Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Zinsen, Verspätungszuschlag, Gutschrift, Nachforderung, Nachsicht, Anspruchszinsen, Gutschriftszinsen, Nachforderungszinsen, Anzahlung, Rückzahlung, Auskunftspflicht, Verrechnung, Bemessungsverjährung |
Verweise: | BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
1. EINLEITUNG
Die Einleitung soll lediglich einen ersten groben Überblick über die Anspruchszinsen vermitteln.
Anspruchszinsen (Nachforderungszinsen, Gutschriftszinsen) gelten für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ab dem Jahr 2000.
Anspruchszinsen gleichen die Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile aus, die für den Abgabepflichtigen dadurch entstehen, dass für eine bestimmte Abgabe der Abgabenanspruch immer zum selben Zeitpunkt entsteht (zB für Einkommensteuer 2000 mit Ablauf des Jahres 2000), die Festsetzung der Abgabe jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt.
Höhe der Anspruchszinsen: 2% über dem Basiszinssatz.
Der Abgabenanspruch entsteht bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer grundsätzlich
1. für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind,
2. für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.
Maßgeblicher Zeitraum für den Zinsenlauf: 1. Juli (für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 2000: 1. Oktober) des Folgejahres bis zur Erteilung des Bescheides, der eine Nachforderung oder Gutschrift ausweist, höchstens 42 Monate. Ergeht ein Bescheid vor dem 1. Juli bzw. 1. Oktober des Folgejahres, auf das sich der Bescheid bezieht, so fallen keine Anspruchszinsen an.
Gegenstand der Anspruchszinsen sind
- Nachforderungen (Nachforderungszinsen)
- Gutschriften (Gutschriftszinsen).
Nachforderungen
Nachforderungen ergeben sich vor allem aus
- erstmaligen Veranlagungen (Zinsenbemessungsgrundlage: Differenz zwischen festgesetzter Abgabe und allfälligen Vorauszahlungen)
- Bescheidänderungen, aus denen sich eine höhere Festsetzung gegenüber dem bisherigen Bescheid ergibt, zB Änderung gemäß § 295 BAO (Zinsenbemessungsgrundlage: Differenz zwischen nunmehriger und seinerzeitiger Festsetzung).
Der Abgabepflichtige kann Nachforderungszinsen vermeiden oder verringern durch Entrichtung von Anzahlungen, zweckmäßiger Weise in Höhe der zu erwartenden Nachforderung. Für Anzahlungen besteht ein Weisungsrecht, dh. die Verrechnung der Zahlung erfolgt auf die Anzahlung.
Gutschriften
Gutschriften können sich zB ergeben aus:
- erstmaligen Veranlagungen (Zinsenbemessungsgrundlage: Differenz zwischen Vorauszahlungen und festgesetzter Abgabe)
- Bescheidänderungen, aus denen sich eine geringere Festsetzung gegenüber dem bisherigen Bescheid ergibt, zB Änderung gemäß § 295 BAO (Zinsenbemessungsgrundlage: Differenz zwischen seinerzeitiger und nunmehriger Festsetzung).
Die Gutschriftsverzinsung bezieht sich ausschließlich auf Gutschriften. Guthaben werden nicht verzinst. Ein Guthaben entsteht erst, wenn die Summe der Gutschriften (Zahlungen und sonstige Gutschriften) die Summe der Lastschriften übersteigt.
Die Anspruchszinsen werden mit rechtsmittelfähigem Bescheid festgesetzt. Nachforderungszinsen werden einen Monat nach Bescheiderteilung fällig, Gutschriftszinsen werden mit Bescheiderteilung wirksam.
2. Normzweck
Zweck der Anspruchszinsen (Nachforderungszinsen und Gutschriftszinsen) ist, die (möglichen) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben.
Die Verzinsung von Nachforderungen soll Anträge auf Herabsetzung von Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen unattraktiver machen sowie weiters der Tendenz entgegenwirken, zu Nachforderungen führende Abgabenerklärungen möglichst spät einzureichen.
3. Anwendungsbereich, Zinssatz
Anspruchszinsen sind erstmals für "Differenzbeträge" im Sinn des § 205 Abs. 1 BAO, somit für Nachforderungen und Gutschriften an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für 2000 festzusetzen (dem § 323 Abs. 7 zweiter Satz BAO zufolge).
Die Anspruchszinsen betragen 2% über dem Basiszinssatz (§ 205 Abs. 2 erster Satz BAO).
Ebenso wie die Stundungszinsen (§ 212 Abs. 2 BAO) und die Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 BAO) sind die Anspruchszinsen tageweise zu berechnen. Maßgebend ist der jeweilige Basiszinssatz.
Nur an den Eigenschuldner gerichtete Bescheide (insbesondere Abgabenbescheide) können Nachforderungszinsen oder Gutschriftszinsen auslösen. Eine Verzinsung von Nachforderungen bzw. Gutschriften gegenüber Abfuhrpflichtigen (zB gegenüber dem nach § 82 EStG 1988 haftungspflichtigen Arbeitgeber hinsichtlich Lohnsteuer) ist unzulässig. Aus Haftungsbescheiden (§ 224 BAO) und aus "Gutschriftsbescheiden" (§ 202 BAO) sich ergebende Differenzbeträge sind somit nicht zu verzinsen.
