführt werden kann.

2. Notwendigkeit eines an die Gesellschafter (Mitglieder) gerichteten Leistungsgebotes

Nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigungen (Personengemeinschaften, im Folgenden "Personenvereinigung"), wie etwa Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GesbR) nach §§ 1175 ff ABGB oder (schlichte) Miteigentumsgemeinschaften nach §§ 825 ff ABGB, können Abgabenrechtssubjekte (zB nach dem UStG 1994) und somit auch Abgabenschuldner sein. Auch wenn gegen diese mangels Rechtsfähigkeit keine Einbringungsmaßnahmen möglich sind (vgl. VwGH 22.2.2001, 95/15/0058), haben die Abgabenbescheide an die Personenvereinigung als Abgabensubjekt zu ergehen. Da Abgabenbescheide - von Fällen der Gesamtrechtsnachfolge (§ 19 BAO) abgesehen - nur gegen den im Bescheid genannten Bescheidadressaten Wirkung entfalten können, wird mit den an die nicht rechtsfähige Personenvereinigung ergangenen Abgabescheiden nur gegen diese ein wirksames Leistungsgebot erlassen und somit der Abgabenzahlungsanspruch begründet. Die Nennung der Person, die die Leistung zu erbringen hat und die Art der Leistung müssen - jedenfalls bei Rückstandsausweisen, die auf Bescheiden mit Leistungsgebot (wie insbesondere Abgabenfestsetzungsbescheide und Haftungsbescheide) beruhen - mit den Leistungsgeboten übereinstimmen (vgl. VwGH 4.5.2023, Ra 2020/16/0114 mwN). Mangels zivilrechtlicher Rechtspersönlichkeit kann jedoch das an die Personenvereinigung ergangene Leistungsgebot in Form eines Abgabenbescheides nicht zwangsweise durchgesetzt werden.

Die Gesellschafter (Mitglieder) der Personenvereinigung sind nach § 6 Abs. 2 BAO Gesamtschuldner hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung als solche abgabepflichtig ist (vgl. VwGH 22.2.1995, 95/13/0031, VwGH 29.5.2001, 2001/14/0033). Die Gesamtschuld entsteht gleichzeitig mit der Entstehung der Abgabenschuld (§ 4 BAO).

Sind Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich Abgaben notwendig, für welche die Personenvereinigung Abgabenschuldnerin ist, müssen daher wirksame Leistungsgebote an die beteiligten Gesellschafter (Mitglieder) erlassen werden.

Abgabenbescheide, die lediglich an die Personenvereinigung gerichtet sind (zB an A- und Mitges, B- und Mitbes, ARGE-X Brückenbau, Hausgemeinschaft 1010 Wien, C-Straße Nr. 1, oder an die Erben nach Y), stellen keine Leistungsgebote an die Gesellschafter (Mitglieder) dar (vgl. VwGH 9.12.1992, 91/13/0013; VwGH 18.12.1992, 89/17/0193).

Die Notwendigkeit, die Gesellschafter (Mitglieder) mit Leistungsgebot in Anspruch zu nehmen, besteht auch dann, wenn gegenüber der Personenvereinigung kein Abgabenbescheid zu erlassen ist, etwa im Fall einer korrekt vorgenommenen Selbstberechnung einer Abgabe durch die Personenvereinigung. In diesem Fall wird die Abgabe in der Höhe des der Abgabenbehörde bekanntgegebenen, selbstberechneten Betrages gegenüber der Personenvereinigung vollstreckbar (§ 226 BAO). Sind Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich dieser Abgaben notwendig, sind zusätzlich noch Leistungsgebote an die beteiligten Gesellschafter (Mitglieder) zu erlassen, weil vor der Inanspruchnahme des Gesellschafters mittels Leistungsgebot gegen diesen kein Abgabenzahlungsanspruch (keine ihm gegenüber fällige Abgabenschuldigkeit) besteht.

3. Inanspruchnahme der Gesellschafter (Mitglieder)

Um Gesellschafter (Mitglieder) als Gesamtschuldner mit Leistungsgebot in Anspruch zu nehmen, muss der Name des in Anspruch genommenen Gesamtschuldners im Spruch des Bescheides genannt werden. Nach der Rechtsprechung des VwGH genügt dafür die Anführung im "Adressfeld" ("Bescheidkopf", vgl. VwGH 21.5.1992, 90/17/0036; VwGH 18.3.1994, 93/17/0047, VwGH 30.9.2015, Ra 2014/15/0023).

