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3.14. Reihengeschäfte ab 1.1.2020

BMF2021-0.835.98330.11.2021

3.14.1. Voraussetzungen für Reihengeschäfte

Rz 474g
Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über dieselben Gegenstände abschließen und diese Gegenstände unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer (Empfänger) in der Reihe befördert oder versandt werden. Nicht maßgeblich ist, wie viele Personen Teil des Reihengeschäfts sind und ob es sich um Warenlieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets oder mit Drittlandbezug handelt. Die Bestimmung kommt auch zur Anwendung, wenn die letzte Person in der Reihe ein Nichtunternehmer ist.

Bei Reihengeschäften ist zu beachten, dass die Umsätze (gedanklich) zeitlich hintereinander stattfinden und der Ort jedes Umsatzes für sich bestimmt werden muss. Hierbei gilt, dass die Warenbewegung nur einem Umsatz in der Reihe zugeordnet werden kann (bewegte Lieferung). Innerhalb eines Reihengeschäftes kann nur die bewegte Lieferung - unter den allgemeinen Voraussetzungen - als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung von der Steuer befreit bzw. als Versandhandelsumsatz behandelt werden. Die Zuordnung der Warenbewegung erfolgt nach Maßgabe der folgenden Regelungen:

Für die der bewegten Lieferung vor- und nachgelagerten Umsätze eines Reihengeschäftes (ruhende Lieferungen) wird in § 3 Abs. 15 Z 3 und Z 4 UStG 1994 der Leistungsort normiert. Lieferungen in der Reihe vor der bewegten Lieferung werden dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Lieferungen in der Reihe nach der bewegten Lieferung gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.

Beispiel 1:

Der Hersteller Ö in Wien verkauft eine Ware an den Großhändler D1 in Köln. D1 wiederum verkauft die Ware weiter an seinen Kunden D2 in Deutschland. D1 holt die Ware von Ö ab und befördert sie zum Kunden D2. D1 gibt bei seinem Lieferanten seine deutsche UID an.

Lösung:

D1 ist Zwischenhändler. Die Lieferung des Ö an D1 gilt gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. c iVm § 3 Abs. 8 UStG 1994 in Österreich als ausgeführt. Die Lieferung ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung - unter den allgemeinen Voraussetzungen - steuerfrei. In Deutschland wird D1 einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern haben. Der Lieferort der zweiten Lieferung liegt, unabhängig davon ob D2 Unternehmer ist, gemäß § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 am Ende der Beförderung (dh. in Deutschland).

Beispiel 2:

Der Hersteller D1 in München verkauft eine Ware an den Großhändler D2 in Berlin und dieser wiederum an seinen Kunden Ö in Wien. D2 holt die Ware von D1 ab und befördert sie zu seinem Kunden Ö. D2 teilt D1 seine deutsche UID mit.

Lösung:

Die Lieferung durch den Zwischenhändler D2 an Ö ist gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Ist Ö Unternehmer, liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 zwar nicht im Inland, Ö verwirklicht in Österreich jedoch einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach Art. 1 UStG 1994. Ist Ö eine Privatperson, liegt der Lieferort für die Lieferung an Ö aufgrund der innergemeinschaftlichen Versandhandelsregelung (Art. 3 Abs. 3 UStG 1994) in Österreich (bis 30.6.2021 ist die Lieferschwelle zu beachten). Der Lieferort für die Lieferung des D1 an den Zwischenhändler D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 in Deutschland.

Beispiel 3:

Der Hersteller D1 in München verkauft eine Ware an den Händler D2 in Berlin. D2 verkauft die Ware an den Großhändler Ö1 in Wien, der die Waren wiederum an seinen Kunden Ö2 in Wiener Neustadt verkauft. D2 holt die Waren von München ab und befördert sie direkt zum Kunden Ö2. D2 teilt D1 seine deutsche UID mit.

Lösung:

D2 ist Zwischenhändler iSd § 3 Abs. 15 Z 6 UStG 1994, da er die Waren befördert. Die Lieferung durch den Zwischenhändler D2 an Ö1 ist gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Zwar liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 in Deutschland, in Österreich hat Ö1 jedoch einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach Art. 1 UStG 1994 zu versteuern. Der Lieferort der Lieferung durch D1 an D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung (dh. in Deutschland). Der Lieferort für die Lieferung zwischen Ö1 und Ö2 liegt - unabhängig davon ob Ö2 Unternehmer ist - gemäß § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich.

Rz 474h
Zwischenhändler ist ein Lieferer innerhalb der Reihe, der die Gegenstände befördert oder versendet. Der erste Lieferer und der letzte Abnehmer können nicht Zwischenhändler sein. Die Gegenstände werden grundsätzlich durch jenen Unternehmer befördert oder versendet, auf dessen Rechnung die Beförderung oder Versendung erfolgt, das ist jener Unternehmer, der die Gefahr für den zufälligen Untergang der Gegenstände beim Transport trägt.

