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22.4 Ermittlung des Zinsüberhangs (§ 12a Abs. 3 KStG 1988)

BMF2021-0.768.4855.11.2021

22.4.1 Allgemeines

Rz 1309ar
Für die Ermittlung des Zinsüberhangs sind gemäß § 12a Abs. 3 KStG 1988 die abzugsfähigen Zinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahres den steuerpflichtigen Zinserträgen gegenüberzustellen. Die in den Zinsüberhang einfließenden Zinsaufwendungen und Zinserträge ergeben sich aus dem für Zwecke der Zinsschranke maßgeblichen Zinsbegriff (siehe Rz 1309at ff).

Rz 1309as
Die Anwendung der Zinsschranke setzt gemäß § 12a Abs. 1 iVm Abs. 3 KStG 1988 definitionsgemäß voraus, dass ein Überhang abzugsfähiger Zinsaufwendungen vorliegt ("Zinsüberhang"), dh. die abzugsfähigen Zinsaufwendungen müssen die steuerpflichtigen Zinserträge im jeweiligen Wirtschaftsjahr übersteigen (Nettobetrachtung). Zinsaufwendungen, die bereits einem anderen allgemeinen (§ 12 Abs. 2 KStG 1988) oder speziellen Abzugsverbot (§ 12 Abs. 1 Z 9 oder Z 10 KStG 1988) unterliegen, sind daher bei der Ermittlung des Zinsüberhangs nicht zu berücksichtigen.

22.4.2 Zinsbegriff

22.4.2.1 Allgemeines

Rz 1309at
§ 12a Abs. 3 letzter Satz KStG 1988 definiert den für die Ermittlung des Zinsüberhangs maßgeblichen Zinsbegriff, der in korrespondierender Betrachtung sowohl ausgabenseitig (Zinsaufwendungen) als auch einnahmenseitig (Zinserträge) zu verstehen ist. Die Berücksichtigung der von § 12a Abs. 3 letzter Satz KStG 1988 erfassten Zinsaufwendungen für Zwecke der Ermittlung des Zinsüberhangs erfolgt jedoch ungeachtet dessen, ob der korrespondierende Zinsertrag empfängerseitig der Steuerpflicht unterliegt. Ebenso ist es für Zwecke der Ermittlung des Zinsüberhangs unbeachtlich, wer der Empfänger der korrespondierenden Zinserträge ist, sodass auch Zinszahlungen an unabhängige Dritte unter den Zinsbegriff der Zinsschranke fallen.

Zinsen liegen auch dann vor, soweit sie in Ausschüttungen oder ausschüttungsgleichen Erträgen aus einem den §§ 186 und 188 InvFG 2011 unterliegenden Gebilde enthalten sind (vgl. InvFR 2018 Rz 338 f). Dies gilt nicht bei Nichtmeldefonds, für die auch kein Selbstnachweis gemäß § 186 Abs. 2 Z 3 InvFG 2011 erbracht wird.

Bei ausländischen Zinsen ist der Bruttobetrag - dh. vor Abzug einer etwaigen ausländischen Quellensteuer - für Zwecke der Zinsschranke heranzuziehen.

22.4.2.2 Definition

Rz 1309au
§ 12a Abs. 3 letzter Satz KStG 1988 zufolge sind Zinsen jegliche Vergütungen für Fremdkapital einschließlich sämtlicher Zahlungen für dessen Beschaffung sowie sonstige Vergütungen, die mit diesen Vergütungen und Zahlungen wirtschaftlich gleichwertig sind. Diese allgemeine Definition von Zinsen im Sinne des § 12a Abs. 3 KStG 1988 geht auf Art. 2 Abs. 1 ATAD zurück (zu Aufwendungen, die nach den Vorgaben der ATAD jedenfalls als Zinsaufwendungen zu behandeln sind, siehe sogleich Rz 1309bc f).

Rz 1309av
Ob Vergütungen für die Überlassung des Kapitals fix oder variabel ausgestaltet ist oder ob die Kapitalrückzahlung von bestimmten Bedingungen bzw. von der Entwicklung eines Basiswertes abhängt, hat für das Vorliegen von Zinsen im Sinne des § 12a Abs. 3 KStG 1988 keine Bedeutung.

Rz 1309aw
Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Disagio oder Damnum sind vom Zinsbegriff des § 12a Abs. 3 letzter Satz KStG 1988 erfasst. Durch die ausdrückliche Einbeziehung von Zahlungen für die Beschaffung von Fremdkapital sind vom Zinsbegriff für Zwecke der Zinsschranke insbesondere auch Geldbeschaffungskosten erfasst, womit der Zinsbegriff des § 12a Abs. 3 KStG 1988 etwa über den engen Zinsbegriff in § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 hinausgeht (siehe dazu Rz 1252 ff).

Rz 1309ax
Von einer Erfüllung des Zinsbegriffes für Zwecke der Zinsschranke ist auch dann auszugehen, wenn ein Wirtschaftsgut angeschafft und der Kaufpreis nicht nur kurzfristig - dh. grundsätzlich über ein Jahr - gestundet oder eine Ratenzahlung vereinbart wird. In diesem Fall ist die über den Barwert hinausgehende Zinskomponente des Kaufpreises bzw. der einzelnen Rate beim Schuldner als Zinsaufwand und beim Gläubiger als Zinsertrag zu erfassen.

Rz 1309ay
Auch Nebenkosten wie Provisionen und Gebühren, die im Zusammenhang mit der Fremdkapitalaufnahme geleistet werden (zB Bearbeitungsgebühren, Verwaltungsprovisionen und -gebühren), sind vom allgemeinen Zinsbegriff für Zwecke der Zinsschranke erfasst (zu Vermittlungsgebühren im Besonderen siehe Rz 1309bd). Auch Vorfälligkeitsentschädigungen, die für die vorzeitige Beendigung eines Darlehensvertrages geleistet werden, sind als im Zusammenhang mit der Beschaffung von Kapital anfallende Zahlungen und daher als vom Zinsbegriff des § 12a Abs. 3 KStG 1988 mitumfasst zu sehen.

Rz 1309az
Bereitstellungszinsen sind als wirtschaftlich gleichwertige Vergütungen ebenfalls vom allgemeinen Zinsbegriff erfasst. Dasselbe gilt für vertragliche und gesetzliche Verzugszinsen.

Rz 1309ba
Aufwendungen im Zusammenhang mit unechtem Factoring und unechter Forfaitierung sind vom Zinsbegriff für Zwecke der Zinsschranke erfasst; das ist dann der Fall, wenn der Zessionar nicht das Ausfallsrisiko der Forderung übernimmt (zum echten Factoring und zur echten Forfaitierung siehe Rz 1309bh). Der Unterschiedsbetrag zwischen Kaufpreis und Einlösungsbetrag der Forderung stellt dann wirtschaftlich gesehen einen Zinsaufwand bzw. einen Zinsertrag dar.

Rz 1309bb
Auf- und Abzinsungen von langfristigen unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Forderungen (siehe EStR 2000 Rz 2362) und Verbindlichkeiten (siehe EStR 2000 Rz 2446 und 3309c), die in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Zinskomponente enthalten, sind vom Zinsbegriff des § 12a Abs. 3 KStG 1988 ebenfalls erfasst.

Die Abzinsung langfristiger Rückstellungen ist nicht vom Zinsbegriff des § 12a Abs. 3 KStG 1988 erfasst (siehe Rz 1309be).

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