Die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern liegt im Ermessen (vgl. VwGH 17.11.1993, 93/17/0084, VwGH 28.9.2011, 2008/13/0180, VwGH 24.10.2012, 2011/17/0245). Es liegt im Ermessen ob ein, einige oder alle Gesellschafter (Mitglieder) in Anspruch genommen werden, hierbei sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner entscheidend. Ebenso im Ermessen liegt der Betrag, für den der (die) Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden soll(en).

Es ist auch zulässig nach Erlassung eines Leistungsgebotes an einen der Gesamtschuldner einen (weiteren) Bescheid an einen vorerst nicht zur Abgabenleistung herangezogenen Gesamtschuldner zu richten. Durch die Rechtskraft des in einem anderen Verfahren erlassenen Bescheides ist der später herangezogene Gesamtschuldner dabei in seinen Verteidigungsmöglichkeiten nicht beschränkt (VwGH 14.5.1992, 92/16/0013). Es können somit die Leistungsgebote auch sukzessive erlassen werden.

4. Mahnung und Rückstandsausweis

Die mittels Leistungsgebot gegenüber den Gesellschaftern (Mitgliedern) festgesetzten Abgabenbeträge sind einzumahnen (§ 227 BAO), wenn sie nicht binnen Monatsfrist (§ 210 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BAO analog) entrichtet werden. Nach erfolgter Mahnung kann ein auf den Namen des Gesellschafters ausgestellter Rückstandsausweis erstellt werden. Aufgrund des Rückstandsausweises kann Exekution geführt werden (§ 229 BAO). Schulden die in Anspruch genommenen Gesellschafter als Gesamtschuldner dieselbe Abgabe, kann der Rückstandsausweis auch auf mehrere Personen lauten.

5. Verjährung

5.1. Festsetzungsverjährung

Die erstmalige Inanspruchnahme der Gesamtschuldner mittels Leistungsgebot kann nur innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist erfolgen (§ 207 ff BAO).

5.2. Einhebungsverjährung

Für den Beginn der Einhebungsverjährung allen Gesamtschuldnern gegenüber ist jener Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Abgabe dem ersten in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gegenüber fällig wird.

Bei Vorliegen von Gesamtschuldverhältnissen wirken Unterbrechungen und Hemmungen der Einhebungsverjährung (§ 238 BAO) jedem gegenüber, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt.

6. Sicherstellungsauftrag

Die Gesamtschuld entsteht gleichzeitig mit der Entstehung der Abgabenschuld (§ 4 BAO). Daher ist es zulässig, noch bevor der Abgabenanspruch mit Bescheid gegenüber der nicht rechtsfähigen Personengemeinschaft festgesetzt wurde, gegenüber den Gesellschaftern (Mitgliedern) als Gemeinschuldnern einen Sicherstellungsauftrag gem. § 232 BAO bis zur Inanspruchnahme mittels Leistungsgebot zu erlassen, sollten die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag vorliegen.

Wurde bereits ein Abgabenbescheid an die nicht rechtsfähige Personengemeinschaft erlassen, erscheint ein Sicherstellungsauftrag gegenüber den Gesellschaftern (Mitgliedern) als Gesamtschuldner nicht mehr zweckmäßig. In so einem Fall wären der oder die Gesellschafter (Mitglieder) mittels Leistungsgebot sofort in Anspruch zu nehmen und bestehende Hemmungen nach § 230 BAO mittels Vollstreckungsbescheid zu beseitigen.

Bundesministerium für Finanzen, 26. März 2024

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 6 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 1175 ff ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 227 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 Abs. 1 bzw. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 825 ff ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811

Schlagworte:

Leistungsgebot, Gesamtschuldner, Personenvereinigung, Gesellschaft nach bürgerlichem Recht

Verweise:

BMF 30.10.1995, 05 0201/1-IV/5/03
VwGH 22.02.2001, 95/15/0058
VwGH 04.05.2023, Ra 2020/16/0114
VwGH 22.02.1995, 95/13/0031
VwGH 29.05.2001, 2001/14/0033
VwGH 09.12.1992, 91/13/0013
VwGH 18.12.1992, 89/17/0193
VwGH 21.05.1992, 90/17/0036
VwGH 18.03.1994, 93/17/0047
VwGH 30.09.2015, Ra 2014/15/0023
VwGH 17.11.1993, 93/17/0084
VwGH 28.09.2011, 2008/13/0180
VwGH 24.10.2012, 2011/17/0245
VwGH 14.05.1992, 92/16/0013

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