Beispiel 1:

Der österreichische Unternehmer Ö1 verkauft Waren an den österreichischen Unternehmer Ö2, der diese wiederum an den deutschen Unternehmer D verkauft. Ö2 beauftragt den Spediteur S, der die Waren direkt von Ö1 zu D nach Deutschland befördert.

Lösung:

Da die Güterbeförderung auf Rechnung des Ö2 erfolgt, ist ihm die Versendung zuzuschreiben. Dh. Ö2 ist Zwischenhändler. Tritt Ö2 mit seiner österreichischen UID-Nummer gegenüber Ö1 auf, liegt die bewegte Lieferung zwischen Ö2 und D vor. Diese ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung - unter den allgemeinen Voraussetzungen - steuerfrei. Der Lieferort der Lieferung von Ö1 an Ö2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Versendung (dh. in Österreich).

Beispiel 2:

Der österreichische Unternehmer Ö1 verkauft Waren an den österreichischen Unternehmer Ö2. Dieser verkauft die Waren an Ö3, der die Waren wiederum an D1 verkauft, welcher sie schlussendlich an D2 verkauft. Ö1, Ö2 und Ö3 verkaufen die Waren ab Werk, der Transport erfolgt nicht auf ihre Rechnung. D1 hingegen verkauft die Waren frei Haus, der Transport erfolgt auf seine Rechnung. D1 führt den Transport allerdings nicht selber durch, sondern beauftragt Ö1 mit der Beförderung. Ö1 transportiert die Waren auf Rechnung des D1 direkt zu D2 nach Deutschland.

Lösung:

Da die Güterbeförderung auf Rechnung des D1 erfolgt, ist die Versendung - auch wenn er einen Dritten in der Reihe beauftragt - D1 zuzuschreiben. Dh. D1 ist Zwischenhändler. Tritt D1 nicht mit seiner österreichischen UID-Nummer gegenüber Ö3 auf, liegt die bewegte Lieferung zwischen Ö3 und D1 vor (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. c UStG 1994). Diese ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung - unter den allgemeinen Voraussetzungen - steuerfrei. Der Lieferort der Lieferung von Ö1 an Ö2 und von Ö2 an Ö3 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Versendung (dh. in Österreich). Die Lieferung von D1 an D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 am Ende der Versendung (dh. in Deutschland).

Teilen sich zwei Unternehmer in der Reihe die Gefahr für den zufälligen Untergang der Gegenstände beim Transport, wobei aber nur ein Unternehmer den Transport selbst durchführt oder den Versendungsauftrag an einen Dritten gibt, wird die Beförderung oder Versendung diesem Unternehmer zugeordnet.

Im Fall einer gebrochenen Beförderung oder Versendung (zur Definition siehe näher Rz 3982), hingegen, kann § 3 Abs. 15 UStG 1994 nur für jeden Teil der gebrochenen Beförderung oder Versendung isoliert zur Anwendung kommen.

Beispiel 3:

Der deutsche Hersteller D1 verkauft eine Ware an den deutschen Händler D2. D2 verkauft die Ware an den Großhändler Ö1 in Wien, der die Waren wiederum an seinen Kunden Ö2 in Wiener Neustadt verkauft. D1 befördert die Waren von Berlin nach München und übergibt sie dort dem von D2 beauftragten Spediteur, der die Waren nach Wiener Neustadt weitertransportiert.

Lösung:

Das Reihengeschäft findet nur zwischen D2, Ö1 und Ö2 statt. Der erste Teil der gebrochenen Beförderung bzw. Versendung zwischen D1 und D2 ist isoliert zu behandeln. Auf diese Lieferung findet die Regelung für Reihengeschäfte keine Anwendung.

3.14.2. Reihengeschäfte bei Drittlandssachverhalten

Rz 474i
Die Regelungen zu den Reihengeschäften kommen auch bei Drittlandssachverhalten zur Anwendung.

Beispiel 1:

Der Unternehmer K in Kanada verkauft Waren an den Unternehmer Ö1 in Wien (Lieferkondition: unverzollt und unversteuert). Ö1 wiederum verkauft die Waren an Ö2 in Linz. Ö1 befördert die Waren von Kanada direkt in das Lager von Ö2 in Linz.

Lösung:

Ö1 ist Zwischenhändler. Da er gegenüber K nicht mit einer UID des Ursprungslandes auftreten kann, ist die Lieferung von K an Ö1 die bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. c UStG 1994). Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 zwar nicht in Österreich, Ö1 hat in Österreich jedoch EUSt zu entrichten. Die Lieferung von Ö1 an Ö2 ist nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich steuerbar.

