vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Stillliegende inländische Betriebstätte

BMFBMF-010221/2807-IV/4/200928.10.20092009

EAS 3094

Hat eine deutsche GmbH in Österreich ein Büro angemietet und als Zweigniederlassung im Firmenbuch eintragen lassen, weil man dadurch einen günstigeren Zugang zum österreichischen Markt erhoffte, dann ist vorweg zu beurteilen, ob und gegebenenfalls welche Funktionen in diesem Büro noch ausgeübt werden, oder ob es sich tatsächlich um ein stilliegendes und daher funktionsloses Büro handelt. Der bloße Umstand, dass in diesem Büro keine Dienstnehmer tätig sind und es "de facto nie besetzt ist" bedeutet nicht notwendigerweise, dass keine Betriebstätte im Sinn des § 29 BAO vorliegt. Denn ein Büro, das nicht einmal einer geringfügigen betrieblichen Nutzung dient, wird - zumindest im Regelfall - aufgegeben, da es sonst nur mehr einen ertragslosen Kostenfaktor für das Unternehmen darstellt. Solche Fragen der Sachverhaltswürdigung können aber nicht auf ministerieller Ebene entschieden werden, sondern müssen einer Klärung mit dem zuständigen Finanzamt vorbehalten bleiben. Hierbei wird auch zu untersuchen sein, ob dann, wenn eine Betriebstätte als bestehend angenommen wird, dieser Betriebstätte über eine bloß unterstützende Hilfsfunktion (im Sinn von Art. 5 Abs. 4 DBA-Deutschland) hinausgehende Aufgaben zukommen und ob sonach nicht nur nach inländischem Recht, sondern auch nach Abkommensrecht eine Betriebstätte gegeben ist.

Unabhängig davon, ob der Betriebstättencharakter bejaht wird oder nicht, tritt für jene Mitarbeiter des deutschen Hauptsitzes, die von der deutschen Hauptniederlassung zur Durchführung von Tiefbohrungen nach Österreich entsandt werden, keine inländische Steuerpflicht ein, wenn ihre Entsendungsdauer 183 Tage im Kalenderjahr nicht überschreitet. Bei solchen Kurzzeitentsendungen ginge die Steuerbefreiung nur dann verloren, wenn die entsandten Arbeitskräfte in wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Personalstand der inländischen Betriebstätte des deutschen Arbeitgebers zuzurechnen wären; denn nur dann würde die Betriebstätte die Vergütungen als Lohnaufwand gegenüber den Dienstnehmern tragen und es wäre dann die zur inländischen Steuerpflicht führende Voraussetzung des Artikels 15 Abs. 2 lit. c des DBA-Deutschland ("183-Tage-Klausel") erfüllt, dass "die Vergütungen ... von einer Betriebstätte ... getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat unterhält".

Doch auch in dieser Hinsicht muss das Sachverhaltsbild mit dem zuständigen Finanzamt abgesprochen werden. Denn die vorliegende Anfrage ist in sich widersprüchlich, weil deren Aussage "Die Leistung der Tiefenbohrungen wird von der Hauptniederlassung an die Zweigniederlassung im Verrechnungspreiswege (interne Rechnungen) weiterbelastet (es sind alle Kosten auch die Lohnkosten für die Tiefenbohrungen und ein angemessener Gewinnaufschlag umfasst)", sich nicht mit dem eingangs gezeichneten Sachverhaltsbild eines mehr oder weniger funktionslosen Büros verträgt.

Weitere rechtliche Beurteilungen sind daher erst möglich, wenn ein in sich geschlossenes und in sich widerspruchsloses Sachverhaltsbild vorliegt.

Bundesministerium für Finanzen, 28. Oktober 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 5 Abs. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 15 Abs. 2 lit. c DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

Tiefenbohrungen, stillliegende Betriebstätte, funktionslose Betriebstätte, Zweigniederlassung, Betriebstättenlohnaufwand, Personalentsendung, Dienstnehmerentsendung, 183-Tage-Klausel

Stichworte