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Softwareberatung durch ein indisches Unternehmen

BMFBMF-010221/0443-IV/4/200624.8.20062006

EAS 2754

Wird eine börsennotierte indische Aktiengesellschaft, die auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und Informationstechnologie-Beratung tätig ist, von einem österreichischen Unternehmen mit der Durchführung eines Software-Beratungsprojekts betraut, dann ist vorweg festzustellen, ob das indische Unternehmen seinen Auftrag unter Nutzung einer inländischen Betriebstätte erfüllt. Dies ist im Allgemeinen eine Frage der Sachverhaltsbeurteilung und kann daher nicht im Rahmen des auf Rechtsfragenbeurteilung ausgerichteten ministeriellen EAS-Antwortverfahren geklärt werden.

Es spricht aber viel dafür, dass keine inländische Betriebstätte im Sinn von § 29 BAO vorliegt, wenn das indische Unternehmen zur Auftragserfüllung zwar drei Mitarbeiter für die Dauer von über einem Jahr nach Österreich entsendet, diesen aber für ihre Arbeit kein Büroraum zur Verfügung gestellt wird, sondern weil ihre Arbeit jeweils vor Ort bei den einzelnen Ansprechpartnern des auftraggebenden, österreichischen Unternehmens ausgeübt wird.

Allerdings lässt sich zurzeit kein klares Bild gewinnen, ob möglicherweise auf der Grundlage von Artikel 5 DBA-Indien das gesamte Gebäude des österreichischen Unternehmens als "Betriebstätte" zu werten ist; das so genannte "Painter-Example" in Ziffer 4.5 des OECD-Kommentars 2003 zu Artikel 5 OECD-Musterabkommen kann eine solche Sichtweise rechtfertigen. Das BM für Finanzen hält indessen derzeit noch - gemeinsam mit Deutschland - die bisherige traditionelle Auslegung für richtig, dass nämlich eine feste örtliche Anlage oder Einrichtung zu fordern ist, über die das Unternehmen die Verfügungsgewalt ausübt; wenn dem Unternehmen aber nicht die Verfügungsmacht über das gesamte Gebäude zukommt, wird derzeit in dem Gebäude selbst keine Betriebstätte des ausländischen Unternehmens gesehen (EAS 2535 betr. Holzschlägerungsarbeiten in einem Forstrevier).

Etwas anderes gilt für die Wohnung der drei indischen Mitarbeiter, in der - wenn auch nur geringfügig und zumeist nur administrativer Natur - Arbeiten erledigt werden, die im Zusammenhang mit der Auftragserfüllung des indischen Unternehmens stehen. Diese Wohnung könnte nach § 29 BAO als Betriebstätte des indischen Unternehmens zu werten sein, weil sie von diesem Unternehmen - im Wege seiner Mitarbeiter - als Stützpunkt der Auftragserfüllung in Österreich genutzt wird.

Wertet man die Wohnungen allerdings nur als Einrichtung, in der im Sinn von Artikel 5 Abs. 4 lit. e DBA-Indien lediglich Tätigkeiten ausgeübt werden, die "vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen", würde auf der Ebene des Abkommensrechtes - jedoch nicht auch auf der Ebene des innerstaatlichen Rechtes - die Betriebstätteneigenschaft entfallen. Dies wiederum hätte zur Folge, dass das indische Unternehmen nach Artikel 7 DBA-Indien zu keiner Steuerleistung in Österreich verpflichtet werden kann. Da allerdings der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Indien nicht die Kommunalsteuer erfasst, richtet sich deren Erhebung ausschließlich nach inländischem Recht und wird abkommensrechtlich nicht untersagt. Gleiches gilt für die Dienstgeberbeitragspflicht.

Das für die computertechnische Beratung geleistete Entgelt unterliegt gem. § 98 Abs. 1 Z 3 EStG in Verbindung mit § 99 Abs. 1 Z 5 EStG der Steuerabzugspflicht. Diese Besteuerung ist gemäß Artikel 12 Abs. 2 DBA-Indien zulässig, aber auf 10% des Bruttobetrages herabzusetzen. Die Steuerentlastung kann nach Maßgabe der DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005, erfolgen.

Die drei indischen Mitarbeiter unterliegen der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht; und zwar allein bereits wegen des länger als 6 Monate dauernden Inlandsaufenthaltes. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein inländischer Wohnsitz im Sinn des § 26 Abs. 1 BAO deshalb zu verneinen ist, weil möglicherweise bei einer Wohnungsanmietung für etwas länger als 1 Jahr das Merkmal des "Beibehaltens der Wohnung" nicht erfüllt ist. Da allerdings keine "Ansässigkeit" im Sinn von Artikel 4 DBA-Indien in Österreich begründet wird, kann die unbeschränkte Steuerpflicht nur nach Maßgabe der Beschränkungen des DBA wahrgenommen werden. Die auf die Österreich-Entsendung entfallenden Bezüge unterliegen nach Maßgabe des Artikels 15 der österreichischen Besteuerung, die wegen Vorliegens einer nach inländischem Recht bestehenden Betriebstätte im Lohnsteuerabzugsweg wahrzunehmen ist; die österreichische Lohnsteuer ist auf der Grundlage von Artikel 23 Abs. 3 DBA-Indien in Indien anrechenbar.

Bundesministerium für Finanzen, 24. August 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 4 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 5 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 5 Abs. 4 lit. e DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 7 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 12 Abs. 2 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 15 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
Art. 23 Abs. 3 DBA IND (E), Doppelbesteuerungsabkommen Indien (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 231/2001
DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005

Schlagworte:

Softwareberatung, Betriebstätte, Hilfsstützpunkt, Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag, Wohnsitz, technische Beratung, Painter-Example

Verweise:

§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
EAS 2535

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