4. Zum Begriff der Nachforderungen und Gutschriften
Zinsenrelevante Differenzbeträge (Nachforderungen oder Gutschriften) ergeben sich bei der veranlagten Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) vor allem aus folgenden Bescheiden (bzw. Höchstgerichtserkenntnissen):
- erstmalige Veranlagungen bzw. Erlassungen von Nichtveranlagungsbescheiden,
- Nachversteuerungsbescheide gemäß § 18 Abs. 4 EStG 1988,
- (gegenüber dem Eigenschuldner erfolgende) Vorschreibungen von
- Lohnsteuer gemäß § 83 Abs. 2 Z 2 EStG 1988,
- Kapitalertragsteuer nach § 95 Abs. 5 EStG 1988,
- von Beträgen gemäß § 99 EStG 1988 (nach § 100 Abs. 3 EStG 1988),
- Änderungen gemäß § 295 Abs. 1 BAO,
- Änderungen gemäß § 295 Abs. 3 BAO (zB bei nachträglicher Erlassung eines Bescheides gemäß § 44 Abs. 2 BAO oder § 48 BAO),
- Berichtigungen gemäß § 293 BAO,
- Berichtigungen gemäß § 293b BAO,
- Berufungsvorentscheidungen (§ 276 BAO),
- Berufungsentscheidungen (§ 289 BAO),
- Verfügungen oder Bewilligungen der Wiederaufnahme bzw. neue Sachbescheide im Sinn des § 307 Abs. 1 BAO,
- neue Sachbescheide nach Wiederaufnahme gemäß § 37 Abs. 9 EStG 1988,
- endgültige Bescheide gemäß § 200 Abs. 2 BAO oder gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 zweiter Satz KStG 1988,
- vorläufige Bescheide (nach § 200 Abs. 1 zweiter Satz BAO),
- Aufhebungen von Abgabenbescheiden (oder Nichtveranlagungsbescheiden) insbesondere
- gemäß § 299 BAO durch die Oberbehörde,
- gemäß § 42 Abs. 2 VwGG durch den VwGH,
- gemäß § 87 Abs. 1 VfGG durch den VfGH,
- neue Sachbescheide im fortgesetzten Verfahren (nach Aufhebung zB gemäß § 299 BAO).
Unerheblich ist, woraus die Gutschrift im Abgabenbescheid resultiert; daher entstehen Gutschriftszinsenansprüche etwa auch dann, wenn sich die Gutschrift ergibt aus
- einer Minderung der Abgabenbemessungsgrundlage,
- einer Anrechnung von Abgaben (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, ausländische Quellensteuer),
- einer Änderung (Berichtigung) der Abgabenberechnung.
Die Ursache für den Zeitpunkt der Erlassung des zur Nachforderung bzw. Gutschrift führenden Bescheides ist bedeutungslos.
Eine Bescheiderlassung nach dem für den Beginn des Zinsenlaufes maßgebenden Termin (zB 1. Oktober 2001 für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 2000) hat daher Zinsen unabhängig von einem Verschulden des Abgabepflichtigen (zB an einer verspäteten Einreichung der Abgabenerklärung) oder der Abgabenbehörde (zB bei schuldhafter Verletzung der Entscheidungspflicht) zur Folge. Ob die Abgabenerklärung innerhalb bescheidmäßig verlängerter Frist oder danach eingereicht wird, ist ebenso unerheblich wie ob ein Antrag auf Veranlagung (§ 41 Abs. 2 erster Satz EStG 1988) erst knapp vor Ende der Fünfjahresfrist des § 41 Abs. 2 EStG 1988 gestellt wird.
Zinsenrelevante Gutschriften können sich weiters ergeben aus Rückzahlungen
- gemäß § 240 Abs. 3 BAO,
- auf Grund völkerrechtlicher Verträge (zB "Erstattung" gemäß Art. 28 Z 2 DBA Schweiz).
In analoger Anwendung des § 205 BAO sind weiters anspruchszinsenrelevant:
- "Steuerrückerstattungen" gemäß § 94a Abs. 2 letzter Satz EStG 1988,
- die Rückzahlung von Kapitalertragsteuern, die nach der Verordnung BGBl. II Nr. 43/1998 "ungeachtet der Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen" einbehalten worden sind.
Nachforderungszinsen können sich bei Abänderung (zB gemäß § 293 BAO) und Aufhebung (zB gemäß § 299 BAO) von Rückzahlungsbescheiden ergeben (ebenso etwa bei Wiederaufnahme eines Rückzahlungsverfahrens).
Beispiel:
Am 10. September 2002 wird ein Rückzahlungsbescheid (zu Unrecht im Jahr 2000 einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 20.000) zugestellt. Gutschriftszinsen sind daher für die Zeit von 1. Oktober 2001 bis 9. September 2002 von einer Bemessungsgrundlage von 20.000 festzusetzen.
Der Rückzahlungsbescheid wird am 10. Dezember 2002 mit Wiederaufnahmsbescheid aufgehoben. Der neue Sachbescheid (Rückzahlungsbescheid) weist eine Rückzahlung von lediglich 6.000 aus (Nachforderung daher 14.000). Nachforderungszinsen sind für die Zeit von 1. Oktober 2001 bis 9. Dezember 2002 von einer Bemessungsgrundlage von 14.000 festzusetzen. Diese Nachforderungszinsen "egalisieren" die Gutschriftszinsen insoweit, als sich die Gutschrift als zu Unrecht erfolgt erweist und gleichen den (möglichen) Zinsvorteil des Abgabepflichtigen für die Zeit ab Zustellung des Rückzahlungsbescheides vom 10. September 2002 aus.
Rückzahlungen gemäß § 240 Abs. 3 BAO setzen die (rechtswidrige) Einbehaltung durch den Abfuhrpflichtigen, nicht aber die Entrichtung der Abfuhrabgabe durch den Abfuhrpflichtigen voraus. Dies gilt auch für die Gutschriftszinsen. Verzinst wird die aus dem Rückzahlungsbescheid resultierende Gutschrift (unabhängig davon, ob die Abgabe vom Abfuhrpflichtigen entrichtet worden ist).
