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27. Besondere Aufsichtsmaßnahmen zur Sicherung des Steueranspruches (§ 27 UStG 1994)

BMF2021-0.835.98330.11.2021

27.1. Haftung bei Sorgfaltsverletzung

27.1.1. Plattformen und andere elektronische Schnittstellen

Rz 3461
Ab 1.1.2020 haften Plattformen und andere elektronische Schnittstellen (im Folgenden: Plattformen), für die Umsatzsteuer auf bestimmte Lieferungen oder sonstige Leistungen, die durch diese unterstützt werden (zur Unterstützung siehe Rz 2595). Betroffen sind einerseits Lieferungen von Gegenständen, deren Beförderung oder Versendung im Inland endet, und andererseits sonstige Leistungen im Inland, jeweils wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer (bzw. Abnehmer gemäß Art. 3 Abs. 4 UStG 1994) ist.

Die Haftung für solche Lieferungen oder sonstige Leistungen greift nur,

  • wenn es zu einer Sorgfaltspflichtverletzung kommt (siehe § 27 Abs. 1 UStG 1994),
  • die Plattform nicht selber Steuerschuldner für die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ist (vgl. Rz 382 ff) und
  • der Gesamtwert dieser Umsätze zusammen mit den Umsätzen, für die die Plattform gemäß § 3 Abs. 3a UStG 1994 selber zum Steuerschuldner wird, 1.000.000 Euro übersteigt (§ 3 Z 1 Sorgfaltspflichten-UStV).

Rz 3462
Eine Sorgfaltspflichtverletzung gemäß § 27 Abs. 1 UStG 1994 liegt vor, wenn die Plattform ihren Aufzeichnungs- oder Meldeverpflichtungen nach § 18 Abs. 11 und 12 UStG 1994 nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt.

Darüber hinaus liegt eine Sorgfaltspflichtverletzung der Plattform vor, wenn der Unternehmer, der die durch die Plattform unterstützten Umsätze ausführt, bestimmte Schwellenwerte (bei sonstigen Leistungen 35.000 Euro pro Kalenderjahr; bei Lieferungen 10.000 Euro pro Kalenderjahr) überschreitet und der Unternehmer der Plattform keine der folgenden Informationen oder Nachweise übermittelt:

  • seine inländische UID;
  • Informationen über den Mitgliedstaat der Identifikation, in dem der Leistungserbringer einen One-Stop-Shop in Anspruch nimmt, samt UID aus diesem Staat (vgl. § 25a, § 25b UStG 1994 bzw. Art. 25a UStG 1994);
  • bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen: Informationen über den Mitgliedstaat der Identifikation, in dem der IOSS in Anspruch genommen wird, und die IOSS Identifikationsnummer des Unternehmers (vgl. § 25b UStG 1994);
  • andere Nachweise (zB Steuernummer bei Kleinunternehmern), die belegen, dass er seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt.

Das Überschreiten der Schwellenwerte ist von der Plattform zumindest einmal im Kalenderquartal zu überprüfen.

Bekommt die Plattform die notwendigen Informationen oder Nachweise (zB inländische UID-Nummer) von dem zugrundeliegenden Lieferanten oder Erbringer der sonstigen Leistung nicht innerhalb eines Monats ab Überprüfung, haftet die Plattform für die Steuer auf die zugrundeliegenden Umsätze nach Ablauf dieses Monats.

Beispiel:

Eine Plattform unterstützt die Überlassung von Grundstücken für Wohn- oder Campingzwecke und die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen an Nichtunternehmer. Unternehmer A, der seine Beherbergungsleistungen im Inland über diese Plattform anbietet, bezahlt der Plattform 2% der über die Plattform abgewickelten Umsätze als Vermittlungsprovision. Die Plattform vereinnahmt von A 1.000 Euro (Umsätze von A iZm der Nutzung der Plattform: 1.000 Euro / 2 x 100 = 50.000 Euro). A teilt der Plattform seine österreichische UID mit. Die Plattform erfüllt ihre Aufzeichnungspflicht gemäß § 18 Abs. 11 UStG 1994 in Verbindung mit § 4 und § 5 der Sorgfaltspflichten-UStV.

Lösung:

Die Plattform ist Unternehmer iSd § 18 Abs. 11 UStG 1994. Da die Plattform ihren Aufzeichnungspflichten gemäß § 18 Abs. 11 UStG 1994 iVm § 4 und § 5 der Sorgfaltspflichten-UStV nachgekommen ist und A seine österreichische UID mitgeteilt hat, hat die Plattform ihre Sorgfaltspflicht gemäß § 3 Z 1 Sorgfaltspflichten-UStV ausreichend erfüllt und es kann zu keiner Haftung gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kommen.

