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30.1.5 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988)

BMF2023-0.871.8196.5.2021

Rz 7921
Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht aus innerstaatlicher Sicht ist das Vorhandensein einer Betriebsstätte, eines ständigen Vertreters im Inland oder - ab der Veranlagung 2006 - das Vorhandensein inländischen unbeweglichen (Betriebs)Vermögens. Bei Einkünften aus kaufmännischer oder technischer Beratung, aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung und aus der gewerblichen Tätigkeit als Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen ist dies nicht erforderlich; ausreichend ist die Beratung, Gestellung oder Tätigkeit im Inland.

Rz 7922
Abkommensrechtlich ist für die Zuteilung des Besteuerungsrechtes an Österreich idR eine Betriebsstätte erforderlich (Art. 7 OECD-Musterabkommen). Bei Einkünften als gewerblicher Künstler oder Sportler liegt ein österreichisches Besteuerungsrecht vor, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt wird (siehe Art. 17 OECD-Musterabkommen).

Rz 7923
Veräußerungsgewinne iSd § 24 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, sofern es sich um die Veräußerung oder Aufgabe eines inländischen Betriebes bzw. einer inländischen Betriebsstätte handelt. Ist das anzuwendende DBA diesbezüglich dem OECD-Musterabkommen nachgebildet, ist für die Zuteilung des Besteuerungsrechtes die Belegenheit des Betriebsvermögens maßgeblich (Art. 13 OECD-Musterabkommen). Nachträgliche positive oder negative Einkünfte nach Aufgabe der Betriebsstätte sind dem ehemaligen Betriebsstättenstaat zur steuerlichen Erfassung zu überlassen (VwGH 6.3.1984, 83/14/0107).

30.1.5.1 Betriebsstätte

Rz 7924
Maßgeblicher Anknüpfungspunkt bei den Einkünften nach § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 ist eine inländische Betriebsstätte. Der Betriebsstättenbegriff richtet sich nach § 29 BAO, dh. jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 31 BAO) dient. Als Betriebsstätten gelten insbesondere

Rz 7925
Für die Qualifikation als Betriebsstätte genügt es, dass eine Einrichtung vorliegt, in der dauernd eine Tätigkeit ausgeübt wird, die den Zweck des Unternehmens unmittelbar zu fördern bestimmt ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass in der Betriebsstätte Geschäftsabschlüsse getätigt oder Inkassi vorgenommen werden (VwGH 14.12.1955, 2286/52). Die Anforderungen an den Umfang der betrieblichen Handlungen, die zur Begründung einer Betriebsstätte erforderlich sind, sind umso geringer, je mehr sich die eigentliche gewerbliche Tätigkeit außerhalb einer festen örtlichen Anlage vollzieht (VwGH 1.10.1991, 90/14/0257).

Rz 7926
Mangels betrieblich genutzter Räumlichkeiten kann in Einzelfällen auch die Wohnung des Steuerpflichtigen, von der aus er seine gewerbliche Tätigkeit entfaltet und die ihm im Rahmen dieser Tätigkeit als Kontaktadresse dient, als Betriebsstätte angesehen werden. Es genügt, dass sich in der Wohnung eine, wenn auch nur geringfügige Tätigkeit für den Gewerbebetrieb abspielt (VwGH 12.12.1995, 94/14/0060). Eine Betriebsstätte kann für ein ausländisches Unternehmen durchaus in der inländischen Wohnung eines Dienstnehmers gegeben sein; denn auch vom Dienstnehmer angemietete Räumlichkeiten begründen für den Arbeitgeber eine Betriebsstätte, wenn sie für Zwecke des Unternehmes verwendet werden (vgl. dazu im Detail EAS 3415 mwN). Bei einem selbständigen Fernfahrer kann - wie bei einem selbständigen Handelsvertreter (VwGH 25.2.1987, 84/13/0053, vgl. auch VwGH 12.6.1985, 83/13/0158) - eine Betriebsstätte auch durch eine Wohnung begründet sein. Es genügt, dass sich in der Wohnung eine, wenn auch nur geringfügige Tätigkeit für den Gewerbebetrieb abspielt (VwGH 1.10.1991, 90/14/0257).

Rz 7927
Übt ein Abgabepflichtiger eine beratende Tätigkeit bzw. die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters im Inland aus und verfügt er am Ort seiner Tätigkeit über eine Wohnung, ist - wird nicht Gegenteiliges nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht - die Annahme berechtigt, dass die Wohnung in Bezug auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit als Betriebsstätte anzusehen ist (VwGH 24.10.1990, 86/13/0032). Die Frage, bei welcher Aktivitätsstruktur bzw. ab welcher Aktivitätsintensität ein von der Wohnung aus agierender Außendienstmitarbeiter (Vertreter) ohne formelle Abschlussvollmacht für ein ausländisches Unternehmen betriebsstättenbegründend wirkt, ist primär eine Sachverhaltsfrage, die nicht in generalisierender Weise entschieden werden kann. In Fällen der gegenständlichen Art kann sowohl die berufliche Nutzung der Wohnung als auch ein mit dem wirtschaftlichen Produktverkauf verbundener standardisierter Bestellvorgang zum Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte führen.