Maßgebend für das Ende des Zinsenlaufes ist der Tag der Bekanntgabe (im Sinn des § 97 BAO) des zur Gutschrift bzw. zur Nachforderung führenden Bescheides (bzw. des Höchstgerichtserkenntnisses). Im Allgemeinen ist daher der Tag der Zustellung maßgebend; bei Verkündung von Berufungsentscheidungen jedoch der Tag der mündlichen Verkündung (unabhängig davon, ob die Berufungsentscheidung zu einer Gutschrift oder Nachforderung führt; lediglich für den Beginn der Fälligkeitsfrist ist der Tag der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung nach § 210 Abs. 1 zweiter Satz BAO maßgebend).
5. Nachforderungszinsen
5.1 Allgemeines
Die Festsetzung von Nachforderungszinsen erfolgt unabhängig davon, ob die gegenüberzustellenden Beträge ("Vorsollbeträge") entrichtet sind. Bemessungsgrundlage ist die aus dem Bescheid sich ergebende Nachforderung.
Beispiel:
Einkommensteuervorauszahlungen 2000: 100.000.
Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000 am 5. Dezember 2001; Einkommensteuer: 250.000 (Nachforderung daher 150.000).
Nachforderungszinsen für 1. Oktober bis 4. Dezember 2001 von einer Bemessungsgrundlage von 150.000.
Zustellung einer Änderung des Einkommensteuerbescheides am 29. Dezember 2001; Einkommensteuer nunmehr 320.000 (Nachforderung somit 70.000).
(Zusätzliche) Nachforderungszinsen für 1. Oktober bis 28. Dezember 2001 von einer Bemessungsgrundlage von 70.000.
5.2 Anzahlungen
Anzahlungen im Sinn des § 205 Abs. 3 BAO vermindern die Bemessungsgrundlage für die Nachforderungszinsen insoweit, als sie entrichtet sind.
Beispiel:
Körperschaftsteuervorauszahlungen 2000: 200.000.
Am 15. Oktober 2001 Entrichtung einer Körperschaftsteuer 2000 betreffenden Anzahlung in Höhe von 70.000.
Zustellung des Körperschaftsteuerbescheides 2000 am 5. Dezember 2001: 500.000 (Nachforderung daher 300.000).
Nachforderungszinsen von einer Bemessungsgrundlage für
- 1. Oktober bis 14. Oktober 2001 von 300.000 (=Nachforderung),
- 15. Oktober 2001 bis 4. Dezember 2001 von 230.000 (=Nachforderung abzüglich entrichteter Anzahlung).
Dieselben Beträge entrichteter Anzahlungen können sich nicht mehrmals nachforderungszinsenmindernd auswirken.
Beispiel:
Einkommensteuervorauszahlungen 2000: 100.000.
Ende September 2001 Entrichtung einer Anzahlung in Höhe von 80.000.
Am 15. November 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 180.000
(Nachforderung daher 80.000).
Keine Nachforderungszinsen wegen entrichteter Anzahlung in Höhe der Nachforderung.
Am 1. Februar 2002 neuerliche Festsetzung der Einkommensteuer 2000 auf 220.000
(Nachforderung daher 40.000).
Nachforderungszinsen für 1. Oktober 2001 bis 31. Jänner 2002 von einer Bemessungsgrundlage von 40.000 (= Nachforderung; keine nochmalige Berücksichtigung der Anzahlung, die sich bereits zinsenmindernd ausgewirkt hat).
Entrichtete Anzahlungsbeträge können sich bei mehreren zu Nachforderungen führenden Einkommensteuer(Körperschaftsteuer)bescheiden nachforderungszinsenmindernd auswirken (allerdings nur insoweit, als sie nicht bereits zu einer Minderung von Nachforderungszinsen führten).
Beispiel:
Entrichtete Körperschaftsteuervorauszahlungen 2000: 100.000.
Ende September 2001 Entrichtung einer Anzahlung in Höhe von 80.000.
Am 15. November 2001 Zustellung des Körperschaftsteuerbescheides 2000: 160.000
(Nachforderung somit 60.000); die Anzahlung wird in Höhe von 60.000 auf die Nachforderung verrechnet, der Restbetrag von 20.000 wird gutgeschrieben.
Keine Nachforderungszinsen wegen der entrichteten Anzahlung mindestens in Höhe der Nachforderung.
Am 1. Februar 2002 neuerliche Körperschaftsteuerfestsetzung 2000 mit 230.000 (Nachforderung daher 70.000).
Nachforderungszinsen von einer Bemessungsgrundlage für
- 1. Oktober 2001 bis 14. November 2001 von 50.000 (= 70.000 abzüglich 20.000 Teilbetrag der entrichteten Anzahlung, der noch nicht zinsenmindernd war),
- 15. November 2001 bis 31. Jänner 2002 von 70.000 (= Nachforderung).
Anzahlungen sind dem Finanzamt durch gesonderte Schreiben oder auf Zahlungsbelegen durch entsprechende Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs. 4 lit. e BAO) bekanntzugeben. Die Verrechnungsweisung hat die Abgabenart (E bzw. K), 01-12 sowie das betroffene Jahr anzugeben (zB "E 01-12/2000").
§ 214 Abs. 5 BAO über die Beseitigung der Folgen von Irrtümern bei Verrechnungsweisungen bzw. von irrtümlich unterlassenen Verrechnungsweisungen ist auch für Anzahlungen anwendbar.
