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5.4.4 Erfordernisse für die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen

BMFBMF-010203/0171-IV/6/20187.5.2018

5.4.4.1 Allgemeines

Rz 1130
Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen finden - selbst wenn sie den Gültigkeitserfordernissen des Zivilrechtes entsprechen (vgl. zB VwGH 3.9.1997, 93/14/0095, VwGH 26.1.1999, 98/14/0095) - im Steuerrecht nur dann Anerkennung, wenn sie

Rz 1131
Diese Grundsätze beruhen auf der in § 21 BAO normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise (VwGH 10.5.1988, 87/14/0084) und haben ihre Bedeutung vor allem im Rahmen der Beweiswürdigung (VwGH 6.10.1992, 89/14/0078). Allerdings darf ein Naheverhältnis nicht generell zu Verdachtsvermutungen gegen Angehörigenvereinbarungen bzw. zu einer steuerlichen Schlechterstellung führen (VfGH 16.6.1987, G 52/87), weil es sich bei der Berücksichtigung des Naheverhältnisses nicht um ein schematisch anzuwendendes Beweislastkriterium handelt (vgl. VwGH 17.9.1979, 2223/78; VwGH 27.5.1981, 1299/80).

5.4.4.2 Die Merkmale im Einzelnen

5.4.4.2.1 Publizitätswirkung

5.4.4.2.1.1 Allgemeines

Rz 1132
Schriftform des Vertrages ist nicht unbedingt erforderlich; in Ausnahmefällen ist bei genügend deutlicher Fixierung der wesentlichen Vertragsbestandteile sowie des Beweises des Abschlusses und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages eine steuerrechtliche Anerkennung auch ohne Schriftform möglich (VwGH 16.12.1988, 87/14/0036, betr. zunächst mündlich und in der Folge schriftlich abgeschlossenen Bestandvertrag, dem unbestritten fremdübliche schriftliche Vereinbarungen zugrundelagen).

Rz 1133
Mit welchen Mitteln die Tatbestandserfüllung nachgewiesen wird, steht dem Abgabepflichtigen zwar frei, der Vertrag(sabschluss) muss aber jedenfalls für Dritte erkennbar sein. Ist es jedoch nach Art und Inhalt des Vertrages üblich, ihn in Schriftform abzuschließen, führt die mangelnde Schriftform idR zu seiner Nichtanerkennung (VwGH 14.9.1977, 0027/77, betr. Darlehensvertrag zwischen Ehegatten).

Die bloße Mitteilung an das FA kann üblicherweise nicht als eine nach außen hin mit genügender Deutlichkeit in Erscheinung tretende Vereinbarung angesehen werden. Die (behauptete) Notwendigkeit einer Leistungserbringung durch einen nahen Angehörigen bewirkt für sich gesehen noch keine Publizität (VwGH 19.5.1993, 91/13/0045, betr. Schreibarbeiten der Ehegattin).

5.4.4.2.1.2 Schriftform von Verträgen zwischen Ehegatten

Rz 1134
Auch wenn die zivilrechtliche Gültigkeit bestimmter Verträge und Rechtshandlungen nach dem Notariatszwangsgesetz (RGBl. Nr. 76/1871) durch die Aufnahme eines Notariatsaktes bedingt ist (zB Ehepakte, zwischen Ehegatten abgeschlossene Kauf-, Tausch-, Renten- und Darlehensverträge sowie Schuldbekenntnisse eines Ehegatten dem anderen gegenüber), ist sie für die steuerliche Anerkennung deshalb nicht Voraussetzung, weil Rechtsvorgänge nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen sind und auch ein wegen Formmangels nichtiges Geschäft gemäß § 23 Abs. 3 BAO für die Erhebung der Abgaben von Bedeutung sein kann (VwGH 25.10.1994, 94/14/0067). Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt aber der Schriftform besondere Bedeutung zu (VwGH 14.9.1977, 0027/77, betr. Darlehensvertrag zwischen Ehegatten).

5.4.4.2.2 Inhalt der Vereinbarung

Rz 1135
Allgemein gesehen müssen die für das Zustandekommen des Vertrages wesentlichen Bestandteile mit genügender Deutlichkeit fixiert sein (VwGH 4.10.1983, 83/14/0034).

Rz 1136
Liegt keine schriftliche Vereinbarung vor, müssen zumindest die wesentlichen Punkte der Vereinbarung (zB bei Bestandverträgen der Bestandgegenstand, der zeitliche Geltungsbereich des Vertrages, der Bestandzins, bei Gesellschaftsverträgen insbesondere die Art und Höhe der Beteiligung und die Höhe des Gewinnanteiles des eintretenden Ehegatten) nach außen hin dokumentierbar sein.

Rz 1137
In Hinblick darauf, dass Beziehungen zwischen nahen Angehörigen auch familienhafter Natur sein können (vgl. hiezu Rz 1142 ff), muss eine klare und eindeutige Abgrenzung einer auf einem wirtschaftlichen Gehalt beruhenden Beziehung von einer familienhaften vorliegen, wobei unklare Vereinbarungen zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen (vgl. VwGH 23.5.1978, 1943/77, 2557/77). Zur Aufklärung einer unklaren Vertragsgestaltung hat somit derjenige beizutragen, der sich darauf beruft (VwGH 29.6.1995, 93/15/0115).

5.4.4.2.3 Fremdvergleich

Rz 1138
Hiebei ist die im allgemeinen Wirtschaftsleben geübte Praxis maßgeblich; erforderlichenfalls sind entsprechende Ermittlungen durchzuführen (VwGH 4.10.1983, 83/14/0017; VwGH 21.3.1996, 95/15/0092).

Ein Indiz für die Fremdunüblichkeit eines Vertrages liegt vor, wenn die Höhe der Entlohnung bzw. der Arbeitsumfang vom Erreichen steuerlicher Grenzen abhängt (VwGH 21.3.1996, 92/15/0055, betr. Bagatellregelung des § 21 Abs. 6 UStG 1972).

Rz 1139
Der Fremdvergleich ist grundsätzlich anhand von Leistungsbeziehungen zwischen einander fremd gegenüberstehenden Personen anzustellen, wobei von deren üblichem Verhalten in vergleichbaren Situationen auszugehen ist (VwGH 1.12.1992, 92/14/0149, 92/14/0151). Nur Leistungsbeziehungen, die ihrer Art nach zwischen einander fremd gegenüber stehenden Personen nicht vorkommen (zB Schenkungen oder unentgeltliche Betriebsübergaben), sind danach zu beurteilen, wie sich dabei üblicherweise andere Personen verhalten, die zueinander in familiärer Beziehung stehen (VwGH 25.10.1994, 94/14/0067).

Auf dieser Basis ist die Vergleichsprüfung in zweifacher Form anzustellen:

  • Die erste Prüfung erfolgt dahingehend, ob der entsprechende Vertrag auch zwischen Fremden in der konkreten äußeren Form abgeschlossen worden wäre.
  • Dann ist ein am Vertragsinhalt orientierter Fremdvergleich anzustellen (VwGH 13.12.1988, 85/13/0041), wobei zu beachten ist, dass es nahen Angehörigen an einem den Marktgesetzen unterliegenden natürlichen Interessensgegensatz fehlen kann.

Diese Grundsätze stellen nicht nur den Maßstab für die Vereinbarung, sondern auch für die Erfüllung derselben dar (VwGH 28.10.2009, 2005/15/0118).

Rz 1140
Hinsichtlich der Unangemessenheit von Leistungsentgelten als Ausfluss des Fremdvergleiches siehe Rz 1228 ff.

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