- Grundstücke, auf deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten stille Reserven übertragen wurden und
- Gebäude, die iSd § 8 Abs. 2 EStG 1988 oder vorzeitig iSd EStG 1972 abgeschrieben wurden.
9.3.5.1 Berechnung der Behaltefristen
Für die Berechnung der Behaltefrist gilt das Stichtagsprinzip. Maßgeblich ist somit der Zeitraum zwischen dem Tag der tatsächlichen Anschaffung oder Herstellung und dem Tag des Ausscheidens. Es kommt nicht auf die Betriebszugehörigkeit allein an, sondern es muss das Wirtschaftsgut auch während der gesamten Behaltefrist demselben Steuerpflichtigen gehört haben und Anlagevermögen gewesen sein (ua. VfGH 20.6.1983, B 33/80).Im Falle der Buchwertfortführung (siehe dazu auch Rz 2531) laufen die Behaltefristen des Rechtsvorgängers weiter (unabhängig davon, ob die unentgeltliche Betriebsübertragung im Rahmen einer Einzel- oder einer Gesamtrechtsnachfolge erfolgt; VwGH 18.2.2021, Ra 2019/15/0052).9.3.5.1.1 Berechnung bei bebauten Grundstücken
Bei bebauten Grundstücken handelt es sich um zwei selbständige Wirtschaftsgüter. Daher ist die Behaltefrist für Grund und Boden und für das Gebäude jeweils gesondert zu berechnen. Für Zwecke der Ermittlung der auf den Grund und Boden entfallenden stillen Reserven zählen zum Grund und Boden auch Einrichtungen wie Kanalisation, Umzäunungen, Befestigungseinrichtungen usw. Wurde ein Tatbestand, der zur Verlängerung der Behaltefrist auf 15 Jahre führt, in Bezug auf einen Teil des Grund und Bodens oder einen Teil des Gebäudes gesetzt, dann verlängert sich die Behaltefrist jeweils für den ganzen Grund und Boden bzw. für das ganze Gebäude auf 15 Jahre.Wird ein bebautes Grundstück veräußert, ist zur Ermittlung der auf Grund und Boden und Gebäude entfallenden stillen Reserven der Veräußerungserlös im Verhältnis der Verkehrswerte auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen (siehe Rz 2613).Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Übertragung stiller Reserven ist die Behaltefrist gemäß § 12 Abs. 3 EStG 1988 für Grund und Boden und Gebäude gesondert zu berechnen. Dabei ist immer auf den Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung des jeweiligen Wirtschaftsgutes abzustellen.Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, auf die eine Übertragung stiller Reserven vor dem 1.4.2012 stattgefunden hat.
Beispiel 1:
Im Jahre 2012 wird Grund und Boden angeschafft und darauf keine stillen Reserven übertragen. Auf die Herstellungskosten des im Jahre 2014 errichteten Gebäudes werden stille Reserven übertragen. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2022 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 7 Jahre und jene für das Gebäude 15 Jahre.
Im Jahr 2022 befindet sich der Grund und Boden bereits seit mehr als 7 Jahren im Anlagevermögen. Das Gebäude befindet sich ebenfalls seit mehr als 7 Jahren im Anlagevermögen, allerdings beträgt die Behaltefrist für das Gebäude 15 Jahre. Daher können lediglich die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragen werden.
Beispiel 2:
Im Jahr 2012 wird Grund und Boden angeschafft. Im Zuge der Anschaffung werden stille Reserven auf den Grund und Boden übertragen. 2014 wird ein Gebäude ohne Übertragung stiller Reserven errichtet. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2022 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 15 Jahre, für das Gebäude 7 Jahre.
Im Jahr der Veräußerung ist lediglich für das Gebäude die Behaltefrist erfüllt. Daher sind nur die stillen Reserven des Gebäudes auf Gebäude übertragbar.
Beispiel 3:
Im Jahr 2012 wird Grund und Boden angeschafft. Im Zuge der Anschaffung werden stille Reserven auf den Grund und Boden übertragen. 2014 wird ein Gebäude errichtet, wobei stille Reserven auf das Gebäude übertragen werden. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2028 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden und Gebäude beträgt jeweils 15 Jahre.
Im Jahr der Veräußerung ist lediglich für den Grund und Boden die Behaltefrist erfüllt. Daher sind nur die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragbar.