Beispiel:
Einkommensteuervorauszahlungen 2001: 100.000.
Am 20. September 2002 wird eine Anzahlung (für Einkommensteuer 2001) in Höhe von 40.000 bekanntgegeben.
Am 10. Oktober 2002 wird ein Betrag von 40.000 (ohne Verrechnungsweisung) entrichtet; die Zahlung wird (nach § 214 Abs. 1 BAO) auf eine am 20. August 2002 fällige Abgabenschuldigkeit verrechnet.
Im Dezember 2002 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2001: 150.000 (Nachforderung daher 50.000). Die Nachforderungszinsen werden von einer Bemessungsgrundlage von 50.000 festgesetzt (die wegen der unterlassenen Verrechnungsweisung nicht entrichtete Anzahlung hat keine zinsenmindernde Wirkung).
Nach § 214 Abs. 5 letzter Satz BAO stellt der Abgabepflichtige am 3. Jänner 2002 (somit innerhalb der drei Monate betragenden Antragsfrist des § 214 Abs. 5 BAO) einen Antrag auf Aufhebung der Rechtsfolgen der irrtümlich nicht (für die Anzahlung von 40.000) erteilten Verrechnungsweisung. Antragsgemäß ist nicht nur die Verbuchung der Zahlung auf die Anzahlung vorzunehmen (wodurch die insoweit getilgte, am 20. August 2002 fällige Abgabenschuldigkeit wieder auflebt), sondern auch der Nachforderungszinsenbescheid abzuändern (Neuberechnung der Zinsen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Anzahlung als am 10. Oktober 2002 entrichtet gilt); Verfahrenstitel für diese Abänderung ist § 214 Abs. 5 BAO. Die Bemessungsgrundlage der Nachforderungszinsen ist daher nur 10.000.
Anzahlungen sind jeweils in der vom Abgabepflichtigen bekanntgegebenen Höhe mit dem Tag der Bekanntgabe fällig. Diese Fälligkeit ist nur für Verrechnungszwecke (§ 214 Abs. 1 BAO) bedeutsam. Es besteht keine Verpflichtung, bekanntgegebene Anzahlungen zu entrichten; die Nichtentrichtung hat daher keine Säumniszuschläge (§ 217 BAO) zur Folge. Anzahlungen sind nicht vollstreckbar, somit weder in einen Rückstandsausweis (§ 229 BAO) noch in Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) einzubeziehen.
Der Abgabepflichtige kann (auch wiederholt) Erhöhungen oder Minderungen der Anzahlungen bekanntgeben. Der sich aus der Änderung ergebende Betrag ist unverzüglich zu buchen.
Anzahlungen können sich nicht als "nicht richtig" im Sinn des § 201 BAO erweisen. Sie sind daher nicht bescheidmäßig festzusetzen.
Maßgebend für die Nachforderungszinsen vermeidende bzw vermindernde Wirkung entrichteter Anzahlungen ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung (vgl § 211 Abs. 1 BAO); bei Überweisungen (im Sinn des § 211 Abs. 1 lit d BAO) gilt der Tag der Gutschrift (auf dem Postscheckkonto) als Entrichtungstag. § 211 Abs. 2 und 3 BAO (Respirofristen) ist nicht anwendbar.
5.3 Verrechnung (Gutschrift) von Anzahlungen
Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer(Körperschaftsteuer)schuld zu verrechnen (höchstens im Ausmaß der vor Verrechnung aus dem Bescheid resultierenden Nachforderung). Diese Verrechnung gehört zum Spruch des Abgabenbescheides.
Soweit keine derartige Verrechnung zu erfolgen hat, sind allfällige Restbeträge anlässlich der Erlassung des zu Differenzbeträgen führenden Bescheides (oder eines die Abgabenhöhe unverändert lassenden Bescheides wie zB bloße Endgültigerklärung gemäß § 200 Abs. 2 zweiter Satz BAO) gutzuschreiben.
Werden Anzahlungen vor Ablauf der 42-Monatsfrist (des § 205 Abs. 2 letzter Satz BAO) weder verrechnet (auf die Nachforderung) noch gutgeschrieben, so sind sie (nach § 205 Abs. 3 letzter Satz BAO) mit Ablauf dieser Frist gutzuschreiben.
Anzahlungen können auch nach Zustellung von Abgabenbescheiden (auch neuerlich) bekanntgegeben (und entrichtet) werden (zB am Tag der Schlussbesprechung in Höhe der dort angekündigten Nachforderung).
5.4 Minderung von Anzahlungen
Jeder vom Abgabepflichtigen bekanntgegebene, sich aus einer Minderung von Anzahlungen ergebende Betrag ist zu buchen (Wirksamkeit der Buchung: Tag der Bekanntgabe der Minderung). Dies gilt auch für bereits entrichtete Anzahlungen. Allerdings haben Anzahlungen nur für den Zeitraum, in dem sie entrichtet sind, Nachforderungszinsen vermeidende bzw. mindernde Wirkung.
Beispiel:
Einkommensteuervorauszahlungen 2000: 400.000.
Ende September 2002 wird eine Anzahlung von 500.000 entrichtet.
Am 15. November 2001 wird die Minderung der Anzahlung auf 300.000 bekanntgegeben (die Minderung ist mit Wirkung vom 15. November 2001 zu buchen).
Am 28. Dezember 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 850.000 (Nachforderung daher 450.000; saldowirksam ist durch die Buchung der Anzahlung davon 150.000).
Nachforderungszinsenbemessungsgrundlage für
- 1. Oktober 2001 bis 14. November 2001: null (entrichtete Anzahlung mindestens so hoch wie Nachforderung),
- 15. November 2001 bis 28. Dezember 2001: 150.000 (= Nachforderung abzüglich entrichteter verminderter Anzahlung).
