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4. Teil: Abgabenbehördliche Verrechnungspreisprüfung

BMF2021-0.586.6167.10.2021

4.1. Abgabenbehördliche Berichtigungen

4.1.1. Einleitung

Rz 498
Entsprechen die Verrechnungspreise eines multinationalen Konzerns nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, so kann die Abgabenbehörde in einem Land den Gewinn eines verbundenen Unternehmens berichtigen (Primärberichtigung). Im anderen betroffenen Land muss sodann der Gewinn des anderen verbundenen Unternehmens im Wege einer Gegenberichtigung korrigiert werden, um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (primäre Gegenberichtigung). Diese primäre Gewinnkorrektur (Erhöhung oder Kürzung), welche in Österreich auf Basis von § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA erfolgt, hat zwangsläufig eine Rückwirkung auf das steuerliche Betriebsvermögen der betroffenen Konzerngesellschaft, welche durch den Ansatz einer Verrechnungspreisforderung oder -verbindlichkeit zum Ausdruck kommt. Scheidet diese Art der Sekundärberichtigung aus (siehe Rz 509), so ist zu prüfen, ob als Sekundärberichtigung eine verdeckte Ausschüttung oder eine verdeckte Einlage im Sinne von § 8 KStG 1988 vorliegt.

4.1.2. Primärberichtigungen

Rz 499
Werden auf der Grundlage von § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA bei einem multinationalen Konzern die Gewinne der inländischen Konzerngesellschaft wegen eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz erhöht, stellt dies die Primärberichtigung dar.

Beispiel:

Die österreichische T-GmbH (Tochtergesellschaft) erzeugt für die amerikanische M-Corp (Muttergesellschaft) Produkte, die von der amerikanischen M-Corp vertrieben werden. Im Zuge einer die Jahre X1 bis X3 umfassenden Außenprüfung bei der T-GmbH kommen die österreichischen Prüfungsorgane im Jahr X5 zu dem Ergebnis, dass Produktentwicklungskosten doppelt nach Österreich belastet worden sind, einmal im Wege einer besonderen Lizenzgebühr und ein zweites Mal dadurch, dass Teile der durch die Lizenzgebühr abgedeckten Entwicklungskosten auch in einer nach Österreich verrechneten Kostenumlage enthalten waren. Bei ordnungsgemäßer Verrechnungspreisgestaltung hätte der Gewinn der österreichischen Tochtergesellschaft um 100.000 höher ausfallen müssen. Der Gewinn der österreichischen T-GmbH wird daraufhin für die Jahre X1 bis X3 im Prüfungsverfahren um insgesamt 300.000 erhöht (Primärberichtigung).

Rz 500
Um zu vermeiden, dass durch eine Primärberichtigung der Effekt einer (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung eintritt, indem die gleiche Bemessungsgrundlage bei mehreren Steuerpflichtigen verschiedener Staaten besteuert wird, muss im DBA-Partnerstaat aufgrund von Art. 9 OECD-MA eine korrespondierende Gegenberichtigung (primäre Gegenberichtigung) erfolgen, wenn internationales Einvernehmen über die Fremdverhaltenskonformität der Primärberichtigung besteht. Art. 9 Abs. 2 OECD-MA bestätigt die Gegenberichtigungspflicht, wobei der Bestimmung auf österreichischer Seite eine bloß klarstellende Funktion beigemessen wird.

Beispiel:

Die im vorstehenden Beispiel bei der T-GmbH für die Jahre X1 bis X3 vorgenommene Gewinnerhöhung von 300.000 muss grundsätzlich zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung bei der M-Corp in den USA führen, wenn beide Vertragsstaaten eine Einigung über die sachliche Richtigkeit der Korrekturmaßnahme erzielen. Hierbei verlangt es das Prinzip der korrespondierenden Gegenberichtigung, dass diese periodengerecht auf die Jahre X1 bis X3 verteilt wird; und zwar auch dann, wenn die T-GmbH den Betrag von 300.000 erst im Jahr X5 von der M-Corp rückfordert.

Rz 501
Kann von der ausländischen Konzerngesellschaft eine Gegenberichtigung im anderen Staat trotz Vorlage einer einwandfreien Dokumentation über die österreichische Primärberichtigung nicht erwirkt werden, steht hierzu die Möglichkeit eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens (Rz 525) zur Verfügung.