Hätte A seine UID nicht mitgeteilt (und keine anderen Nachweise erbracht), sollte die Plattform ihn von der Nutzung der Plattform ausschließen, wenn sie von ihm nicht innerhalb eines Monats die notwendigen Nachweise erhält. Andernfalls haftet die Plattform für die Steuer hinsichtlich der genannten Umsätze von A ab diesem Zeitpunkt (§ 3 der Sorgfaltspflichten-UStV iVm § 27 Abs. 1 Z 1 UStG 1994).

27.1.2. Beteiligte Unternehmer

Rz 3463
Neben Plattformen, die Umsätze iSd § 18 Abs. 11 UStG 1994 unterstützen, sieht § 27 Abs. 1 UStG 1994 eine Verordnungsermächtigung vor, mit der auch für beteiligte Unternehmer bei Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung eine Haftung vorgesehen werden kann. Die Haftung ist auf Versandhandelsumsätze und sonstige Leistungen an Nichtunternehmer beschränkt.

Die Sorgfaltspflichten-UStV sieht eine solche Haftung nur für jene Plattformen (zB Suchmaschine, Preisvergleichsseite) vor, die lediglich in den Webshop oder auf die Webseite eines Leistungserbringers weiterleiten (vgl. §§ 1 und 2 der Sorgfaltspflichten-UStV). Die Haftung setzt voraus, dass die Plattform für ihre Leistung vom Leistungserbringer eine (zumindest teilweise) Umsatzbeteiligung erhält und die Summe (insgesamt für alle zugrundeliegenden Lieferanten und Leistungserbringer) dieser vermittelten Umsätze 1.000.000 Euro übersteigt.

Beispiel 1:

Eine Suchmaschine leitet Kunden auf die Website von Lieferanten weiter. Die Lieferanten haben pro weitergeleitetem Kunden - egal ob dieser in Österreich, dem übrigen Gemeinschaftsgebiet oder in einem Drittland ansässig ist -, der im Zuge der Weiterleitung Waren bestellt, 1% der Bemessungsgrundlage der Lieferung an die Suchmaschine als Vermittlungsentgelt zu bezahlen. Aufgrund dieser Vereinbarungen vereinnahmt die Suchmaschine von den Lieferanten insgesamt 40.000 Euro.

Lösung:

Da die über die Suchmaschine zustande gekommenen Umsätze der Lieferanten 4.000.000 Euro (40.000 Euro x 100 = 4.000.000 Euro) betragen, gilt die Suchmaschine als beteiligter Unternehmer iSd § 27 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 iVm § 1 Sorgfaltspflichten-UStV. Daher ist zu überprüfen, ob die Suchmaschine ausreichend sorgfältig iSd § 3 Z 2 der Sorgfaltspflichten-UStV ist (siehe Beispiel 2).

Die Sorgfaltspflichtverletzung der Plattform setzt voraus, dass der Unternehmer, der die zugrundeliegenden Umsätze an Personen mit österreichischer IP-Adresse ausführt, bestimmte Schwellenwerte (bei sonstigen Leistungen 35.000 Euro pro Kalenderjahr; bei Lieferungen 10.000 Euro pro Kalenderjahr) überschreitet und der Unternehmer der Plattform keine der folgenden Informationen oder Nachweise übermittelt:

  • seine inländische UID,
  • Informationen über den Mitgliedstaat der Identifikation, in dem der Leistungserbringer einen One-Stop-Shop in Anspruch nimmt, samt UID aus diesem Staat (vgl. § 25a, § 25b UStG 1994 bzw. Art. 25a UStG 1994),
  • bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen: Informationen über den Mitgliedstaat der Identifikation, in dem der IOSS in Anspruch genommen wird, und die IOSS Identifikationsnummer des Unternehmers,
  • andere Nachweise, die belegen, dass er seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt.

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1. Die Suchmaschine leitet Personen, die mit österreichischer IP-Adresse auftreten, in den Webshop eines deutschen Lieferanten weiter. Aufgrund dieser Weiterleitungen generiert der deutsche Lieferant Umsätze in Höhe von 15.000 Euro an diese Personen. Der deutsche Lieferant teilt der Suchmaschine seine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nummer) mit.

Lösung:

Da der deutsche Lieferant der Suchmaschine seine österreichische UID-Nummer mitgeteilt hat, hat die Suchmaschine ihre Sorgfaltspflicht ausreichend erfüllt und es kann zu keiner Haftung gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 kommen.

Bekommt der beteiligte Unternehmer die notwendigen Informationen oder Nachweise (zB inländische UID-Nummer) nicht innerhalb eines Monats von dem zugrundeliegenden Lieferanten oder Erbringer der sonstigen Leistung, haftet der beteiligte Unternehmer für die Steuer auf die zugrundeliegenden Umsätze ab diesem Zeitpunkt.

Randzahlen 3464 bis 3490: derzeit frei.

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