5.5 Keine Verzinsung von Anzahlungen
Gutgeschriebene Anzahlungen sind nicht zu verzinsen.
Beispiel:
Einkommensteuervorauszahlungen 2000: 130.000.
Ende September 2001 wird eine Anzahlung von 200.000 bekanntgegeben und entrichtet.
Am 15. November 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 290.000 (Nachforderung daher 160.000). Von der Anzahlung werden 160.000 auf die Nachforderung verrechnet (daher resultiert aus dem Abgabenbescheid auf dem Abgabenkonto kein Rückstand). Der Restbetrag von 40.000 wird gutgeschrieben (aber nicht verzinst). Nachforderungszinsen sind nicht festzusetzen, weil während des gesamten zinsenrelevanten Zeitraumes (1. Oktober 2001 bis 14. November 2001) eine Anzahlung in Höhe von mindestens der Nachforderung entrichtet war.
6. Auskunftspflicht über Abgabenhöhe
Nicht zuletzt aus budgetären Überlegungen haben Finanzämter auf Ersuchen des Abgabepflichtigen Auskunft über die Höhe der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) zu geben, die auf eine vom Abgabepflichtigen im Auskunftsersuchen angegebene Bemessungsgrundlage entfallen würde. Die Auskunft ist (im Interesse der Bekanntgabe und Entrichtung von Anzahlungen) umgehend zu erteilen.
7. Gutschriftszinsen
Gutschriftszinsen sind nur insoweit festzusetzen, als die gegenüberzustellenden Beträge ("Vorsollbeträge") entrichtet sind. Daher stehen Gutschriftszinsen in der Regel nur insoweit zu, als keine offenen Zahlungsansprüche (für die betreffende Abgabe) bestehen. Maßgeblich ist nur, ob Zahlungsansprüche während des zinsenrelevanten Zeitraumes (für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 2000 somit ab 1. Oktober 2001) offen sind (wann Entrichtungen vor diesem Stichtag erfolgten, ist für § 205 BAO bedeutungslos).
Abgabenzahlungsansprüche entstehen bei der veranlagten Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bereits mit Zustellung des eine Nachforderung ausweisenden Abgabenbescheides und nicht erst mit Fälligkeit der Nachforderung.
Aus welchen Gründen Zahlungsansprüche unberichtigt sind, ist im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos. Daher ist etwa belanglos, ob die Abgabe gemäß § 212 BAO gestundet, die Einhebung der Abgabe gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist oder ob die Abgabenschuldigkeit aus anderen Gründen aushaftet.
Maßgebend ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Abgabenentrichtung (vgl. zB § 211 Abs. 1 BAO). Ob die Abgabenentrichtung zeitgerecht erfolgt, ist ebenso irrelevant wie ob ein Fall der "ausnahmsweisen Säumnis" (im Sinn des § 217 Abs. 5 BAO idF Budgetbegleitgesetz 2001 bzw. § 221 Abs. 2 BAO alte Fassung) vorliegt oder ob Respirofristen (§ 211 Abs. 2 und 3 BAO) zustehen.
Beispiel:
Vor dem 1. Oktober 2001 entrichtete Vorauszahlungen für 2000: 100.000.
Am 1. November 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 300.000;
daher Nachforderungszinsen für Oktober 2001 von einer Bemessungsgrundlage von 200.000.
Die Abgabenschuldigkeit wird nicht entrichtet.
Am 1. Dezember 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 80.000 (Gutschrift daher 220.000).
Gutschriftszinsen von einer Bemessungsgrundlage für
- Oktober 2001 von 220.000 (=volle Gutschrift, keine offenen Zahlungsansprüche)
- November 2001 von 20.000 (=Gutschrift abzüglich nichtentrichteter Einkommensteuer).
Entrichtete Anzahlungen wirken sich bei den Gutschriftszinsen nicht aus. Die Gutschriftszinsen mindernde Wirkung nicht entrichteter Zahlungsansprüche darf jeweils nur einmal erfolgen.
Beispiel:
Vor dem 1. Oktober 2001 entrichtete Vorauszahlungen für 2000: 160.000.
Ende September 2001 wird eine Anzahlung von 10.000 entrichtet.
Am 1. November 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 200.000 (Nachforderung somit 40.000), daher Nachforderungszinsen für Oktober 2001 von einer Bemessungsgrundlage von 30.000 (= Nachforderung abzüglich entrichteter Anzahlung).
Am 1. Dezember 2001 werden 8.000 entrichtet (22.000 bleiben offen).
Am 1. Februar 2002 neuerliche Einkommensteuerfestsetzung 2000 mit 90.000 (Gutschrift daher 110.000); dadurch wird der offene Zahlungsanspruch getilgt.
Gutschriftszinsen von einer Bemessungsgrundlage für
- Oktober 2001 von 110.000 (= Gutschrift, keine offenen Zahlungsansprüche),
- November 2001 von 80.000 (= 110.000 abzüglich offener Zahlungsanspruch von 30.000),
- Dezember 2001 und Jänner 2002 von 88.000 (= 110.000 abzüglich 22.000).
Am 1. März 2002 neuerliche Einkommensteuerfestsetzung 2000 auf 50.000 (Gutschrift somit 40.000).
Gutschriftszinsen von einer Bemessungsgrundlage von 40.000 (für Oktober 2001 bis Februar 2002). Im November und Dezember 2001 waren zwar Zahlungsansprüche offen (30.000 bzw. 22.000). Dies hat sich bereits beim ersten Gutschriftszinsenbescheid zinsenmindernd ausgewirkt und darf daher nicht neuerlich zum Verlust von Gutschriftszinsenansprüchen führen.
