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Mitwirkung der Zollbehörde und der Zollorgane an der Vollziehung des Verbots der unrechtmäßigen Verbringung von Kulturgut in das Zollgebiet der Union bzw. der verbotenen Einfuhr von Kulturgut nach Österreich

BMF2020-0.841.25621.12.20202020

Ab dem 28. Dezember 2020 gilt Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/880 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Verbringen und die Einfuhr von Kulturgütern. Danach ist das Verbringen bestimmter Kulturgüter in das Zollgebiet der Union verboten, wenn sie aus dem Hoheitsgebiet eines Landes, in dem sie geschaffen oder entdeckt worden sind, unter Verstoß gegen dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften entfernt wurden.

Hinweis: Die Verordnung (EU) 2019/880 sieht für die Einfuhr von Kulturgut in das Zollgebiet der Union auch eine Einfuhrgenehmigungspflicht und Erklärungen des Einführers vor. Da diese Kontrollinstrumente über ein elektronisches System abgewickelt werden müssen, das sich derzeit erst in Entwicklung befindet, treten diese Kontrollinstrumente erst zu einem späteren Zeitpunkt (voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025) in Kraft.

Im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise werden in dieser Info die für die Verbringung von Kulturgütern in das Zollgebiet der Union anwendbaren Regelungen der Verordnung (EU) 2019/880 und die für die Einfuhr von Kulturgütern nach Österreich geltenden Regelungen des Kulturgüterrückgabegesetzes zusammengefasst.

Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten können aus dieser Arbeitsrichtlinie nicht abgeleitet werden. Bei Erledigungen haben Zitierungen mit Hinweisen auf diese Info zu unterbleiben.

Die Info des BMF vom 14. April 2016, GZ BMF-010311/0024-IV/8/2016, zum Inkrafttreten des Kulturgüterrückgabegesetzes wird aufgehoben.

1. Verordnung (EU) 2019/880

Gemäß Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/880 ist das Verbringen von in Teil A des Anhangs zu dieser Verordnung genannten Kulturgütern verboten, wenn sie aus dem Hoheitsgebiet eines Landes, in dem sie geschaffen oder entdeckt worden sind, unter Verstoß gegen dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften entfernt wurden. Die Zollbehörden und die zuständigen Behörden (siehe Abschnitt 3) haben alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, wenn versucht wird, Kulturgüter entgegen diesem Verbot zu verbringen.

Als "Verbringen von Kulturgütern" gilt gemäß Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2019/880 der Eingang von Kulturgütern in das Zollgebiet der Union, die der zollamtlichen Überwachung oder Zollkontrollen im Zollgebiet der Union gemäß dem Unionszollkodex (nicht auch gemäß dem Zollrechts-Durchführungsgesetz) unterliegen.

Als "Kulturgüter" gelten dabei alle im Teil A des Anhangs der Verordnung (EU) 2019/880 aufgeführten Gegenstände, die für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft von Bedeutung sind, und zwar:

a)Seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse;

b)Gut, das sich auf die Geschichte einschließlich der Geschichte von Wissenschaft und Technik sowie der Militär- und Sozialgeschichte, das Leben nationaler Anführer, Denker, Wissenschaftler und Künstler und Ereignisse von nationaler Bedeutung bezieht;

c)Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmäßiger als auch unerlaubter) oder archäologischer Entdeckungen zu Lande oder unter Wasser;

d)Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologischer Stätten, die nicht mehr vollständig sind (Liturgische Ikonen und Statuen, selbst wenn sie freistehend sind, sind als Kulturgüter zu betrachten, die unter diese Kategorie fallen);

e)Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt sind, wie Inschriften, Münzen und gravierte Siegel;

f)Gegenstände von ethnologischem Interesse;

g)Gegenstände von künstlerischem Interesse wie:

i)Bilder, Gemälde und Zeichnungen, die ausschließlich von Hand auf einem beliebigen Träger und aus einem beliebigen Material angefertigt sind (ausgenommen industrielle Entwürfe und handbemalte Manufakturwaren);

ii)Originalwerke der Bildhauerkunst und der Skulptur aus einem beliebigen Material;

iii)Originalgravuren, -drucke und -lithographien;

iv)Originale von künstlerischen Assemblagen und Montagen aus einem beliebigen Material;

h)seltene Manuskripte und Inkunabeln;

i)alte Bücher, Dokumente und Publikationen von besonderem Interesse (historisch, künstlerisch, wissenschaftlich, literarisch usw.), einzeln oder in Sammlungen;

j)Briefmarken, Steuermarken und Ähnliches, einzeln oder in Sammlungen;

k)Archive einschließlich Phono-, Foto- und Filmarchive;

l)Möbelstücke, die mehr als hundert Jahre alt sind, und alte Musikinstrumente.

Das Verbringungsverbot gilt gemäß Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2019/880 nicht für Kulturgüter, die im Zollgebiet der Union geschaffen oder entdeckt wurden.

Hinweis: Das Verbringungsverbot gilt im Hinblick auf den BREXIT ab dem 1. Jänner 2021, 00:00 Uhr MEZ/CET, auch im Warenverkehr mit dem Vereinigten Königreich, ausgenommen Nordirland, weil Nordirland im Hinblick auf das Austrittsabkommen Großbritannien und Nordirland in Bezug auf die Verordnung (EU) 2019/880 wie ein EU-Mitgliedstaat zu behandeln ist.