Rz 502
Eine vom zuständigen Finanzamt geprüfte und als fremdverhaltenskonform beurteilte ausländische Primärberichtigung kann von Amts wegen unilateral als Grundlage für eine österreichische Gegenberichtigung nach § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA herangezogen werden (korrespondierende, primäre Gegenberichtigung). Eines Verständigungsverfahrens bedarf es hierzu nicht notwendigerweise (EAS 2493). Der Abgabepflichtige, der eine derartige Gegenberichtigung anstrebt, hat beim zuständigen Finanzamt einen Antrag zu stellen, aus dem hervorgeht, dass eine korrespondierende Gegenberichtigung nach § 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA erwirkt werden soll. Neben den Angaben zum Steuerpflichtigen hat das Anbringen folgende Unterlagen zu enthalten: die entsprechenden Nachweise über die sachliche Richtigkeit der ausländischen Korrekturen, eine genaue Sachverhaltsdarstellung (inkl. allfälliger Informationen über die Beziehungen zwischen den vom Antrag erfassten Abkommensberechtigten, zB Beteiligungsstruktur und -verhältnisse), betroffener Besteuerungszeitraum, betreffende Steuerbemessungsgrundlage und Angaben über allfällige relevante Rechtsmittel (siehe auch Abschnitt B.2.1.2. der Info des BMF vom 24.7.2019, BMF-010221/0237-IV/8/2019). Das Finanzamt hat vom Abgabepflichtigen außerdem Informationen einzuholen, mit denen sichergestellt werden kann, dass keine doppelte Nichtbesteuerung erfolgt (zB rechtskräftige ausländische Steuerbescheide, Bericht einer ausländischen Außenprüfung, Dokumentation zur Fremdvergleichskonformität der ausländischen Primärberichtigung). Eine automatische Gegenberichtigung zu ausländischen Gewinnberichtigungen ist jedenfalls nicht zulässig.

Rz 503
Für den Gegenberichtigungsantrag kommen verschiedene verfahrensrechtliche Grundlagen in Betracht. Sofern ein Wiederaufnahmegrund vorliegt, zB weil im Rahmen der Bearbeitung der Gegenberichtigung neue, entscheidungswesentliche Tatsachen hervorkommen, kann das Verfahren auf Basis des § 303 BAO wiederaufgenommen werden. Die Berichtigung durch den anderen Staat stellt für sich keine neue Tatsache dar (BFG 29.12.2017, RV/6100410/2017). Auch eine Berichtigung nach § 299 BAO oder ein Rechtsmittel gemäß § 243 BAO können als Antragsgrundlage herangezogen werden. Bei jedem dieser Anbringen, die eine Änderung der österreichischen Besteuerungsgrundlagen zum Gegenstand haben, sind die jeweiligen Fristen und Verjährungsbestimmungen der BAO zu beachten. Ist bereits die Verjährung eingetreten, kann diese nur noch in Umsetzung der Lösung eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens durchbrochen werden (vgl. Abschnitt B.6.4 der Info des BMF vom 24.7.2019, BMF-010221/0237-IV/8/2019). Ein Antrag gemäß § 48 Abs. 5 BAO wird in der Regel für eine korrespondierende Gegenberichtigung nicht in Betracht kommen, da dieser nur dann anwendbar ist, wenn eine Streitbeilegungsbeschwerde erfolglos war oder ein Verständigungsverfahren nicht möglich oder bereits gescheitert ist.

Rz 504
Auch seitens des Abgabepflichtigen sind zur Herstellung eines fremdvergleichskonformen Zustands nachträgliche (d.h. nach Einreichung der Steuererklärung und Festsetzung der Steuer) Korrekturen der Verrechnungspreise in Österreich möglich, sofern dies die Verfahrensvorschriften (siehe Rz 503) zulassen (Hinweis auf OECD-MK Art. 9 Z 6.1). Begehrt der Abgabepflichtige eine Gegenberichtigung in Österreich, um nachträglich im Ausland selbst vorgenommene Korrekturen (zB zur Beseitigung von Schreib- oder Rechenfehlern) zu berichtigen, so gelten die Ausführungen der voranstehenden Randziffern. Ist keine korrespondierende Gegenberichtigung möglich und kommt es dadurch zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, kann diese im Wege eines Verständigungsverfahrens beseitigt werden (Rz 525).

Rz 505
Handelt es sich bei den fremdunüblichen Leistungsbeziehungen um solche zwischen einer niedrigbesteuerten beherrschten ausländischen Körperschaft und ihrer inländischen beherrschenden Körperschaft (bzw. weiteren inländischen verbundenen Unternehmen), so geht die Verrechnungspreiskorrektur gemäß § 6 Z 6 EStG 1988 der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 10a KStG 1988 vor (KStR 2013 Rz 1248ac). Bei der Ermittlung des Einkommens der ausländischen Körperschaft zur Feststellung einer möglichen Niedrigbesteuerung ist daher der fremdübliche Verrechnungspreis anzusetzen, sofern eine fremdunübliche Leistungsbeziehung zwischen der ausländischen Körperschaft und ihrer inländischen beherrschenden Körperschaft bereits zu einer Verrechnungspreiskorrektur im Inland geführt hat (KStR 2013 Rz 1248ay). Auch bei der sinngemäßen Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Passiveinkünfte ist der fremdübliche Verrechnungspreis anzusetzen (KStR 2013 Rz 1248ds).

Rz 506
Die vorstehenden Grundsätze gelten sinngemäß auch für Unternehmen, die grenzüberschreitend durch Betriebsstätten tätig sind.

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