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1.2.6 Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG 1988)

BMF2023-0.715.24515.12.2023

Rz 7
Inländische Einkünfte erzielende Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates, eines (anderen) EWR-Staates oder eines Staates, mit dem Österreich ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, in dem ein dem Artikel 24 Abs. 1 OECD-Musterabkommen nachgebildetes Diskriminierungsverbot enthalten ist (siehe Rz 7a), sind gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 auf Antrag unter folgenden Voraussetzungen als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln:

Die Antragsvoraussetzungen entsprechen der deutschen Rechtslage. Diese wurde vom EuGH als gemeinschaftskonform gewertet (EuGH 14.9.1999, Rs C-391/97 ).

Die Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig erstreckt sich nur auf den Steuerpflichtigen selbst und nicht auch auf seine Angehörigen. Für die unter § 1 Abs. 4 EStG 1988 fallenden Arbeitnehmer gelten in den betroffenen Fällen die Veranlagungsbestimmungen des § 41 EStG 1988, im Übrigen gilt § 39 EStG 1988.

Rz 7a
EU-Mitgliedstaaten sind:

Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien (bis 31.12.2020), Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern

EWR-Länder sind die EU-Länder zuzüglich Island, Liechtenstein und Norwegen.

Länder, ausgenommen EU-Länder und EWR-Länder, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Diskriminierungsverbot abgeschlossen wurde, sind:

Ägypten, Albanien, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Bahrain, Barbados, Belize, Bosnien-Herzegowina (ab 2012), Brasilien, Chile (ab 2016), China, Georgien, Großbritannien (ab 2021), Hongkong (ab 2012), Indien, Indonesien, Iran, Israel, Japan, Kanada, Kasachstan, Katar (ab 2013), Kirgisistan, Korea, Kosovo (ab 2019), Kuba, Kuwait, Malaysia, Marokko, Mazedonien, Mexiko, Moldau, Mongolei, Montenegro (ab 2016), Nepal, Neuseeland, Pakistan, Philippinen, Russland (siehe DBA UdSSR), San Marino, Schweiz, Serbien, Singapur, Südafrika, Tadschikistan, Taiwan (ab 2015), Thailand, Tunesien, Türkei, Turkmenistan (ab 2017), Ukraine, USA, Usbekistan, VAE, Venezuela, Vietnam, Weißrussland.

Rz 8
Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 setzt voraus, dass entweder

Jahr

Betrag

bis 2022

11.000 Euro

2023

11.693 Euro

2024

12.816 Euro

§ 1 Abs. 4 zweiter Satz EStG 1988 stellt hinsichtlich dieser Antragsvoraussetzungen auf das Welteinkommen ab und verlangt eine Teilung in einen der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Teil einerseits und die übrigen Einkünfte andererseits (VwGH 25.09.2012, 2008/13/0201). Sind die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte negativ, ist § 1 Abs. 4 EStG 1988 anwendbar.

Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend.

Rz 9
Mit dem Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig sind bei Vorliegen der Voraussetzungen zu berücksichtigen (siehe auch Rz 14):

Rz 10
In sachlicher Hinsicht unterliegen auch bei Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nur die Einkünfte gemäß § 98 EStG 1988 der österreichischen Besteuerung (inländische Einkünfte). Für die Berechnung der SV-Rückerstattung nach § 33 Abs. 8 EStG 1988 sind auch ausländische Einkünfte miteinzubeziehen (vgl. Rz 811e). Im Ausland erlittene Verluste sind gemäß § 2 Abs. 8 EStG 1988 zu berücksichtigen (VwGH 25.09.2012, 2008/13/0201). Bei einer späteren Berücksichtigungsmöglichkeit im Ausland erhöhen diese Verluste im betreffenden Veranlagungsjahr den inländischen Gesamtbetrag der Einkünfte (Nachversteuerung gemäß § 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988). Wird im Veranlagungsjahr, in dem der Nachversteuerungsbetrag zu berücksichtigen ist, kein Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 gestellt oder liegen die Voraussetzungen dafür nicht vor, hat die Nachversteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu erfolgen (§ 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988 iVm § 98 Abs. 3 EStG 1988).

Die ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023 geltende Rechtslage zum Progressionsvorbehalt bei unbeschränkt Steuerpflichtigen gilt auch für jene Steuerpflichtigen, die die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 ausüben (siehe dazu Rz 813).

Rz 11
Der Antrag ist mit dem Formular L1i oder als formloser Antrag beim Finanzamt Österreich einzubringen. Für den Antrag ist eine Bestätigung über den Wohnsitz und die Einkünfte im Ausland (Formular E9) erforderlich.

Die Antragstellung ist nur bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich. Ein später gestellter Antrag ist auf Grund der Spezialbestimmung des § 1 Abs. 4 letzter Satz EStG 1988 kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO.

Ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023 kann der Antrag auch nach erstmaligem Eintritt der Rechtskraft gestellt werden, wenn ein Verfahrenstitel für eine Bescheidänderung vorliegt (zB Wiederaufnahme des Verfahrens; siehe § 39 Abs. 4 EStG 1988).

Die bloße Abgabe des Formulars L1 ist nicht als Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig zu werten, weil mit der Antragstellung nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 auch die entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen sind.

Rz 12
Keine Auswirkungen ergeben sich für Grenzgänger, die nach Österreich einpendeln und deren Einkünfte auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens dem Wohnsitzstaat zur Besteuerung zugewiesen sind (gilt nur für Deutschland, Italien und Liechtenstein).

Da die beantragte Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig weder an einen inländischen Wohnsitz noch an einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt noch an ein anderes "ähnliches Merkmal" anknüpft, bewirkt sie für sich allein keine inländische Ansässigkeit iSd österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen.

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