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9.2.4 Zeitliche Aspekte

BMF2023-0.871.81913.3.2024

Rz 3819
Der Investitionsfreibetrag kann nur im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes geltend gemacht werden. Für die Herstellung ist der Zeitpunkt der Fertigstellung, für die Anschaffung der Zeitpunkt der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht maßgeblich (siehe Rz 2166; bei beweglichen Wirtschaftsgütern daher idR deren Übergabe). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages ist damit im Unterschied zur Absetzung für Abnutzung nicht die Inbetriebnahme des jeweiligen Wirtschaftsgutes.

Rz 3820
Wurde für ein Wirtschaftsgut ein Investitionsfreibetrag geltend gemacht und fallen im Zusammenhang mit diesem Wirtschaftsgut in einem nachfolgenden Wirtschaftsjahr nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten an, sind diese im Wirtschaftsjahr, in dem sie anfallen, für Zwecke des Investitionsfreibetrages zu berücksichtigen.

Nachträgliche Änderungen (Erhöhungen, Verminderungen) der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, für das der Investitionsfreibetrag geltend gemacht wurde, stellen hingegen rückwirkende Ereignisse iSd § 295a BAO dar und sind im Jahr der ursprünglichen Anschaffung oder Herstellung für Zwecke des Investitionsfreibetrages zu berücksichtigen (vgl. Rz 3718 zum GFB). Nachträgliche Verminderungen der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ergeben sich bspw. durch die Gewährung von Rabatten, Skonti oder auch Gewährleistungen, weiters durch einen Nachlass des Kaufpreises oder anderer Bestandteile der Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

Zum Fristenlauf im Falle von nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie im Falle von nachträglich geänderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Zwecke der Mindestnutzungsdauer siehe Rz 3827.

Rz 3821
Erstreckt sich die Anschaffung oder Herstellung von Anlagegütern über mehr als ein Wirtschaftsjahr, kann der Investitionsfreibetrag bereits von aktivierten Teilbeträgen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die auf das einzelne Wirtschaftsjahr entfallen, geltend gemacht werden (§ 11 Abs. 4 EStG 1988). Die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages im Hinblick auf aktivierte Teilbeträge setzt jedoch voraus, dass nach Maßgabe der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 EStG 1988) bzw. nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen (§ 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG 1988) eine entsprechende Aktivierung vom Steuerpflichtigen auch tatsächlich vorgenommen wurde.

Der Steuerpflichtige hat somit ein Wahlrecht, ob er den Investitionsfreibetrag erst im Jahr des Abschlusses des Investitionsvorgangs von den gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten geltend macht oder ob er den Investitionsfreibetrag bereits von den aktivierten Teilbeträgen berechnet.

Beispiel:

Nimmt der Steuerpflichtige bei einem vierjährigen Herstellungsvorgang im dritten Herstellungsjahr einen Investitionsfreibetrag von den Teilherstellungskosten dieses Jahres vor, dann hat er sich für die Geltendmachung von den jeweiligen Teilherstellungskosten entschieden. Für die in den abgelaufenen Jahren entstandenen Teilherstellungskosten kann der Investitionsfreibetrag im dritten Jahr nicht mehr nachgeholt werden, weil dem Steuerpflichtigen infolge der im dritten Herstellungsjahr vorgenommenen Geltendmachung des Investitionsfreibetrages von den Teilherstellungskosten keine (vollen) Herstellungskosten mehr für einen Investitionsfreibetrag zur Verfügung stehen und er daher auch im Jahr der Fertigstellung nur mehr von den Teilherstellungskosten dieses vierten Wirtschaftsjahres einen Investitionsfreibetrag geltend machen kann.

Wurde im Falle der Betriebsübertragung vom Rechtsvorgänger von der Möglichkeit der Geltendmachung des Investitionsfreibetrages für aktivierte Teilbeträge Gebrauch gemacht, ist der Rechtsnachfolger insoweit daran gebunden; eine Geltendmachung des Investitionsfreibetrages auf die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei Abschluss der Investition durch den Rechtsnachfolger kommt diesfalls nicht in Betracht.

