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28 BETRIEBSSTÄTTE (§ 81 EStG 1988)

BMFBMF-010222/0113-IV/7/201813.12.2018

Rz 1205
Ein Lohnsteuerabzug ist nur dann vorzunehmen, wenn eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 81 Abs. 1 EStG 1988 vorliegt. Zum Lohnsteuerabzug bei einer Betriebsstätte im Ausland siehe Rz 927 und 927a.

Rz 1206
Der Betriebsstättenbegriff des § 81 Abs. 1 EStG 1988 ist ein weiterer als jener des § 29 BAO. Er deckt nicht nur feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen ab, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 31 BAO), sondern auch jene Anlagen oder Einrichtungen, die der Ausübung der durch die Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeit dienen, sofern sie länger als einen Monat vom Arbeitgeber unterhalten werden. Auch ein Büroraum, ein Lager, ein Zimmer oder eine Wohnung können eine Betriebsstätte iS des § 81 EStG 1988 sein.

Ein Warenlager, das ein Vertreter in seinem Wohnhaus einrichtet, stellt nur dann eine Betriebsstätte im Sinne des § 81 Abs. 1 EStG 1988 dar, wenn dem Arbeitgeber ein Nutzungsrecht am Warenlager eingeräumt ist.

Auch die berufliche Nutzung einer privaten Wohnung des Arbeitnehmers für Zwecke des Arbeitgebers kann für diesen eine Betriebsstätte begründen. Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsstätte ist, dass dem Arbeitgeber ein gewisses Verfügungs- oder Nutzungsrecht an der Wohnung eingeräumt ist. Es macht keinen Unterschied, ob Räumlichkeiten dem Arbeitgeber von einem Dritten oder von einem Arbeitnehmer für die Erbringung der betrieblichen Leistungen zur Verfügung gestellt werden.

Ebenso kann ein Hotelzimmer, das der Arbeitgeber für Aufenthalte seiner Arbeitnehmer mietet, eine Betriebsstätte sein.

Rz 1207
Im Falle internationaler Personalentsendungen wird eine Betriebsstätte in Österreich dann begründet, wenn nicht nur eine bloße Duldungsleistung (Arbeitskräftegestellung) vorliegt, sondern das entsendende Unternehmen eine Aktivleistung (Assistenzleistung zB durch Unterstützung der inländischen Tochtergesellschaft beim Aufbau einer Vertriebsorganisation) erbringt. Im Fall der Assistenzleistung stellen jene Räumlichkeiten, die die Tochtergesellschaft dem entsandten Personal der Muttergesellschaft zur Verfügung stellt, nach einem Monat eine Betriebsstätte im Sinne des § 81 Abs. 1 EStG 1988 dar.

Rz 1207a
Ob eine Aktiv- oder Passivleistung des entsendenden Arbeitgebers vorliegt, ist stets unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der maßgeblichen Umstände im Einzelfall zu prüfen.

Eine Aktivleistung (Assistenzleistung) liegt vor, wenn die Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten nicht als Arbeitsgestellungsvertrag (Zurverfügungstellung des Mitarbeiters), sondern als Dienstleistungsvertrag (Besorgung der Geschäfte durch den Mitarbeiter) zu werten ist und die Verbindung zum rechtlichen Arbeitgeber somit auch fachlich-inhaltlich (insbesondere durch Berichtspflichten etc.) aufrecht bleibt. Besteht eine Berichtspflicht des entsandten Arbeitnehmers gegenüber seinem entsendenden Arbeitgeber, kann dies als Indiz für das Vorliegen einer Aktivleistung gewertet werden.

Aktivleistungen sind beispielsweise Beratungsleistungen, Schulungsleistungen, Überwachungsleistungen und andere Assistenzleistungen im Interesse des entsendenden Unternehmens. In solchen Fällen ist auch die Begründung einer Betriebstätte des entsendenden Unternehmens grundsätzlich denkbar und daher zu prüfen.

Beispiel:

Ein Marketingstratege wird von der Muttergesellschaft kurzfristig an die Tochtergesellschaft entsendet. Ziel der Entsendung ist die Beratung der Tochtergesellschaft hinsichtlich der Marketingstrategie der Muttergesellschaft. Die vom Arbeitnehmer der Muttergesellschaft erbrachten Leistungen sind hier Teil der aktiven Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaft und stellen somit eine Assistenzleistung (Aktivleistung) der Mutter- an die Tochtergesellschaft dar.