Soweit die offenen Zahlungsansprüche (zB Einkommensteuervorauszahlungen und aus der Veranlagung sich ergebende Nachforderungen) zwar nicht entrichtet sind, sich aber aus der Sicht des späteren (zur Gutschrift führenden) Bescheides (insbesondere Abgabenbescheides) der offene Zahlungsanspruch als unberechtigt erweist, sind (in verfassungskonformer Auslegung) Gutschriftszinsen trotz Nichtentrichtung insoweit festzusetzen, als Nachforderungszinsen angefallen sind.
Beispiel:
Nicht entrichtete Einkommensteuervorauszahlungen für 2000: 100.000.
Am 1. November 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 350.000 (Nachforderung daher 250.000).
Nachforderungszinsen für Oktober 2001 von einer Bemessungsgrundlage von 250.000.
Keine Abgabenentrichtungen.
Am 1. Dezember 2001 neuerliche Einkommensteuerfestsetzung 2000 auf 200.000 (Gutschrift somit 150.000).
Gutschriftszinsen von einer Bemessungsgrundlage für
- Oktober 2001 von 150.000 (offene Zahlungsansprüche zwar höher als Gutschrift, aber zur Egalisierung der Nachforderungszinsen),
- November 2001 von 0 (offene Zahlungsansprüche höher als Gutschrift).
8. Festsetzung der Anspruchszinsen
8.1 Abgabenbescheid, Zuständigkeit
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid (§ 198 BAO) festzusetzen. Die Zinsenbescheide sind zweckmäßigerweise gleichzeitig mit dem Bescheid, der zur Nachforderung oder zur Gutschrift führt, zu erlassen.
Jede Nachforderung bzw. Gutschrift löst (gegebenenfalls) einen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Der Zinsenbescheid ist an die im Spruch des zur Nachforderung bzw. Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden ("Bindungswirkung"). Daher ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der "Stammabgaben"-Bescheid sei rechtswidrig.
Die Festsetzung von Anspruchszinsen obliegt dem für die Erhebung der betreffenden Stammabgabe (Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) zuständigen Finanzamt.
8.2 Fälligkeit, Wirksamkeit der Gutschrift
Nachforderungszinsen (bzw. Nachforderungen aus Minderungen der Festsetzung von Gutschriftszinsen) sind nach § 210 Abs. 1 BAO einen Monat nach Zustellung des Zinsenbescheides fällig.
Die Wirksamkeit der Gutschrift aus dem Gutschriftszinsenbescheid richtet sich nach dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides.
8.3 Die 42-Monatsgrenze
Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen (§ 205 Abs. 2 letzter Satz BAO).
Beispiel:
Vor 1. Oktober 2001 entrichtete Einkommensteuervorauszahlungen 2000: 100.000.
Vor 1. Oktober 2001 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 120.000;
Nachforderung vor 1. Oktober 2001 entrichtet.
Am 1. Juni 2005 zugestellter geänderter Einkommensteuerbescheid,
Abgabenhöhe: 180.000 (Nachforderung somit 60.000).
Nachforderungszinsen von einer Bemessungsgrundlage für 1. Oktober 2001 bis 31. März 2005 von 60.000.
Am 1. September 2005 stattgebende Berufungsvorentscheidung,
Abgabenhöhe: 130.000 (Gutschrift daher 50.000).
Gutschriftszinsen von einer Bemessungsgrundlage für 1. Oktober 2001 bis 31. März 2005 von 50.000 (der Zeitpunkt der Entrichtung des erst ab 1. Juni 2005 bestehenden Zahlungsanspruches von 60.000 ist unerheblich, weil Entrichtungen nach Ablauf der 42-Monatsfrist unbeachtlich sind).
8.4 Bagatellgrenze von 50 Euro
Nach § 205 Abs. 2 zweiter Satz BAO sind Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen. Dies gilt sowohl für Nachforderungszinsen als auch für Gutschriftszinsen.
Die Erlassung von die Anspruchszinsen betreffenden "Nichtfestsetzungsbescheiden" hat nur auf diesbezüglichen Antrag des Abgabepflichtigen zu erfolgen.
8.5 Bemessungsverjährung
Nach § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO verjährt das Recht auf Festsetzung von Anspruchszinsen gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der (Stamm)abgabe (somit Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer).
Beispiel:
Die hinterzogene Körperschaftsteuer 2000 wird im Jahr 2008 (somit innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO) erstmals festgesetzt. Die Festsetzung der Nachforderungszinsen ist aus verjährungsrechtlicher Sicht zulässig. Sie hat allerdings nur für 42 Monate (somit für 1. Oktober 2001 bis 31. März 2005) zu erfolgen.
§ 209a Abs. 2 BAO ist für die Festsetzung der Anspruchszinsen anwendbar.
Beispiel:
Keine Einkommensteuervorauszahlungen 2000.
Der Nichtveranlagungsbescheid 2000 wird im Jahr 2003 zugestellt. In diesem Jahr wird auch eine Berufung gegen diesen Bescheid eingebracht.
Die Zustellung der zu einer Gutschrift führenden Berufungsentscheidung erfolgt im Jahr 2006. Dies steht der Festsetzung von Gutschriftszinsen (für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 31. März 2005) nicht entgegen, weil die Festsetzung der Zinsen mittelbar von der Erledigung der gegen den Nichtveranlagungsbescheid gerichteten, vor Eintritt der Bemessungsverjährung eingebrachten Berufung abhängt.