2. Kulturgüterrückgabegesetz

Gemäß § 20 KGRG haben die Zollbehörden und die Zollorgane im Rahmen der ihnen gemäß § 29 ZollR-DG eingeräumten Befugnisse an der Vollziehung des Verbots der unrechtmäßigen Einfuhr gemäß § 4 KGRG mitzuwirken.

Gemäß § 4 KGRG ist die Einfuhr eines Kulturgutes nach Österreich unrechtmäßig und verboten, wenn das Kulturgut

unrechtmäßig verbracht wurde und diese Verbringung auch im Zeitpunkt der Einfuhr nach Österreich unrechtmäßig wäre.

Hinweis: Der BREXIT hat ab dem 1. Jänner 2021, 00:00 Uhr MEZ/CET, auf das Verbot der unrechtmäßigen Einfuhr von Kulturgut gemäß § 4 KGRG insofern Auswirkungen, als das Verbot gegenüber dem Vereinigten Königreich, ausgenommen Nordirland, dann nicht mehr in seiner Eigenschaft als EU-Mitgliedstaat, sondern in seiner Eigenschaft als Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut gilt. Da die Richtlinie 2014/60/EU über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern gegenüber Nordirland im Hinblick auf das Austrittsabkommen Großbritannien und Nordirland weiter anwendbar ist, gilt § 4 KGRG gegenüber Nordirland weiter so, als wäre es ein EU-Mitgliedstaat.

Ein Kulturgut gilt gemäß § 3 KGRG als unrechtmäßig verbracht, wenn es

1.nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates

a)entgegen dessen Rechtsvorschriften zum Schutz nationaler Kulturgüter oder

b)entgegen der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 über die Ausfuhr von Kulturgütern - siehe Arbeitsrichtlinie Kulturgut (VB-0500),

ausgeführt wurde,

2.nach dem 31. Dezember 2015 aus dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates

a)ohne Ausfuhrbescheinigung gemäß Artikel 6 des UNESCO-Übereinkommens oder

b)infolge eines Diebstahls im Sinne des Artikels 7 lit. b des UNESCO-Übereinkommens

ausgeführt wurde oder

3.nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung, die nach dem 31. Dezember 1992 endete, nicht in den EU-Mitgliedstaat bzw. Vertragsstaat rückgeführt wurde.

3. Identifizierung von unrechtmäßig verbrachtem bzw. eingeführtem Kulturgut

Zur möglichen Identifizierung von unrechtmäßig verbrachtem bzw. eingeführtem Kulturgut wird auf folgende Fahndungslisten hingewiesen:

Wird ein Kulturgut zu einem Zollverfahren angemeldet oder sonst bei Anwendung des Zollrechts (zB in einem Schmuggelfall) entdeckt und bestehen hinreichende Anhaltspunkte, dass eine verbotene Verbringung in das Zollgebiet der Union (Abschnitt 1) oder eine unrechtmäßige Einfuhr nach Österreich (Abschnitt 2) vorliegt, so ist unbeschadet der Annahme der Anmeldung die Verfügung über das Kulturgut zu untersagen und es sind unverzüglich die Zentralen Stellen zwecks Klärung der Rechtmäßigkeit der Einfuhr zu verständigen. Die Zentralen Stellen in Österreich sind gemäß § 6 KGRG

Diesen Stellen obliegt es nach Befassung durch die Zollbehörden oder durch die Zollorgane auf die Klärung der Frage, ob eine unrechtmäßige Einfuhr vorliegt, hinzuwirken. Allfällige Maßnahmen nach Artikel 198 UZK sind im Einvernehmen mit diesen Stellen zu treffen.

4. Strafbestimmungen

Gemäß § 23 Abs. 1 KGRG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Kulturgut vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 4 KGRG nach Österreich einführt (siehe Abschnitt 2). Der Versuch ist ebenfalls strafbar.

Im Fall einer verbotenen Verbringung von Kulturgütern aus einem Vertragsstaat zum UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut in das Zollgebiet der Union gemäß Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/880 (Abschnitt 1) liegt dann eine gemäß § 23 Abs. 1 KGRG strafbare Verwaltungsübertretung vor, wenn das Kulturgut ohne Ausfuhrbescheinigung gemäß Artikel 6 des UNESCO-Übereinkommens oder infolge eines Diebstahls im Sinne des Artikels 7 lit. b des UNESCO-Übereinkommens ausgeführt wurde.

Im Zusammenhang mit der verbotenen Verbringung bzw. unrechtmäßigen Einfuhr von Kulturgut können aber auch gerichtlich strafbare Handlungen (zB Diebstahl, Hehlerei, Raub, Betrug, Veruntreuung) vorliegen, die nach Maßgabe des § 78 StPO im Wege der Finanzstrafbehörde erster Instanz an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft anzuzeigen sind.

 

Bundesministerium für Finanzen, 21. Dezember 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

VO 2019/880 , ABl. Nr. L 151 vom 07.06.2019 S. 1
KGRG, Kulturgüterrückgabegesetz, BGBl. I Nr. 19/2016

Schlagworte:

Kulturgut, Einfuhr, Einfuhrverbot, Verbringung, Verbringungsverbot

Verweise:

UZK, Zollkodex
ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
VO 116/2009 , ABl. Nr. L 39 vom 10.02.2009 S. 1
VB-0500
§ 78 StPO, Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975
Austrittsabkommen Großbritannien und Nordirland, ABl. Nr. L 29 vom 31.01.2020 S. 7
BMF 14.04.2016, BMF-010311/0024-IV/8/2016

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