Beispiel 4:
Im Jahre 1997 wird Grund und Boden angeschafft und darauf keine stillen Reserven übertragen. Auf die Herstellungskosten des im Jahre 2010 errichteten Gebäudes werden stille Reserven übertragen. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2013 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 7 Jahre und jene für das Gebäude 15 Jahre.
Da sich der Grund und Boden im Jahre 2013 bereits mehr als 7 Jahre im Anlagevermögen befindet, können die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragen werden. Die 15-jährige Behaltefrist für das Gebäude ist noch nicht erfüllt. Daher sind die stillen Reserven des Gebäudes nicht übertragbar.
9.3.6 Übertragungsrücklage
Insoweit stille Reserven nicht im Jahr ihrer Bildung übertragen werden, können diese einer Übertragungsrücklage zugeführt werden. Die Übertragungsrücklage ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG 1988 entsprechend zu bezeichnen und für steuerliche Zwecke in Evidenz zu halten (§ 12 Abs. 8 Satz 2 und 3 EStG 1988 idF RÄG 2014). Es hat daher ein Ausweis der Übertragungsrücklage in der Steuerbilanz bzw. bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 in einer gesonderten Aufstellung zur UGB-Bilanz (Mehr-Weniger-Rechnung) zu erfolgen.Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 kann ein Betrag in dieser Höhe steuerfrei belassen werden (siehe Rz 3887 f).
9.3.6.1 Verwendungsfristen
Die Rücklage (der steuerfreie Betrag) kann innerhalb von 12 Monaten ab dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Anlagevermögen übertragen werden (Stichtagsprinzip). Erfolgte das Ausscheiden durch höhere Gewalt oder behördlichen Eingriff oder handelt es sich um Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (siehe Rz 3889), verlängert sich die Übertragungsfrist auf 24 Monate. Die Verlängerung der Frist auf 24 Monate gilt ebenfalls, wenn auf Herstellungskosten von Gebäuden übertragen wird und mit der tatsächlichen Bauausführung ("1. Spatenstich") innerhalb der Frist von 12 Monaten ab dem Ausscheiden des Gebäudes begonnen wird.Für Fälle, in denen die Aufdeckung der stillen Reserve nicht im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes erfolgt, ist der Zeitpunkt der Aufdeckung der stillen Reserve für den Fristenlauf maßgeblich. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen die zeitliche Divergenz zwischen dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes und der Aufdeckung der stillen Reserve auf die Maßgeblichkeit des Zu- und Abflussprinzips zurückzuführen ist als auch in Fällen, in denen bei Bilanzierern die Gewinnrealisierung nicht im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes eintritt (zB weil der Anspruch dem Grunde nach strittig ist).Eine frühestmögliche Übertragung ist nicht verpflichtend. Wurde eine Rücklage oder ein Teil davon nicht innerhalb der Frist verwendet, ist sie gewinnerhöhend aufzulösen. Stammen die stillen Reserven aus der Veräußerung eines mit Sondersteuersatz besteuerten Finanzvermögens oder eines Grundstückes, ist auf diese der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 oder § 30a EStG 1988 anwendbar.9.3.7 Steuerfreier Betrag
Der steuerfreie Betrag ist in einem Verzeichnis auszuweisen, aus dem die Verwendung ersichtlich ist. Wird dieses Verzeichnis nicht mit der Steuererklärung vorgelegt, ist eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen.Wird bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 der Veräußerungserlös (die Entschädigungsleistung) erst in späteren Jahren vereinnahmt, so steht dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen, den Buchwert sofort als Betriebsausgabe abzusetzen oder nach Art eines Merkpostens zu behandeln (zum Zeitpunkt der Vereinnahmung siehe Rz 4601 ff). In beiden Fällen werden stille Reserven aufgedeckt, sobald der zugeflossene Veräußerungserlös (die zugeflossene Entschädigung) den Buchwert übersteigt (vgl. VwGH 26.6.1984, 83/14/0234). Die Frist für den Verwendungszeitraum beginnt in beiden Fällen mit dem Zeitpunkt der Aufdeckung der stillen Reserven.Beispiel:
Im Jahr 1 wird ein Anlagegut (Buchwert nach Abschreibung 50.000, Behaltefrist erfüllt) um 80.000 veräußert. Es wird je eine Ratenzahlung für 1 und 2 von 40.000 vereinbart.