Eine Passivleistung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer einem Dritten zur Dienstleistung überlässt (Arbeitskräfteüberlassung), wobei die typischen Arbeitgeberfunktionen beim entsendenden Arbeitgeber verbleiben und der Dritte zivilrechtlich nicht die Rolle eines Arbeitgebers übernimmt. Der Arbeitgeber duldet den Einsatz der Arbeitskraft seines Arbeitnehmers im Interesse des Beschäftigers gegen Entgelt. Der überlassene Arbeitnehmer erbringt die Arbeitsleistung gegenüber dem Dritten (Beschäftiger), welcher damit seine eigenen wirtschaftlichen und betrieblichen Ziele verfolgt und daher dem überlassenen Arbeitnehmer auch fachlich-inhaltliche Anweisungen über die konkret ausgeübten Arbeiten erteilt.

Beispiel:

Ein Ingenieur wird durch ein Ingenieurunternehmen A kurzfristig an ein anderes Ingenieurunternehmen B entsendet, welches für Zwecke der Fertigstellung eines Bauprojekts einen Ingenieur benötigt, welcher der Aufsicht und den Weisungen des Ingenieurunternehmens B unterliegt. Die Arbeitsleistungen des entsendeten Ingenieurs werden im Rahmen der Unternehmenssphäre des aufnehmenden Unternehmens erbracht. Die Leistung des entsendenden Unternehmens (rechtlicher Arbeitgeber) beschränkt sich auf das Dulden der Nutzung der Arbeitskraft seines Arbeitnehmers durch das aufnehmende Unternehmen und stellt somit eine Passivleistung des rechtlichen Arbeitgebers dar.

In Bezug auf grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassungen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis VwGH 22.05.2013, 2009/13/0031, entschieden, dass der Begriff "Arbeitgeber" in der 183-Tage-Klausel von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen) im Sinn eines "wirtschaftlichen Arbeitgebers" zu verstehen ist. Im Fall einer internationalen Arbeitskräfteüberlassung (Arbeitskräftegestellung) kommt daher die abkommensrechtliche Arbeitgebereigenschaft dem Beschäftiger (Gestellungsnehmer) zu. Dies hat zur Folge, dass die 183-Tage-Klausel nicht mehr wirksam werden kann, weil der Arbeitgeber des überlassenen Dienstnehmers im Tätigkeitsstaat ansässig ist. Das Erkenntnis des VwGH bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Arbeitgebereigenschaft im Sinn der Doppelbesteuerungsabkommen und bewirkt keine Änderung der Arbeitgebereigenschaft auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts (Rz 923).

In Fällen der Entsendung im Konzernverbund ist ebenso eine einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen, wobei in Zweifelsfällen die Beurteilung nach dem Überwiegen der jeweiligen Leistung vorzunehmen ist.

Wird von der Muttergesellschaft ein Geschäftsführer entsandt und unterliegt dieser Geschäftsführer wiederkehrenden Berichtspflichten gegenüber der Muttergesellschaft, erfolgt regelmäßig eine Assistenzleistung (Aktivleistung) der Mutter- gegenüber der Tochtergesellschaft. Wird hingegen ein Geschäftsführer (zB auf Grund eines kurzfristigen Personalengpasses) zur Tochtergesellschaft entsandt, ohne dass dieser speziellen Weisungen der Muttergesellschaft hinsichtlich der Art und des Inhalts seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Tochter unterliegt, wird in der Regel eine Passivleistung der Muttergesellschaft vorliegen. Auch bei Entsendung eines Arbeitnehmers als Geschäftsführer von einer Schwestergesellschaft zu einer anderen wird im Zweifel von einer Passivleistung der entsendenden gegenüber der aufnehmenden Schwestergesellschaft auszugehen sein, da diese die Verwendung ihres Geschäftsführers zu "dulden" hätte.

Eine andere Betrachtung wäre aber dann geboten, wenn die als rechtliche Arbeitgeberin fungierende Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft beauftragt wird, einen ihrer Geschäftsführer zur Schwestergesellschaft zu entsenden und ihn zu beauftragen, das Geschäftsmodell der entsendenden Tochtergesellschaft auf die aufnehmende Schwestergesellschaft zu übertragen und damit aktiv auf die Geschäftsführung der Schwestergesellschaft einzuwirken.

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