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29.5.1.1.3 Pauschaler Ansatz der Anschaffungskosten

BMF2023-0.871.81931.3.2023

29.5.1.1.3.1 Allgemeines

Rz 7725
Die Bemessungsgrundlage für den KESt-Abzug bei Realisierungsvorgängen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 wird in § 27a Abs. 3 Z 2 und 3 EStG 1988 geregelt. Es handelt sich dabei immer um den Unterschiedsbetrag zwischen einem Wert im Zeitpunkt des Realisierungsvorganges (Realisierungswert) - etwa dem Veräußerungserlös oder dem gemeinen Wert bei Depotentnahme - und den Anschaffungskosten.

Um den Kapitalertragsteuerabzug korrekt durchführen zu können, sind daher immer zwei Werte notwendig, wobei der erste Wert - die Anschaffungskosten oder der nachgewiesene Wert einer früheren steuerpflichtigen Entnahme - im Zeitpunkt des Depotzugangs des entsprechenden Wertpapiers und der zweite Wert - der Realisierungswert - im Zeitpunkt, in dem das Wertpapier aus dem Depot ausscheidet, festgestellt werden muss.

Die Pauschalbewertungsvorschrift sieht daher vor, dass immer jener der beiden genannten Werte, der nicht vorhanden ist, vom vorhandenen Wert abgeleitet wird. Sind hingegen beide Werte nicht vorhanden, findet kein Kapitalertragsteuerabzug statt.

29.5.1.1.3.2 Ansatz im Zeitpunkt des Depotzugangs

Rz 7726
Im Zeitpunkt des Depotzugangs des Wertpapiers hat die depotführende Stelle grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungskosten zu erfassen. Sind die Anschaffungskosten nicht bekannt, weil weder - im Falle eines Anschaffungsvorganges - die depotführende Stelle als Kommissionär tätig geworden ist, noch - im Falle einer Depotübertragung - von der übertragenden depotführenden Stelle eine Datenweitergabe stattgefunden hat, sind sie durch den Depotinhaber der depotführenden Stelle nachzuweisen (siehe oben Abschnitt 20.2.2.5.3.1.2). Gelingt ein solcher Nachweis nicht, kommt zunächst die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4 erster und zweiter Satz EStG 1988 zur Anwendung.

Danach ist "für Zwecke des Steuerabzugs davon auszugehen, dass die Anschaffungskosten dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Depoteinlage, vermindert um 0,5% für jeden seit der Anschaffung vergangenen Monat entsprechen", wobei zumindest "der halbe gemeine Wert zum Zeitpunkt der Depoteinlage anzusetzen" ist. Voraussetzung für diese Pauschalbewertung ist somit die Kenntnis eines gemeinen Wertes im Zeitpunkt des Depotzuganges sowie des Zeitpunktes der Anschaffung. Für solche im Zeitpunkt der Depoteinlage abgeleitete Anschaffungskosten hat eine Fortschreibung der Anschaffungskosten (zB Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge) zu erfolgen.

Rz 7726a
Werden einem Versicherungsnehmer einer fondsgebundenen Lebensversicherung zum Fälligkeitsdatum anstelle der Versicherungsleistung die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Investmentfondsanteile auf sein Depot übertragen, ist als Anschaffungskosten dieser Investmentfondsanteile der gemeine Wert der Versicherungsleistung - und nicht der gemeine Wert der Investmentfondsanteile - zu erfassen. Liegt das Fälligkeitsdatum nach dem 31.12.2010, stellen die übertragenen Investmentfondsanteile Neubestand dar. Kann durch den Depotinhaber der Wert der Versicherungsleistung nicht nachgewiesen werden - der Nachweis kann etwa anhand einer Bestätigung der Versicherungsgesellschaft erfolgen - sind die Anschaffungskosten nach der pauschalen Bewertungsmethode des § 93 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.