BW = Betriebsausgabe | BW = Merkposten | |
Jahr 1: | ||
Erste Rate | 40.000 | 40.000 |
Abfluss BW | 50.000 | 40.000 |
Verlust | 10.000 | 0 |
Jahr 2: | ||
Zweite Rate | 40.000 | 40.000 |
Abfluss BW | 0 | 10.000 |
Gewinn | 40.000 | 30.000 |
Bei beiden Varianten wird im Jahr 2 eine stille Reserve in Höhe von 30.000 aufgedeckt. Diese kann im Jahr 2 übertragen oder einem steuerfreien Betrag zugeführt werden, wobei in letzterem Fall die Verwendungsfrist mit dem Zufließen der zweiten Ratenzahlung zu laufen beginnt.
9.3.8 Waldnutzungen
Fassung ab Veranlagung 2005:Die Hälfte der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung, siehe Rz 7338) gilt als übertragbare stille Reserve. Die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs. 8 EStG 1988 ist ab 2005 ebenfalls zulässig, sofern die stillen Reserven auf Grund des Ausscheidens von Wirtschaftsgütern nach dem 31.12.2004 aufgedeckt werden und eine Übertragung im selben Wirtschaftsjahr nicht erfolgt (§ 12 Abs. 7 in Verbindung mit § 124b Z 117 EStG 1988 idF AbgÄG 2004).
Fassung ab Veranlagung 2020:
70% der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung, siehe Rz 7338) gelten als übertragbare stille Reserve. Die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs. 8 EStG 1988 ist ebenfalls zulässig, sofern eine Übertragung im selben Wirtschaftsjahr nicht erfolgt.
Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 37 EStG 1988 ist auf Antrag des Steuerpflichtigen auf den Teil der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt anzuwenden, der nach Abzug des als stille Reserve behandelten Betrages und nach Vornahme eines allfälligen Verlustausgleiches verbleibt. Kann angefallenes Kalamitätsholz nicht sofort nach dem Kalamitätsereignis aufgearbeitet werden, bestehen keine Bedenken, wenn die Übertragung in einem späteren Wirtschaftsjahr vorgenommen wird. Dies gilt jedoch nur insoweit, als eine Aufdeckung der stillen Reserven innerhalb von 24 Monaten ab dem Kalamitätsereignis erfolgt und spätere Fällungen nicht in die betriebsplanmäßige Holznutzung einbezogen werden.Die anlässlich der Veräußerung eines Waldgrundstückes aufgedeckten stillen Reserven des stehenden Holzes sind übertragbar (VwGH 16.6.1987, 86/14/0188).9.3.9 Zuschreibung
Rechtslage für Wirtschaftsjahre vor 2016:Wird in Wirtschaftsjahren vor 2016 die Übertragung stiller Reserven oder die Übertragungsrücklage durch Zuschreibung gemäß § 6 Z 13 EStG 1988 idF vor dem RÄG 2014 ganz oder teilweise rückgängig gemacht, so erhöht diese den Gewinn. Ist bereits eine Übertragung auf ein Wirtschaftsgut erfolgt, ist diese Zuschreibung für den steuerlichen Wertansatz des betreffenden Wirtschaftsgutes maßgeblich.
Rechtslage für Wirtschaftsjahre ab 2016:
Für bereits vor dem Wirtschaftsjahr 2016 unternehmensrechtlich gebildete unversteuerte Rücklagen (einschließlich Bewertungsreserven), die gemäß § 124b Z 271 EStG 1988 idF RÄG 2014 unabhängig von der Auflösung im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres 2016 als steuerliche Rücklagen weitergeführt wurden, gilt dies weiterhin, weil auf diese § 6 Z 13 erster Satz EStG 1988 idF vor RÄG 2014 sinngemäß weiter anzuwenden ist.
Werden in Wirtschaftsjahren ab 2016 hingegen stille Reserven auf ein Wirtschaftsgut übertragen, gelten die um diese übertragenen stillen Reserven gekürzten Beträge als Anschaffungskosten (§ 12 Abs. 6 EStG 1988). Eine gänzliche oder teilweise Rückgängigmachung einer bereits erfolgten Übertragung stiller Reserven ist nicht möglich, weil eine Zuschreibung über die steuerlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht zulässig ist. Eine freiwillige gewinnerhöhende Auflösung einer ab 2016 gebildeten Übertragungsrücklage vor Ablauf der Verwendungsfristen gemäß § 12 Abs. 9 EStG 1988 ist jedoch möglich.