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Schweizerische Briefkasten-Tochtergesellschaft

BMFM 712/1-IV/4/0117.7.20012001

EAS 1881

 

Ist eine österrreichische GmbH, deren Betriebsgegenstand Finanzberatung, Handelsagentur und -vertretung, Beteiligung an branchenähnlichen Unternehmen sowie Handel mit Waren aller Art umfasst, zu 100% an einer schweizerischen Gesellschaft beteiligt, die in Zug bei einem Treuhandbüro domiziliert ist und die weder eigenes Personal noch eigene Räumlichkeiten besitzt, dann spricht die Vermutung dafür, dass die in den Büchern der schweizerischen Briefkastengesellschaft ausgewiesenen Gewinne nicht ihr, sondern der österreichischen Muttergesellschaft zuzurechnen sind. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits eine Briefkastengesellschaft ein Unternehmen ist, das keinen geschäftlichen Betrieb hat "und deswegen keine Leistung erbringen kann" (VwGH 22.3.1995, 93/13/0076) und andererseits weil Einkünfte "den tatsächlichen Trägern der Erwerbstätigkeit" zuzurechnen sind (VwGH 10.12.1997, 83/13/1085). Bei jemandem, der keine Leistungen erbringen kann, spricht daher die Vermutung dafür, dass er nicht als Träger einer Erwerbstätigkeit in Betracht kommen kann.

Müssen die Einkünfte der Briefkasten-Tochtergesellschaft der inländischen Muttergesellschaft zugerechnet werden, dann stellt die von der Tochtergesellschaft nachfolgend vorgenommene Ausschüttung dieser bei der österreichischen Muttergesellschaft bereits besteuerten Gewinne keinen ertragsteuerlich erfassbaren Vorgang mehr dar und es erübrigt sich auf die Frage des Methodenwechsels gemäß § 10 Abs. 3 KStG einzugehen.

Kann die vorerwähnte Vermutung jedoch im Prüfungsverfahren widerlegt werden und stellt sich wegen Vorliegens besonderer Gegebenheiten heraus, dass die Einkünfte doch der schweizerischen Gesellschaft zuzurechnen sind, dann wird für die Beantwortung der Frage, ob die Gewinnausschüttung an die österreichische Muttergesellschaft gemäß § 10 Abs. 2 KStG steuerfrei ist, zu untersuchen sein, ob die 3 Verdachtsmomente (schädliche Passiveinkünfte - ungenügende, d.h. 15% nicht übersteigende Steuerbelastung - überwiegende Inländerbeteiligung) des § 10 Abs. 3 KStG in Verbindung mit der VO BGBl. Nr. 57/1995, vorliegen. Besteht bloß eine 45-prozentige Inländerbeteiligung, sind aber die anderen beiden Merkmale besonders stark ausgeprägt (25%-Grenze; siehe Quantschnigg, Körperschaftsteuer, Tz 114 zu § 10), dann liegen dennoch die Voraussetzungen für den Verlust der Steuerbefreiung vor.

Im Übrigen wird weiters zu prüfen sein, ob die 55-prozentige Beteiligung eines in Israel lebenden Angehörigen ihm auch tatsächlich wirtschaftlich zuzurechnen ist, oder ob er diese Beteiligung möglicherweise nur als Treuhänder hält. Eine derartige Prüfung kann gemäß Artikel 27 des österreichisch-israelischen Doppelbesteuerungsabkommens unter Mitwirkung der israelischen Steuerverwaltung auf dem Amtshilfeweg in die Wege geleitet werden.

Für die Frage, ob eine 15% übersteigende ausländische Steuervorbelastung gegeben ist, wird es nicht auf die Verhältnisse im Ausschüttungsjahr, sondern maßgeblich darauf ankommen, ob die ausgeschütteten Gewinne anlässlich ihrer Erzielung in den Händen der ausländischen Tochtergesellschaft einer ausreichenden (15% übersteigenden) Steuerbelastung unterworfen waren.

17. Juli 2001 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 10 Abs. 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
Art. 27 DBA IL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Israel (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 85/1971

Schlagworte:

Briefkastengesellschaft, Zurechnung von Einkünften, Passiveinkünfte, schädliche, Steuerbelastung, ungenügende, Inländerbeteiligung, überwiegende, Informationsaustausch

Verweise:

VwGH 22.03.1995, 93/13/0076

Stichworte