Rz 3822
Der Investitionsfreibetrag kann erstmalig für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, bei denen der Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung (Rz 3819) nach dem 31. Dezember 2022 liegt. Damit sind auch in Fällen, in denen bereits vor dem 1. Jänner 2023 Teilbeträge der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden sind, die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für den Investitionsfreibetrag maßgeblich.

Im Falle eines abweichenden Wirtschaftsjahres kann für Anschaffungen und Herstellungen, die nach dem 31. Dezember 2022 erfolgen, der Investitionshöchstbetrag für das abweichende Wirtschaftsjahr 2022/2023 von bis zu 1.000.000 Euro ausgeschöpft werden; eine Aliquotierung hat nicht zu erfolgen.

Beispiel:

Der Einzelunternehmer A (Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988) bilanziert zu einem vom Kalenderjahr abweichenden Bilanzstichtag (Wirtschaftsjahr 1.4.-31.3.). Im Jänner 2023 tätigt A für Zwecke des Investitionsfreibetrages begünstigte Anschaffungen in Höhe von 1.200.000 Euro. A kann für diese Anschaffungen des Wirtschaftsjahres 2022/2023 den Investitionshöchstbetrag von 1.000.000 Euro voll ausschöpfen; eine Aliquotierung des Investitionshöchstbetrages (auf die Monate Jänner bis März 2023) hat nicht zu erfolgen.

9.2.5 Nachversteuerung

9.2.5.1 Gewinnerhöhender Ansatz

Rz 3823
Scheiden Wirtschaftsgüter, für die der Investitionsfreibetrag geltend gemacht worden ist, vor Ablauf der Frist von vier Jahren (Rz 3814 ff) aus dem Betriebsvermögen aus (zB Verkauf oder Entnahme des Wirtschaftsgutes) oder werden sie ins Ausland - ausgenommen im Falle der entgeltlichen Überlassung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes - verbracht, gilt Folgendes:

  • Der Investitionsfreibetrag ist im Jahr des Ausscheidens oder des Verbringens insoweit gewinnerhöhend anzusetzen (Nachversteuerung).
  • Im Falle der - entgeltlichen (zB Veräußerung, Umgründung) oder unentgeltlichen (zB Schenkung) - Übertragung eines Betriebes vor Ablauf der Behaltefrist geht die Nachversteuerungshängigkeit jedoch auf den Rechtnachfolger über. Der Rechtsnachfolger hat den gewinnerhöhenden Ansatz vorzunehmen, wenn bei ihm vor Ablauf der Behaltefrist ein die Nachversteuerung auslösendes Ereignis verwirklicht wird.
  • Im Falle des Ausscheidens infolge höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffs unterbleibt der gewinnerhöhende Ansatz.

Rz 3824
Im Falle des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes infolge höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffs unterbleibt die Nachversteuerung des Investitionsfreibetrages.

Die Bestimmung des § 12 Abs. 5 EStG 1988, wonach dem Ausscheiden durch behördlichen Eingriff das Ausscheiden zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffes gleichgestellt wird, ist auf § 11 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 analog anzuwenden. Der Investitionsfreibetrag steht in diesen Fällen auch dann zu, wenn das Wirtschaftsgut bereits im Jahr der Anschaffung oder Herstellung ausscheidet, es im Anlagenverzeichnis bzw. in der Anlagenkartei also nie ausgewiesen war.

Zur höheren Gewalt siehe Rz 3864 ff.

Rz 3825
Eine bloße Änderung in der betrieblichen Verwendung des Wirtschaftsgutes führt nicht zur Nachversteuerung des Investitionsfreibetrages.

Rz 3826
Im Fall der Betriebsaufgabe vor Ablauf der Behaltefrist kommt es zu einer Nachversteuerung des geltend gemachten Investitionsfreibetrages zu Gunsten des Aufgabegewinnes. Bei entgeltlicher oder unentgeltlicher (Teil-)Betriebsübertragung unter Mitübertragung des Wirtschaftsgutes, für das der IFB geltend gemacht wurde, hat der Rechtsnachfolger bis zum Ablauf der Behaltefrist das Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen zu belassen, andernfalls hat der Rechtsnachfolger die auf ihn übergehende Nachversteuerungsverpflichtung vorzunehmen (Rz 3823).

9.2.5.2 Behaltefrist

Rz 3827
Die Behaltefrist beträgt vier Jahre (nicht Wirtschaftsjahre) und läuft von Tag zu Tag. Sie beginnt mit dem der Anschaffung oder Herstellung folgenden Tag und endet vier Kalenderjahre nach diesem Tag.

Bei Teilanschaffungs- oder Teilherstellungsvorgängen beginnt die Frist mit dem der Beendigung des gesamten Investitionsvorgangs folgenden Tag, und zwar auch dann, wenn ein Investitionsfreibetrag bereits von den Teilbeträgen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen wird.

Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die im Jahr ihres Anfallens für Zwecke des Investitionsfreibetrages zu berücksichtigen sind (siehe Rz 3820), lösen insoweit einen neuen (gesonderten) Fristenlauf aus.

Die Anpassung eines Investitionsfreibetrages auf Grund nachträglich geänderter Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr der ursprünglichen Anschaffung oder Herstellung im Wege eines rückwirkenden Ereignisses (siehe Rz 3820) löst hingegen keinen neuen (gesonderten) Fristenlauf aus.

Rz 3828
Die Behaltefrist für den Investitionsfreibetrag läuft bei einer unter das UmgrStG fallenden Betriebsübertragung zu Buchwerten beim umgründungsbedingten Rechtsnachfolger grundsätzlich weiter (vgl. § 11 Abs. 5 Z 2 EStG 1988). Der umgründungsbedingte Rechtsnachfolger hat den gewinnerhöhenden Ansatz vorzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Umgründung die Behaltefrist noch nicht abgelaufen ist und in der Sphäre des Rechtsnachfolgers ein die Nachversteuerung auslösendes Ereignis eintritt. Dabei ist nicht zwischen Umgründungen unter Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge zu unterscheiden. Siehe dazu näher UmgrStR 2002 Rz 123. Zu den Auswirkungen von rückbezogenen Maßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG auf Behaltefrist und Nachversteuerung siehe weiters UmgrStR 2002 Rz 923a und Rz 926e.

9.2.6 Ausweis und Geltendmachung

Rz 3829
Ein bilanzieller Ausweis des Investitionsfreibetrages erfolgt weder unternehmensrechtlich noch steuerrechtlich (anders noch der mit 2001 ausgelaufene IFB); die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages erfolgt außerbilanziell.

Rechtslage ab der Veranlagung 2023:

Voraussetzung für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages ist gemäß § 11 Abs. 6 EStG 1988 dessen Ausweis im Anlageverzeichnis (steuerliche Bilanzierer) oder in der Anlagekartei (Einnahmen-Ausgaben-Rechner) bei den jeweiligen Wirtschaftsgütern, für die der (erhöhte) Investitionsfreibetrag in Anspruch genommen wird. Die jeweiligen Verzeichnisse sind der Abgabenbehörde auf Verlangen vorzulegen. Eine Berichtigung des Verzeichnisses ist bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuerbescheides, Feststellungsbescheides oder Körperschaftsteuerbescheides möglich.

Für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages in der Steuererklärung gilt die allgemeine Regelung über die Ausübung von Besteuerungswahlrechten und Anträgen gemäß § 39 Abs. 4 EStG 1988 (vgl. Rz 7511a ff).

Randzahlen 3830 bis 3860: derzeit frei

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