9. Einhebung der Anspruchszinsen
9.1 Verrechnung
Für Verrechnungszwecke ist § 214 Abs. 8 BAO analog anzuwenden.
Beispiel:
Der Rückstand auf einem Abgabenkonto setzt sich aus am 10. Oktober 2001 fälliger Einkommensteuer 1999 (120.000) und aus Einkommensteuer 2000 betreffenden, am 25. Oktober 2001 fälligen Nachforderungszinsen (30.000) zusammen.
Am 5. November 2001 wird ein Einkommensteuer 2000 betreffender Bescheid über die Festsetzung von Gutschriftszinsen (Zinsenhöhe: 20.000) zugestellt. Diese Gutschrift ist auf die offenen Nachforderungszinsen (und nicht auf die ältere verbuchte Abgabenschuldigkeit, nämlich die Einkommensteuer 1999) zu verrechnen (mit Wirksamkeit vom 5. November 2001).
9.2 Haftung
Die Anspruchszinsen sind Nebenansprüche im Sinn des § 3 Abs. 2 lit. b BAO. Daher ist bei persönlichen Haftungen § 7 Abs. 2 BAO für die Anspruchszinsen anwendbar.
Die im Abschnitt 8.1 zweiter Absatz erwähnte Bindungswirkung zB an den im Körperschaftsteuerbescheid enthaltenen Abspruch über die Höhe der Nachforderung setzt voraus, dass der Abgabenbescheid gegenüber dem Anspruchszinsenschuldner wirksam ergangen ist.
Wird ein für Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (etwa gemäß § 9 BAO) persönlich Haftender mit Haftungsbescheid für Nachforderungszinsen dieser Abgaben in Anspruch genommen, so ist er nach § 248 BAO befugt, auch gegen den Nachforderungszinsenbescheid zu berufen. Ihm gegenüber ist der Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerbescheid nicht wirksam ergangen, sodass ihm gegenüber die erwähnte Bindungswirkung nicht besteht. Daher kann der Haftungspflichtige den Zinsenbescheid auch mit der Begründung anfechten, der Abspruch im maßgeblichen Stammabgabenbescheid über die Höhe der Nachforderung sei rechtswidrig; eine (teilweise) stattgebende Erledigung einer solchen Berufung lässt die Höhe der aus dem Haftungsbescheid resultierenden Haftungsschuld von Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unberührt.
9.3 Aussetzung der Einhebung
Die Einhebung von Nachforderungszinsen ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 212a BAO aussetzbar (insbesondere wegen mittelbarer Abhängigkeit von der Erledigung einer gegen den Einkommensteuerbescheid oder gegen den Körperschaftsteuerbescheid gerichteten Berufung).
9.4 Nachsicht von Nachforderungszinsen
Liegt eine Unbilligkeit der Einhebung (im Sinn des § 236 BAO) der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer)schuldigkeit vor, so ist eine solche Unbilligkeit in der Regel auch hinsichtlich der diesbezüglichen Nachforderungszinsen anzunehmen.
Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung von Nachforderungszinsen ergibt sich grundsätzlich nicht bereits daraus, dass der Abgabepflichtigen den durch die Zinsen auszugleichenden Zinsvorteil etwa deshalb nicht lukrierte, weil er die finanziellen Mittel nicht zinsgünstig angelegt hat.
Nach dem Normzweck des § 205 BAO wird ein fehlendes Verschulden des Abgabepflichtigen an der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärung im Regelfall zu keiner sachlichen Unbilligkeit der Einhebung von Nachforderungszinsen führen.
Führt ein Sachverhalt (zB Zufluss von Einnahmen) zu Nachforderungszinsen für das Jahr 2000 (oder ein späteres Jahr), würde jedoch derselbe Sachverhalt umgekehrt zu Gutschriftszinsen für Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) der Vorjahre führen, wenn § 205 BAO für diese Jahre bereits gälte, so wird die Einhebung der Nachforderungszinsen insoweit im Sinn des § 236 BAO sachlich unbillig sein, als nur wegen des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 205 BAO keine Gutschriftszinsen festzusetzen sind (vgl. zB BFH, BStBl II 1999, 41).
Beispiel:
Im Jahr 2002 kommt bei einer die Jahre 1998, 1999 und 2000 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung hervor, dass Einnahmen, die vom Abgabepflichtigen zu Unrecht als im Jahr 1998 zugeflossen behandelt wurden, als im Jahr 2000 zugeflossen zu behandeln sind. Dieser Umstand hat entsprechende Abänderungen der Einkommensteuerbescheide für 1998 und für 2000 zur Folge. Dies führt zu Nachforderungszinsen bezüglich Einkommensteuer 2000. Für die Einkommensteuer 1998 sind Gutschriftszinsen ausgeschlossen, weil für dieses Veranlagungsjahr § 205 BAO noch nicht anwendbar ist. Die Einhebung der Nachforderungszinsen ist insoweit unbillig, als dem Abgabepflichtigen Gutschriftszinsen für die Einkommensteuer 1998 zustünden, wenn die Anspruchsverzinsung für dieses Jahr bereits anzuwenden wäre.
10. Einfluss der Anspruchszinsen auf andere Nebenansprüche
Stundungszinsen (§ 212 Abs. 2 BAO) und Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 BAO) sowie Säumniszuschläge (§ 217 BAO) betreffen (aus der Sicht des Entstehens der betreffenden Abgabenansprüche) andere (spätere) Zeitpunkte bzw. Zeiträume als die Anspruchszinsen. Daher hat § 205 BAO keine Folgen für die Festsetzung solcher Nebenansprüche sowie auf die Abänderung und Aufhebung von solche Nebenansprüche festsetzenden Abgabenbescheiden.