Werden im Rahmen eines lohnsteuerpflichtigen Dienstverhältnisses Wertpapiere als Sachbezug gewährt - etwa als steuerbegünstigte Mitarbeiterbeteiligungen (§ 3 Abs. 1 Z 15 EStG 1988) oder als sonstige Bonifikationen - und auf das Depot des Dienstnehmers übertragen, ist als Anschaffungskosten der übertragenen Wertpapiere ihr gemeiner Wert im Zeitpunkt des Erwerbs - und nicht der gemeine Wert im Zeitpunkt der Übertragung - anzusetzen. Liegt das Datum des Erwerbs nach dem 31.12.2010, stellen die übertragenen Wertpapiere Neubestand dar. Kann durch den Depotinhaber der gemeine Wert der Wertpapiere im Zeitpunkt des Erwerbs nicht nachgewiesen werden - der Nachweis kann etwa anhand einer Bestätigung durch den Arbeitgeber erfolgen - sind die Anschaffungskosten nach der pauschalen Bewertungsmethode des § 93 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.

Rz 7727
Bei Vorhandensein eines Kurs- oder Handelswertes ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der gemeine Wert diesem Kurs- oder Handelswert entspricht. Besteht hingegen zum Zeitpunkt des Depotzuganges kein Kurs- oder Handelswert und kann der gemeine Wert durch die depotführende Stelle auch nicht mit zumutbarem Aufwand auf sonstige Weise festgestellt werden, können die Anschaffungskosten zunächst nicht pauschal angesetzt werden. Die Ableitung der Anschaffungskosten erfolgt in diesem Fall erst im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot. In diesen Fällen kommt eine "rückwirkende" Fortschreibung der Anschaffungskosten (zB Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge) nicht in Frage.

Ist ein Kurs- oder Handelswert im Zeitpunkt des Depotzuganges lediglich vorübergehend nicht vorhanden - etwa aufgrund einer Handelsaussetzung oder weil faktisch kein Handel stattfindet - bestehen keine Bedenken, wenn der letzte vor dem Depotzugang gebildete Kurs- oder Handelswert als gemeiner Wert im Zeitpunkt des Depotzuganges angenommen wird. Im Falle der Handelsaussetzung gilt dies nur innerhalb der ersten sieben Kalendertage nach Aussetzung.

Rz 7728
Ist zwar der gemeine Wert im Zeitpunkt des Depotzuganges bekannt, der Anschaffungszeitpunkt hingegen nicht, sieht die Pauschalbewertungsvorschrift zudem eine Anschaffungszeitpunktfiktion vor. Dem je nach Art der Kapitalanlage zeitlich abgestuften Inkrafttreten des neuen Kapitalbesteuerungssystems entsprechend (§ 124b Z 185 lit. a EStG 1988) wird dabei die Anschaffung von steuerverfangenem Neubestand fingiert:

Der Steuerpflichtige kann bei Anwendung dieser Fiktion den tatsächlichen Anschaffungszeitpunkt im Rahmen der Veranlagung zum besonderen Steuersatz von 27,5% gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 nachweisen.

Beispiel 1:

A legt am 15.10.2012 eine am 2.5.2011 erworbene Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Seit dem Anschaffungszeitpunkt sind bereits 18 Monate vergangen, daher werden die pauschalen Anschaffungskosten mit dem um 9% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 91 angesetzt.

Beispiel 2:

A legt am 15.10.2012 eine Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Da der Anschaffungszeitpunkt ebenfalls unbekannt ist, wird eine Anschaffung am 1.1.2011 fingiert. Seit dem fingierten Anschaffungszeitpunkt sind bereits 22 Monate vergangen, daher werden die pauschalen Anschaffungskosten mit dem um 11% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 89 angesetzt.

Beispiel 3:

A überträgt am 15.10.2025 ein Zertifikat mit unbekannten Anschaffungskosten von seinem ausländischen Depot auf sein inländisches Depot. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Da der Anschaffungszeitpunkt ebenfalls unbekannt ist, wird eine Anschaffung am 1.4.2012 fingiert. Seit dem fingierten Anschaffungszeitpunkt sind mehr als 100 Monate vergangen, womit der gemeine Wert um mehr als 50% reduziert werden müsste. Die pauschalen Anschaffungskosten werden daher mit dem um 50% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 50 angesetzt.

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