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20.2.4.13 Zertifikate - Grundsätzliche Behandlung

BMF2023-0.871.81913.3.2024

20.2.4.13.1 Allgemeines

Rz 6203
Ein Zertifikat ist eine verbriefte Kapitalforderung (Schuldverschreibung), mit der die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswertes abgebildet wird. Basiswerte können Aktien, Indizes, Rohstoffe, Währungen, Anleihen, Edelmetalle (wie zB bei ETCs) usw. sein. Ebenso stellen American Depositary Receipts (ADR) und Global Depository Receipts (GDR) Zertifikate dar, die in Form eines Hinterlegungsscheins das Eigentum einer Aktie verbriefen.

Zertifikate verbriefen dem Käufer ein Recht auf Zahlung eines Geld- oder Abrechnungsbetrages, dessen Höhe vom Wert des zugrunde liegenden Index (Basiswertes) am Fälligkeitstag abhängt. Auch bei einem obligatorischen Anspruch auf die Lieferung des Basiswerts (zB des Edelmetalls) kann ein Zertifikat vorliegen, weil die Partizipation an der Wertentwicklung des Basiswerts im Vordergrund steht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Möglichkeit physischer Ausfolgung nur theoretischer Natur ist. Indizien, dass die Ausfolgung nicht ernsthaft beabsichtigt ist, können sich aus den Emissionsbedingungen ergeben, etwa wenn eine hohe Mindestausfolgungsmenge sowie im Verhältnis zum Ertrag hohe Auslieferungskosten vorgesehen sind, oder wenn die Einzelheiten der Ausfolgung nicht geregelt sind (zB Art und Umstände der Lieferung, Kosten- und Risikotragung). Während der Laufzeit finden meist keine periodischen Zinszahlungen oder sonstige Ausschüttungen statt.

Der Preis eines Zertifikates verläuft im Allgemeinen parallel mit den Bewegungen des Basiswertes, positiv wie negativ. Ein steigender Basiswert führt demnach zu höheren Preisen des Zertifikates und ein rückläufiger Basiswert zu sinkenden Zertifikatspreisen. Die einzige Ertragschance besteht in der Steigerung des Kurswertes der Zertifikate.

Realisierte Wertsteigerungen bzw. Wertverluste aus Zertifikaten bei deren Veräußerung oder sonstiger Einlösung stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 dar.

Rz 6203a
Erwirbt ein Anleger mit der Anschaffung eines Zertifikats - neben der Möglichkeit, das Zertifikat am Sekundärmarkt zu veräußern - zudem das Recht, durch Hingabe seiner Schuldverschreibung an den Emittenten den Basiswert physisch zu erhalten (zB "XETRA-Gold", der Umtausch eines ADR/GDR in die zugrundeliegende Aktie), sind im Hinblick auf die steuerliche Behandlung zwei Fälle zu unterscheiden:

20.2.4.13.2 KESt-Abzug

Rz 6204
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.

Der Umtausch eines GDR (Global Depository Receipt) bzw. ADR (American Depositary Receipt) fällt nicht in den Anwendungsbereich der Kapitalmaßnahmen-VO, weshalb in diesen Fällen ein kapitalertragsteuerpflichtiger Tauschvorgang verwirklicht wird. Besteht kein Kurswert für das hingegebene Wertpapier, kann hilfsweise eine mittelbare Wertermittlung aus dem gemeinen Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes vorgenommen werden, sofern davon ausgegangen werden kann, dass etwa gleichwertige Leistungen getauscht werden (siehe Rz 2593).

20.2.4.14 Discount-Zertifikate

20.2.4.14.1 Allgemeines

Rz 6205
Discount-Zertifikate sind Schuldverschreibungen (siehe oben Abschnitt 20.2.4.13), bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, abhängt. Als Basiswert dient oft der Kurswert einer Aktie. Am Ende der Laufzeit wird der aktuelle (Kurs-)Wert des zugrunde gelegten Basiswerts ausbezahlt, maximal jedoch ein für die gesamte Laufzeit festgelegter Höchstbetrag, ein sogenannter "Cap". Als Ausgleich für den Verzicht auf unbegrenzte Gewinne wird dem Anleger beim Ausgabepreis des discount-Zertifikates ein Abschlag, ein "Discount", auf den aktuellen (Kurs-)Wert des Basiswerts gewährt.

Die allgemeine steuerliche Behandlung von discount-Zertifikaten entspricht jener von "Standard"-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13).

20.2.4.14.2 KESt-Abzug

Rz 6206
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von discount-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.

20.2.4.15 Hebelzertifikate

20.2.4.15.1 Allgemeines

Rz 6207
Hebelzertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, unter Einbeziehung eines Wertpapierkredits abhängt. Mit Hebelzertifikaten kann somit die Beteiligung an einem Basiswert zu einem niedrigen Einsatz gekauft werden. Durch den Hebel partizipiert ein Hebelzertifikat hierbei stärker von Kursschwankungen als der darunterliegende Basiswert.

Der Wert eines Hebel-Zertifikats berechnet sich aus dem Kurs eines Basiswerts und einem für das Zertifikat festgelegten Strike-Kurs: Wert = Kurs - Strike. Es existiert hierbei eine Knock-out-Grenze (Kurs = Strike), bei dem das Hebelzertifikat wertlos wird. Es existieren generell zwei Typen von Hebel-Zertifikaten:

  • Partizipation an steigenden Kursen, diese werden auch als Bull- oder Long-Zertifikate bezeichnet.
  • Partizipation an fallenden Kursen, diese werden auch als Bear- oder Short-Zertifikate bezeichnet.

Die allgemeine steuerliche Behandlung von Hebel-Zertifikaten entspricht jener von "Standard"-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13). Hat der Gläubiger aufgrund der Überschreitung der Knock-out-Grenze keinen Anspruch mehr auf Zahlung eines Geldbetrages und wird das Zertifikat dadurch wertlos, liegen in Höhe der Anschaffungskosten negative Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 vor.

20.2.4.15.2 KESt-Abzug

Rz 6208
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Hebel-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.

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