Für Verspätungszuschläge (§ 135 BAO) ist bei der Ermessensübung allerdings die Höhe der Anspruchszinsen im Allgemeinen nicht außer Acht zu lassen. Soweit der Zinsvorteil des Abgabepflichtigen durch Nachforderungszinsen "abgeschöpft" wird, darf er nicht nochmals beim Verspätungszuschlag berücksichtigt werden.
Dies gilt nur insoweit, als der verspätungszuschlagsrelevante Zeitraum (= die Zeit, in der ein Verschulden an der Nichteinreichung der Abgabenerklärung vorliegt) und der anspruchszinsenrelevante Zeitraum (für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 2000 somit 1. Oktober 2001 bis zur Festsetzung der Abgabe) übereinstimmen. Dies gilt weiters nur, soweit die auf deckungsgleiche Zeiträume entfallenden Nachforderungszinsen höher sind als die bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände festzusetzenden Verspätungszuschläge.
1. Beispiel:
Keine Einkommensteuervorauszahlungen 2000.
Am 1. Juli 2002 Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2000: 100.000 - Nachforderung daher 100.000 (Schätzung mangels Einreichung der Abgabenerklärung).
Der anspruchszinsenrelevante Zeitraum (für Einkommensteuer 2000) beträgt 9 Monate (1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2002). Die Steuererklärungsfrist war bis 30. Juni 2001 bescheidmäßig verlängert. Ab diesem Zeitpunkt liegt ein Verschulden an der Nichteinreichung der Abgabenerklärung vor; der verspätungszuschlagsrelevante Zeitraum beträgt somit 12 Monate (1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002).
Nachforderungszinsenbemessungsgrundlage für 1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2002 daher 100.000. Die Zinsen betragen (unter der Annahme eines Basiszinssatzes von 3,25%) daher 3.927(=273 Tage).
Es sei angenommen, dass ohne Berücksichtigung der Anspruchszinsen eine Festsetzung des Verspätungszuschlages in Höhe von 9.000 (= 9% der Bemessungsgrundlage von 100.000) angemessen wäre; davon entfällt auf die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 30. September 2001 ein Viertel (somit 2.250). Dieser Teilbetrag wird von den Nachforderungszinsen nicht berührt.
Hingegen sind die restlichen 6.750 (für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2002) zum Teil als Abgeltung des (aus der Nichteinreichung der Abgabenerklärung resultierenden) Zinsvorteils anzusehen. Angenommen sei, dass dieser Zinsvorteil 5,25% pro Jahr beträgt. Daher ist für 1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2002 die Differenz zwischen 6.750 und 3.927 (=Nachforderungszinsen) angemessen. Der Verspätungszuschlag ist daher in Höhe von 5.073 (= 2.250 zuzüglich 2.823 [=6.750-3.927]) festzusetzen (somit in Höhe von 5,073%); in der Verwaltungspraxis könnte sich eine Rundung auf 5,1% (somit auf 5.100) als zweckmäßig erweisen.
2. Beispiel:
Keine Körperschaftsteuervorauszahlungen 2000.
Die Körperschaftsteuererklärungsfrist wurde bis 30. September 2001 bescheidmäßig verlängert. Die Steuererklärung wird aus Verschulden des Abgabepflichtigen erst am 1. Juni 2002 eingereicht (somit 8 Monate Verspätung).
Am 1. September 2002 Zustellung des Körperschaftsteuerbescheides:100.000 (Nachforderung daher 100.000).
Nachforderungszinsen für 1. Oktober 2001 bis 31. August 2002 (unter der Annahme eines Basiszinssatzes von 3,25%) in Höhe von 4.818 (=335 Tage).
Es sei angenommen, dass ohne Berücksichtigung der Nachforderungszinsen in richtiger Ermessensübung ein Verspätungszuschlag von 8% (dies wären 8.000) gerechtfertigt wäre.
Der anspruchszinsenrelevante Zeitraum beträgt 11 Monate (1. Oktober 2001 bis 31. August 2002). Der verspätungszuschlagsrelevante Zeitraum beträgt 8 Monate (1. Oktober 2001 bis 31. Mai 2002).
Die auf die Monate ab Einreichung der Steuererklärung entfallenden Nachforderungszinsen sind für die Höhe des Verspätungszuschlages nicht zu berücksichtigen. Auf die 8 Monate des verspätungszuschlagsrelevanten Zeitraumes entfallen 8/11 der Anspruchszinsen, somit 3.504 (= 8/11 von 4.818). Die Berücksichtigung der Zinsen in Höhe von 3.504 bei der Verspätungszuschlagsvorschreibung hat zur Folge, dass die Differenz zwischen 8.000 und 3.504 (= 4.496; das sind rechnerisch ca. 4,5% der Verspätungszuschlagsbemessungsgrundlage von 100.000) als angemessener Verspätungszuschlag anzusehen ist.
Die vorstehenden Ausführungen stellen die Rechtsansicht des BM für Finanzen zu § 205 BAO dar, die im Interesse einer bundeseinheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch weder begründet noch können solche aus diesem Erlass abgeleitet werden.
Der Erlass wird im AÖF veröffentlicht.
18. September 2001 Für den Bundesminister: Dr. Bibus
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Zinsen, Verspätungszuschlag, Gutschrift, Nachforderung, Nachsicht, Anspruchszinsen, Gutschriftszinsen, Nachforderungszinsen, Anzahlung, Rückzahlung, Auskunftspflicht, Verrechnung, Bemessungsverjährung |
Verweise: | BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |