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Information des Bundesministeriums für Finanzen zum Kommunalsteuergesetz (KommStG) 1993

BMF2022-0.892.77026.1.20232023

4. Betriebsstätte (§ 4 KommStG 1993)

4.1. Betriebsstätte iSd KommStG 1993

4.1.1. Eigenständige Umschreibung

Rz 38

Der Begriff der Betriebsstätte ist für den Bereich der KommSt eigenständig definiert. Danach gilt als Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die mittelbar oder unmittelbar der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dient. Damit ist anders als etwa im § 29 Abs. 1 BAO nicht auf einen Betrieb oder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abgestellt, sondern auf die unternehmerische Tätigkeit. Er geht damit weit über jenen des § 29 BAO hinaus.

4.1.2. Mittelbare Ausübung

Rz 39

Durch das Wort "mittelbar" werden auch jene Einrichtungen einbezogen, die nach der BAO nicht als Betriebsstätten angesehen werden, wie zB Arbeiterwohnstätten (Rz 89), vom Unternehmer den Dienstnehmern zur Verfügung gestellte Betriebserholungsheime (Urlaubsheime, Sport-, Fitness-, Freizeitanlagen udgl.). Liegt die Unternehmenstätigkeit zB im Vermieten eines Mietwohnhauses, dann dient dieses dem Unternehmen und ist - anders als nach § 29 BAO - eine Betriebsstätte iSd KommStG 1993 (vgl. VwGH 28.03.2001, 96/13/0018).Die Einbeziehung von bloß "mittelbar der unternehmerischen Tätigkeit dienenden" Einrichtungen in den Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 ändert nichts daran, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte vorliegen müssen (vgl. VwGH 10.09.2020, Ro 2019/15/0178; VwGH 28.5.2019, Ro 2019/15/0009).

Eine Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens ist nicht bloß dort, wo die in der Verwaltung des Überlassers tätigen Dienstnehmer agieren, sondern auch dort, wo die an Dritte überlassenen Dienstnehmer nicht nur vorübergehend tätig werden, nämlich in der in Betracht kommenden Betriebsstätte des Beschäftigers der überlassenen Dienstnehmer (VwGH 13.09.2006, 2002/13/0051; VwGH 21.10.2015, 2012/13/0085; VwGH 10.09.2020, Ro 2019/15/0178).

Ab 1.1.2017 wird bei Arbeitskräfteüberlassungen erst nach Ablauf von sechs Kalendermonaten in der Betriebsstätte des Beschäftigers eine Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens begründet (§ 4 Abs. 3 KommStG 1993 idF des AbgÄG 2016, BGBl. I Nr. 117/2016). Zur Berechnung der sechs Kalendermonate siehe Rz 123 und Rz 124 (unter Berücksichtigung der vertraglichen Gestaltung).

Die Sechsmonatsregelung ist stets firmenbezogen und nicht mitarbeiterbezogen zu sehen. Es sind also alle Überlassungen an denselben Beschäftiger zusammenzurechnen. Wenn durchgehend an denselben Beschäftiger Personal überlassen wird, ist ab dem 7. Monat die Beschäftigergemeinde für alle überlassenen Arbeitskräfte erhebungsberechtigt, egal wie lange die einzelne Arbeitskraft schon überlassen wurde.

Beispiel 1:

Wurde mit der Überlassung einer Arbeitskraft im Jahr 2016 vor dem 1.7. begonnen, so kann sich aus der Gesetzesänderung keine Änderung ergeben.

Beispiel 2:

Für die Überlassung einer Arbeitskraft, die nach dem 1.7.2016 beginnt, gilt für die Kalendermonate, die im Jahr 2017 liegen und die in einem Zeitraum von sechs Kalendermonaten ab Beginn der Arbeitskräfteüberlassung gelegen sind, dass der Überlasser noch keine Betriebsstätte beim Beschäftiger hat. Im Falle der Überlassung ins Ausland besteht für die im Jahr 2017 gelegenen Monate (innerhalb der vollen 6 Kalendermonate ab Beginn der Überlassung) eine Kommunalsteuerpflicht im Inland.

Beispiel 3:

Für die Überlassung einer Arbeitskraft, die ab dem 1.1.2017 beginnt, hat der Überlasser für den Zeitraum von sechs vollen Kalendermonaten keine Betriebsstätte beim Beschäftiger, weshalb bei Auslandssachverhalten für volle sechs Kalendermonate eine Kommunalsteuerpflicht im Inland gegeben ist.

4.1.3. Merkmale der Betriebsstätte iSd BAO

4.1.3.1. Betriebsstätte iSd BAO

Rz 40

Betriebsstätte iSd BAO

4.1.3.2. Feste örtliche Anlage oder Einrichtung

Rz 41

Unter "fester örtlicher Anlage oder Einrichtung" sind Vorrichtungen, Räume oder Flächen zu verstehen, die wenigstens für eine gewisse betrieblich bedingte Zeit eine feste örtliche Beziehung schaffen. Dazu genügt es, wenn der Unternehmer über einen bestimmten Raum oder Fläche die (Mit)Verfügungsgewalt hat, die für die Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit ausreicht. In diesem Sinne ist ein flächenmäßig bestimmter Platz, über den der Unternehmer infolge einer ihm zustehenden oder eingeräumten Berechtigung für seine betrieblichen Zwecke verfügen kann, als Betriebsstätte anzusehen, wie zB ein behördlich zugewiesener Standplatz der Straßenhändler, Taxi- und Fiakerunternehmer.

Ein Fahrzeug, in dem zB ein täglich von Ort zu Ort reisender Wanderhändler seine Waren zum Verkauf feilhält, ist nicht als Betriebsstätte anzusehen, wohl aber ein Bohrturm oder eine Sandgewinnungsanlage, mag auch im Zuge des Fortschreitens der Ausbeutung eine gewisse örtliche Verschiebung der Ausbeutungsanlage erforderlich sein (VwGH 15.5.1964, 0953/63).

Im Transportgewerbe ist Betriebsstätte idR eine örtliche Anlage oder Einrichtung, von der aus Transportmittel samt Bedienungspersonal regelmäßig eingesetzt werden (vgl. VwGH 30.4.1962, 1914/59).

4.1.3.3. Verfügungsgewalt des Unternehmers

Rz 42

Dem Unternehmer muss eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsgewalt über die Anlagen oder Einrichtungen zustehen. Die Verfügungsmacht kann auf Eigentum, einem Mietvertrag, einem Mitbenutzungsrecht (VwGH 18.03.2004, 2000/15/0118) oder unentgeltlicher Überlassung beruhen (VwGH 26.01.2012, 2008/15/0217).

Die kurzfristige Überlassung von Räumen für Reinigungsarbeiten, Reparaturarbeiten oder Schulungszwecke begründet keine Verfügungsgewalt des zur Reinigung, Reparatur oder Schulung Berechtigten und damit auch keine Betriebsstätte.

Keine Verfügungsgewalt des Unternehmers besteht, wenn der Unternehmer zB über Räume weder als (Mit)Eigentümer noch als (Mit)Mieter noch als Mitbenutzer für seine betrieblichen Zwecke verfügen kann. Dem Nutzenden muss jedenfalls eine Rechtsposition eingeräumt sein, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann.

Im Falle der Arbeitskräfteüberlassung wird die faktische Verfügungsmacht vom, die Arbeitskräfte überlassenden Unternehmen durch seine Arbeitskräfte an Ort und Stelle ausgeübt, weil Arbeitsverrichtung im Unternehmen des Beschäftigers ohne faktischen Zugriff auf dessen Anlagen oder Einrichtungen regelmäßig ohnehin nicht möglich ist. Dem rechtlichen Element von "Verfügungsmacht" ist schon dadurch ausreichend entsprochen, dass das die überlassenen Arbeitnehmer beschäftigende Unternehmen sich mit dem Tätigwerden der Arbeitnehmer des Arbeitskräfteüberlassers in seinen Anlagen und Einrichtungen einverstanden erklärt hat, worauf Arbeitskräfteüberlassung schließlich beruht (VwGH 13.09.2006, 2002/13/0051).

4.1.3.4. Unmittelbare betriebliche Tätigkeit

Rz 43

Eine Betriebsstätte bilden nur solche feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen, in denen sich Tätigkeiten von längerer Dauer, wenn auch bloße Hilfs- oder Nebenhandlungen, vollziehen, die dem Betrieb unmittelbar dienen. Ob diese Tätigkeiten im einzelnen kaufmännischer, buchhalterischer, technischer oder handwerklicher Art sind, ist unerheblich. Es ist nicht erforderlich, dass in der Anlage oder Einrichtung Verhandlungen mit Dritten geführt oder Geschäftsabschlüsse getätigt oder Inkassi vorgenommen werden (VwGH 14.12.1955, 2286/52, Beratungsstelle einer Bausparkasse ist eine Betriebsstätte).

4.1.3.5. Dauer der betrieblichen Tätigkeit

Rz 44

Einer Anlage oder Einrichtung kommt erst dann Betriebsstättencharakter zu, wenn von dort aus eine auf Dauer oder jedenfalls für eine gewisse Dauer angelegte Betätigung ausgeht. Aus der Verkehrsanschauung zum Begriff der festen Anlage oder Einrichtung lässt sich ableiten, dass dieser Begriff jedenfalls Einrichtungen von einer ein halbes Jahr übersteigenden Dauer erfasst (VwGH 21.05.1997, 96/14/0084).

Bei wiederkehrender (Mit)Benutzung einer festen örtlichen Anlage reicht eine Dauer von weniger als sechs Monaten im Kalenderjahr aus (VwGH 18.03.2004, 2000/15/0118). Bei Marktveranstaltungen, die sich ständig in mehr oder weniger großen zeitlichen Abständen an der zumeist gleichen Stelle wiederholen (Verkaufsstände), ist die Dauerhaftigkeit gegeben.

Auch regelmäßig wiederkehrende Wochenendfeste (zB Pfingstveranstaltungen) oder einwöchige Messe- oder Jahrmarktveranstaltungen können den Charakter der Dauerhaftigkeit (nachhaltige Tätigkeit) aufweisen.

Die probeweise Aufnahme einer Erzeugung lässt eine Betriebsstätte (Fabrikationsstätte) entstehen, wenn der Probebetrieb auf längere Dauer angelegt ist (VwGH 13.12.1955, 1644/53).

Bei Arbeitskräfteüberlassung wird am Ort der Arbeitserbringung durch die überlassenen Dienstnehmer eine Betriebsstätte des Überlassers schon durch das Agieren der Dienstnehmer in Anlagen und Einrichtungen des Beschäftigers begründet (VwGH 13.09.2006, 2002/13/0051; VwGH 21.10.2015, 2012/13/0085).

Ab 1.1.2017 wird bei Arbeitskräfteüberlassungen erst nach Ablauf von sechs Kalendermonaten in der Betriebsstätte des Beschäftigers eine Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens begründet (§ 4 Abs. 3 KommStG 1993 idF BGBl. I Nr. 117/2016).

Zur Betriebsstätte von Reinigungsunternehmen siehe Rz 103.

4.2. Mehrgemeindliche Betriebsstätte

Rz 45

Zur mehrgemeindlichen Betriebsstätte siehe Rz 141 ff.

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993

Schlagworte:

Kommunalsteuer, KommSt, Kommunalsteuergesetz, KommStG

Stichworte