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Umgehung der Veräußerungsgewinnbesteuerung bei Inlandsbeteiligungen

BMFG 815/1-IV/4/0227.11.20022002

EAS 2165

Veräußert eine inländische Kapitalgesellschaft ihre mit 100 zu Buch stehende Beteiligung an einer inländischen Tochtergesellschaft zum Marktwert von 250, dann unterliegt der hierbei anfallende Veräußerungsgewinn von 150 der Körperschaftsbesteuerung.

Wird diese Steuerpflicht durch eine Verkettung von Rechtsgeschäften umgangen, die für sich selbst betrachtet keinen anderen ökonomischen Sinn machen, als jenen, die gegenständliche Körperschaftsteuer einzusparen, dann wird darin ein als Rechtsmissbrauch einzustufender Rechtsvorgang liegen.

Bringt in diesem Sinn die österreichische Kapitalgesellschaft die gegenständliche Beteiligung unter Inanspruchnahme der Vorteile des österreichischen Umgründungssteuergesetzes in ihre deutsche (operative) Tochtergesellschaft zum Buchwert von 100 ein; nimmt sodann die deutsche Tochtergesellschaft handelsrechtlich (ohne steuerrechtliche Auswirkung in Deutschland) eine Aufwertung auf 250 vor und verkauft diese deutsche Tochtergesellschaft in der Folge diese Beteiligung an den Zielerwerber in Österreich um 250, wobei der hierbei in Deutschland erzielte Veräußerungsgewinn von 150 steuerfrei bleibt, und schüttet schließlich die deutsche Tochtergesellschaft unter Ausnutzung der Steuerfreiheit nach der EU-Muttertochterrichtlinie 250 an die österreichische Muttergesellschaft aus, dann ist mit dieser Umwegkonstruktion "auf dem Papier" in steuerfreier Form jenes wirtschaftliche Ergebnis erzielt worden, das ohne diesen Umweg die gesetzlich vorgesehene Körperschaftsteuerbelastung ausgelöst hätte: nämlich eine Veräußerung einer mit 100 zu Buch stehenden Beteiligung gegen Erzielung eines Veräußerungserlöses von 250.

Unter solchen Umständen kann die bloß formale (rechtsmissbräuchlich gewählte) Umwegkonstruktion nicht darüber hinwegtäuschen, dass im wirtschaftlichen Ergebnis eine inländische Beteiligung mit einem Gewinn von 150 veräußert worden ist. Besteuerungsrelevant ist in Österreich gemäß § 21 und § 22 BAO nicht die formale Umwegkonstruktion, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt der gewählten Gestaltungsmuster.

Allerdings kann in einem laufenden Betriebsprüfungsverfahren im EAS-Auskunftsdienst des BM für Finanzen nicht eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich eine derartige innere Verknüpfung zwischen den verschiedenen Rechtsgeschäften besteht, dass der Rechtsmissbrauchsvorwurf zu Recht erhoben wird.

Der Umstand, dass in dem geschilderten Fall gemäß § 20 Abs. 7 Z 1 UmgrStG eine Nachversteuerungsmöglichkeit für die stillen Reserven von 150 besteht, wird allerdings dann nicht zum Ausschluss des Rechtsmissbrauchsvorwurfes führen können, wenn hierdurch ein vom österreichischen Gesetzgeber für Beteiligungsveräußerungen (also für Vorgänge, bei denen Bargeld lukriert wird) nicht gewährter Besteuerungsaufschub von wesentlichem wirtschaftlichen Gewicht erstrebt wird.

Ein Grund für einen "Methodenwechsel" nach § 10 Abs. 3 KStG 1988 hinsichtlich der aus Deutschland einfließenden Ausschüttung scheidet im beschriebenen Fallmuster allerdings aus, weil die deutsche Tochtergesellschaft schwerpunktmäßig operativ tätig ist.

27. November 2002 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 21 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 22 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Abs. 7 Z 1 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991
§ 10 Abs. 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988

Schlagworte:

Beteiligungsveräußerungen, Rechtsmissbrauch, Einbringung, Aufwertung, Nachversteuerung, Besteuerungsaufschub, Methodenwechsel

Verweise:

Mutter-Tochter-Richtlinie, RL 90/435/EWG , ABl. Nr. L 225 vom 20.08.1990 S. 6

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