32.1 Allgemeines
Die Zurverfügungstellung von Grund und Boden für Infrastrukturprojekte ist essentiell für deren Umsetzung und daher volkswirtschaftlich von besonderem Interesse. Im Hinblick darauf wurde mit dem Jahressteuergesetz 2018 - JStG 2018, BGBl. I Nr. 62/2018, in § 107 EStG 1988 eine Abzugsteuer mit Abgeltungswirkung eingeführt, die schon bei Ausmessung der Entschädigungssumme die Steuerbelastung festlegt und damit für die Beteiligten Rechts- und Planungssicherheit schafft.§ 107 EStG 1988 sieht vor, dass Einkünfte gemäß § 21, § 22, § 23, § 27, § 28 oder § 29 Z 3 EStG 1988 in Zusammenhang mit dem einem Infrastrukturbetreiber (Rz 8207c) eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse (Rz 8207b) zu nutzen, einer Abzugsteuer unterliegen. Sie sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des von der Rechtseinräumung unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümers oder -bewirtschafters weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Rz 8207p) beantragt wird.
§ 107 EStG 1988 ist auch anwendbar, wenn die Gegenleistung für die Rechtseinräumung in einem geldwerten Vorteil (Sachbezug) besteht. Es macht für die Geltung des § 107 EStG 1988 keinen Unterschied, ob die Gegenleistung in Geld oder in einem geldwerten Vorteil (zB Gratisstrom) besteht. Ein zugewendeter geldwerter Vorteil ist mit dem um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreis des Abgabeortes zu bewerten (§ 15 Abs. 1 EStG 1988).
Die Abzugsteuer kommt für Auszahlungen zur Anwendung, die nach dem 31.12.2018 erfolgen. Zum Inkrafttreten des § 107 EStG 1988 siehe Rz 8207r. Zu den Auswirkungen des § 107 EStG 1988 auf die Steuerveranlagung siehe Rz 5173.
Die Nutzung von Grund und Boden liegt bei allen Maßnahmen im öffentlichen Interesse, die von Infrastrukturbetreibern zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen insbesondere nach Maßgabe der Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010, des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 und des Mineralrohstoffgesetzes durchgeführt werden (§ 107 Abs. 3 EStG 1988). Damit wird klargestellt, dass die Errichtung und der Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen, die auf Grundlage der für den betroffenen Infrastrukturbetreiber jeweils maßgeblichen Rechtsgrundlagen durchgeführt werden, den Tatbestand des "öffentlichen Interesses" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 jedenfalls erfüllen.32.2 Abzugspflichtige Unternehmen
Die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer sowie zur Übermittlung einer Anmeldung betrifft "Infrastrukturbetreiber", die in § 107 Abs. 2 EStG 1988 taxativ aufgezählt werden. Es handelt sich dabei um Unternehmen im Bereich der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Erdöl und Fernwärme. Erfasst sind:- Elektrizitätsunternehmen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 11 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010 - ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010. Ein "Elektrizitätsunternehmen" ist danach eine natürliche oder juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft, die in Gewinnabsicht von den Funktionen der Erzeugung, der Übertragung, der Verteilung, der Lieferung oder des Kaufs von elektrischer Energie mindestens eine wahrnimmt und die kommerzielle, technische oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen wahrnimmt, mit Ausnahme der Endverbraucher. Reine Projektentwicklungsgesellschaften, das sind Gesellschaften, die ein Energieerzeugungsprojekt entwickeln und die damit verbundenen Rechte sodann an ein anderes Unternehmen übertragen, werden nicht iSd § 7 Abs. 1 Z 11 ElWOG 2010 tätig und sind daher keine Elektrizitätsunternehmen.
- Erdgasunternehmen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 16 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 107/2011. Ein "Erdgasunternehmen" ist danach eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die in Gewinnabsicht von den Funktionen Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Verkauf, Kauf oder Speicherung von Erdgas, einschließlich verflüssigtes Erdgas mindestens eine wahrnimmt und für die kommerziellen, technischen oder wartungsbezogenen Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen verantwortlich ist, mit Ausnahme der Endverbraucher; Unternehmen gemäß § 7 Abs. 1 Z 58 ("Speicherunternehmen"), § 13 ("Marktgebietsmanager") und § 17 ("Verteilergebietsmanager") des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 sind Erdgasunternehmen.
- Erdölunternehmen, nämlich dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegende Unternehmen, die Leitungsanlagen zum Zwecke des Transportes gasförmiger oder flüssiger Kohlenwasserstoffe betreiben.
- Fernwärmeversorgungsunternehmen, das sind Unternehmen, die zum Zwecke der entgeltlichen Versorgung Dritter Anlagen zur Erzeugung, Leitung und Verteilung von Fernwärme (Fernwärmeanlagen) betreiben.
Gebietskörperschaften (zB Gemeinden) sind keine Infrastrukturbetreiber iSd § 107 Abs. 2 EStG 1988, sodass für sie keine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr einer Abzugsteuer besteht.
Zahlungen, die nicht von einem der in Rz 8207c genannten Unternehmen geleistet werden, unterliegen nicht der Verpflichtung zum Steuerabzug und sind in der Veranlagung zu erfassen. Siehe dazu Rz 5173. Dies trifft insbesondere auf Zahlungen zu, die von Telekomunternehmen stammen oder die aus Anlass der Verlegung von Wasserleitungen durch Gemeinden erfolgen.