Beispiel 2:

Der Unternehmer K in Kanada verkauft Waren an den Unternehmer Ö1 in Wien (Lieferkondition: verzollt und versteuert). Ö1 wiederum verkauft die Waren an Ö2, ebenfalls in Wien. K beauftragt einen Spediteur, die Waren zur Übernahme in den freien Warenverkehr anzumelden und an Ö2 zu befördern. Ö1 tritt gegenüber K mit einer österreichischen UID auf.

Lösung:

Da Ö1 die Waren weder selbst noch auf seine Rechnung befördert oder versendet, ist er kein Zwischenhändler. Die Mitteilung der UID ist daher nicht relevant. Die Lieferung durch K ist nach § 3 Abs. 15 Z 1 lit. a UStG 1994 die bewegte Lieferung. Nimmt K die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr über den Spediteur als indirekten Vertreter vor und ist er somit Schuldner der EUSt, liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 9 UStG 1994 in Österreich. Der Lieferort der nachgelagerten Lieferung durch Ö1 an Ö2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich.

Beispiel 3:

Ö in Österreich verkauft Waren an R1 in Russland. R1 verkauft die Waren an R2, ebenfalls in Russland. R1 beauftragt einen Spediteur, die Waren in Österreich abzuholen und nach Russland zu befördern. R1 tritt gegenüber Ö mit einer österreichischen UID auf.

Lösung:

Die Lieferung durch R1 an R2 ist nach § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Sie ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in Österreich als Ausfuhr steuerfrei. Die Lieferung von Ö an R1 ist als vorgelagerter Umsatz nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung (dh. in Österreich) steuerbar und steuerpflichtig.

3.14.3. Reihengeschäfte bei Verkauf über eine elektronische Schnittstelle

Rz 474j
Mit 1.7.2021 treten die gesetzlichen Bestimmungen zum Fernverkauf über eine elektronische Schnittstelle in § 3 Abs. 3a UStG 1994 und die Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel in § 25b UStG 1994 (Import-One-Stop-Shop; IOSS) in Kraft. Für Fernverkäufe iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 wird ein Reihengeschäft fingiert, wobei der Unternehmer an die elektronische Schnittstelle und diese an den Abnehmer liefert. Abweichend von § 3 Abs. 15 Z 1 UStG 1994 ist bei Reihengeschäften iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 die speziellere Zuordnungsregel nach § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 anwendbar. Die Warenbewegung ist der Lieferung durch die elektronische Schnittstelle zuzuordnen.

Beispiel 1:

Ein chinesischer Unternehmer C betreibt sein Unternehmen in China und hat im Gemeinschaftsgebiet keine Betriebsstätte. C veräußert Waren, die sich in einem deutschen Lager befinden, über die Plattform des Unternehmers P an den Nichtunternehmer Ö in Österreich.

Lösung:

Gemäß § 3 Abs. 3a Z 2 UStG 1994 liegt eine Lieferung von C an P und eine Lieferung von P an Ö vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. P hat einen innergemeinschaftlichen Versandhandel nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 in Österreich zu versteuern. C hat eine steuerbare Lieferung in Deutschland an P. Diese ist steuerfrei iSd Art. 136a MwSt-RL 2006/112/EG (entspricht Art. 6 Abs. 4 UStG 1994).

Beispiel 2:

Ein chinesischer Händler C veräußert Waren mit einem Einzelwert von 60 Euro über die Plattform des Unternehmers P, der die Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel anwendet, an den Nichtunternehmer Ö in Österreich. Die Waren werden von China nach Österreich versendet.

Lösung:

Gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 liegt eine Lieferung von C an P und eine Lieferung von P an Ö in Österreich vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. Der Lieferort für die Lieferung durch P an Ö liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Versendung, dh. in Österreich. Die Lieferung von C an P gilt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung als ausgeführt (dh. in China) und ist somit in Österreich nicht steuerbar. Die Einfuhr der Waren ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 in Österreich von der EUSt befreit.

Beispiel 3:

Der österreichische Unternehmer U veräußert Waren mit einem Einzelwert von 60 Euro über die Plattform des Unternehmers P, der die IOSS Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel anwendet, an den Nichtunternehmer Ö in Österreich. Die Waren werden vom chinesischen Unternehmer CH produziert und von dessen Produktionsstätte in China direkt an Ö versendet.

Lösung:

Gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 liegt eine Lieferung von U an P und eine Lieferung von P an Ö vor. Damit wird ein Reihengeschäft zwischen CH, U, P und Ö begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. Der Lieferort für die Lieferung durch P an Ö liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Versendung, dh. in Österreich. Die Lieferung von CH an U und die Lieferung von U an P gelten nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung als ausgeführt (dh. in China) und sind somit in Österreich nicht steuerbar. Die Einfuhr der Waren ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 in Österreich von der EUSt befreit.

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