Rz 7927a
Nach herrschender Auffassung wird im Fall der bloßen Vergabe von Heimarbeit im Sinne des Heimarbeitsgesetzes 1960 in der Wohnung des Heimarbeiters keine Betriebstätte für den Arbeitgeber begründet (vgl LStR 2002 Rz 405; EAS 3415 mwN). Damit ist aber auch auf der Ebene des DBA die Voraussetzung des Bestandes einer "festen Geschäftseinrichtung", nicht erfüllt, sodass korrespondierend nationales und internationales Steuerrecht keine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens aufleben lassen.

Rz 7928
Zu den Merkmalen einer Betriebsstätte gehört auch, dass sich die feste Geschäftseinrichtung dauerhaft in der Verfügungsmacht des Unternehmers befindet. Im Allgemeinen wird eine Verfügungsdauer von sechs Monaten hiefür ausreichen. Die bloße Mitbenutzung einer Geschäftseinrichtung (zB die bloßen Mitbenutzungsrechte an einem Schreibtisch, VwGH 25.11.1992, 91/13/0144) reichen für die Annahme einer Betriebsstätte nicht aus. Wird allerdings in einem Großraumbüro ein Arbeitsplatz einem ausländischen Unternehmen dauerhaft und ausschließlich überlassen, dann begründet dieser Arbeitsplatz eine Betriebsstätte für das ausländische Unternehmen. Überlässt ein inländisches Unternehmen einem ausländischen Unternehmen einen ihrer Geschäftsräume und findet in untergeordnetem Ausmaß ein Betreten des Raumes durch Mitarbeiter des inländischen Unternehmens statt, so liegt die für die Annahme einer Betriebsstätte erforderliche Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtungen vor (VwGH 21.5.1997, 96/14/0084).

Betriebsstättenbegründend kann bei maßgebender Stellung in der Führung der betrieblichen Tätigkeit auch ein zur Verfügung gestellter Bürocontainer sein, selbst wenn auf Grund der Eigenart der Tätigkeit dieser nur für kürzerer Zeiträume in mehreren aufeinander folgenden Jahren benutzt wird und betriebliche Handlungen auch außerhalb desselben erfolgen (VwGH 18.3.2004, 2000/15/0118).

Rz 7929
Die betriebliche Tätigkeit in Anlagen und Einrichtungen iSd § 29 BAO muss nicht durch Menschen ausgeübt werden, auch bloße Verkaufsautomaten, Bräunungsanlagen und Geldspielautomaten werden daher bereits als Betriebsstätten angesehen (soweit nicht eine bloße Vermietung der Geräte an einen Betreiber vorliegt). In diesem Sinne kann auch ein Server (Computer), über den der Unternehmer Verfügungsmacht hat und über den er seine Tätigkeit zumindest teilweise ausübt, für ihn eine Betriebsstätte darstellen; ein bloßes Mitbenutzungsrecht im Sinne des Nutzens von am Server zur Verfügung gestelltem Speicherplatz reicht hingegen als Betriebsstätte nicht aus. Ein Lastkraftwagen auf Geschäftsfahrt ist keine Betriebsstätte im Sinne der steuerlichen Vorschriften (VwGH 10.9.1962, 1948/60).

Rz 7930
Dem Art. 5 OECD-Musterabkommen nachgebildete DBA definieren die Betriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Die Abkommensdefinition entspricht grundsätzlich der Begriffsumschreibung des § 29 BAO, unterscheidet sich jedoch in einigen Aspekten. Bspw. sind Ausnahmen vorgesehen (insbesondere für verschiedene Geschäftseinrichtungen mit bloß unterstützendem Hilfscharakter). In der internationalen Praxis wird idR ab einer mehr als 6-monatigen Ausübung der Geschäftstätigkeit in einer festen Einrichtung von einer Betriebsstätte ausgegangen (siehe Rz 6 des OECD-Kommentars zu Art. 5). Aus der Verkehrsanschauung zum Begriff der festen Geschäftseinrichtung, in welcher ganz oder teilweise die Tätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird, hat der VwGH abgeleitet, dass dieser Begriff bereits Einrichtungen von einer ein halbes Jahr übersteigenden Dauer erfassen könnte (VwGH 21.5.1997, 96/14/0084). Die abweichende Abkommensauslegung im Verhältnis zur Schweiz (12 Monate, Erlass AÖF Nr. 34/2000) ist zu beachten. Ist das anzuwendende DBA diesbezüglich dem Art. 5 OECD-Musterabkommen nachgebildet, so ist eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet.

Rz 7931
Das Vorliegen einer Betriebsstätte ist vom zuständigen Finanzamt zu beurteilen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, ob der Sachverhalt auf österreichischer und auf Seite des Ansässigkeitsstaates des beschränkt Steuerpflichtigen korrespondierend beurteilt wird. Ein Besteuerungsnachweis der ausländischen Steuerverwaltung kann dabei als Indiz für deren Beurteilung des Vorliegens einer festen Einrichtung dienen. Im Interesse der Sicherung des inländischen Steueraufkommens, aber auch zur Vermeidung von internationaler "Doppelnichtbesteuerung" ist der Betriebsstättenbegriff im Zweifel keiner restriktiven Auslegung zugänglich.

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